Blasphemie-Paragraphen abschaffen!

Rosenmontag und die Angst vor dem Terror

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Nach diesem Entwurf wird kein Wagen gebaut
Nach diesem Entwurf wird kein Wagen gebaut

BERLIN. (hpd) Die Befürchtung, dass sich die Demokratie durch Terroristen erpressen lässt, wurde bereits geäußert, als eine Pegida-Demonstration wegen einer - bisher noch immer nicht bestätigten - Terrorwarnung abgesagt wurde. Nun scheint es, als wären die Befürchtungen berechtigt: ein Mottowagen des Kölner Rosenmontagszuges wird nicht mitfahren. Er wollte sich mit den “aktuellen Vorfällen in Paris und den Reaktionen darauf auseinandersetzen.”

Wie die WELT gestern berichtete, wurde der Mottowagen zurückgezogen, weil es Sicherheitsbedenken gibt. Dabei ließ das Festkomitee des Kölner Karnevals bei Facebook zuvor über die Gestaltung des Wagens abstimmen. “Über 170.000 Facebook-Nutzer hatten sich die Meldung über die Abstimmung bei Facebook angesehen. Mehr als 7.000 nahmen am Wettbewerb teil.”

Am Mittwochabend gab der Karnevalsverband dann jedoch überraschend bekannt, dass der Wagen nicht fahren werde: “Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Kölner Rosenmontagszuges befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben. Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht. Aus diesem Grund haben wir heute entschieden, den Bau des geplanten ‘Charlie Hebdo’-Wagens zu stoppen und den Wagen nicht im Kölner Rosenmontagszug mitfahren zu lassen.”

In einer Erklärung bei Facebook dementiert der Karnevalsverband jedoch: “Nicht das Festkomitee Kölner Karneval als Organisator des Rosenmontagszugs, sondern die Polizei sowie weitere Sicherheitsbehörden sind wie jedes Jahr hoheitlich verantwortlich für die Sicherung des Kölner Rosenmontagszuges vor gewalttätigen Aktionen.” Es gäbe keine Gefahr für den Kölner Rosenmontagszug, “weder für Teilnehmer noch für Besucher - auch ausdrücklich nicht wegen des Charlie-Hebdo-Wagens.”

Im WELT-Artikel heißt es zudem, dass einige Karnevalsgesellschaften Bedenken gehabt haben sollen, in der Nähe des “Charlie Hebdo”-Wagens mitzulaufen, um nicht Opfer eines Attentats zu werden. Dem widerspricht das Komitee ebenfalls. Doch wird in der Erklärung nicht deutlich, was den Veranstalter des Rosenmontagszuges dazu brachte, den Wagen abzusagen. “Vielleicht” vermutet die WELT, “spielten Sicherheitsbedenken tatsächlich eine größere Rolle, als das Festkomitee offiziell zugeben will. Zu den Karnevalsumzügen kommen immerhin jährlich Hunderttausende Menschen nach Köln und Düsseldorf.”

Hans Leyendecker, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, sagte dazu gestern im Radio-Sender radio eins: “Die Terroristen haben ihr Ziel erreicht. Das zeigt, wie man gerade mit terroristischer Gefahr gerade nicht umgehen darf. Karneval muss solche Themen aufgreifen.”

Der Blasphemie-Paragraph

Es zeigt sich an diesem Beispiel, wie allein der Gedanke an eine terroristische Bedrohung lähmen kann. Selbstverständlich müssen Sicherheitsbedenken ernst genommen werden. Doch auf der anderen Seite zeigen einige Politiker wenig Rückgrat, wenn sie im Ergebnis der Terroranschläge von Paris eine Verschärfung des sog. Blasphemie-Paragraphen fordern. So wie der CSU-Mann Stephan Mayer, der das Strafmaß sogar verschärfen will. Oder der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, der die Auffassung vertritt, das Miteinander wäre erschwert, wenn “die gesetzlich gewährten Freiräume für Kritik und Karikatur bis an die Grenze ausgeschöpft” würden.

Auch Prof. Dr. Christian Hillgruber, der Öffentliches Recht an der Universität Bonn lehrt, fordert in der FAZ eine Verschärfung des § 166 Strafgesetzbuch. Für ihn besteht “kein Zweifel daran, dass auch die Religionsfreiheit anderer der Kunstfreiheit Schranken zu setzen vermag.” Als Credo seines langen Artikels kommt er zum Schluss, dass “die gegenwärtige Handhabung des Paragraphen 166 völlig unbefriedigend” ist. Er stellt zwar fest, dass “Gott selbst … keinen Schutz durch die staatliche Rechtsordnung [braucht], wohl aber das friedliche, respektvolle Zusammenleben in einem Staat, der gläubige und nichtgläubige Bürger vereint.” Daraus zieht er die Konsequenz, dass der Blasphemie-Paragraph häufiger herangezogen werden müsse.

Dem widerspricht Henryk M. Broder entschieden: “400 Jahre nach Giordano Bruno, der in Rom verbrannt, und Baruch Spinoza, der von den Juden exkommuniziert wurde, 200 Jahre nach Voltaire und 100 Jahre nach Oskar Panizza, der noch 1895 zu einem Jahr Haft wegen ‘Gotteslästerung’ verurteilt wurde, ist eine solche Aufforderung ein Verrat an allen Werten der Aufklärung.”

Selbst der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, ist gegen eine Veränderung des Blasphemie-Paragraphen. “Es gibt keinen Sinn, die Ereignisse in Paris zu instrumentalisieren für eine Debatte, die man, wenn man sie überhaupt führen will, aus einer solchen Situation herauslösen muss.”

Blasphemie-Paragraphen abschaffen

Auch religiöse Menschen, egal welcher Konfession, müssen Kritik, Spott und Satire ertragen. Solange diese sich gegen die Religion und nicht gegen die Person richten. Deshalb fordern nicht nur säkulare Verbände und Vereine die Abschaffung des § 166 StGB.

Die Giordano Bruno Stiftung (GBS) hat dazu eine Petition eingereicht, die deren Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon so begründet: “Ich denke, dass der Gesetzgeber in der gegenwärtigen Situation unmissverständlich klarstellen muss, dass er die Freiheit der Kunst höher gewichtet als die verletzten Gefühle religiöser Fanatiker.”

Dieser Forderung schließt sich auch der Dachverband Freier Weltanschauungen (DFW) an: “Um nach innen und nach außen ein Zeichen zu setzen und glaubwürdig für Meinungs- und Religionsfreiheit einzutreten, ist es jetzt dringend geboten, §166 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.” Er unterstützt die Petition der GBS und bittet seine Mitglieder um Mitunterzeichnung.

“Das Festhalten an dieser Regelung [gemeint ist der Blasphemie-Paragraph] schwächt die Position der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kampf gegen die Verfolgung vom Menschen aufgrund ihres religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses”, betonte auch der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), Frieder Otto Wolf. “In Deutschland ist dieses Strafgesetz überflüssig und aus internationaler Perspektive ist es sogar schädlich.”

Der Bund für Geistesfreiheit (BfG) schließt sich den Forderungen ebenfalls an: “Weil die Meinungsfreiheit und die Freiheit der religionskritischen Rede höher steht als die religiösen Gefühle von leicht beleidigten Religionsanhängern, darum sollte auch der § 166 StGB, der Gotteslästerung unter Strafe stellt, ersatzlos abgeschafft werden.”