Warnung vor "Systembruch" mit unabsehbaren Folgen

Strafrechtsexperten gegen Kriminalisierung von Sterbehilfe

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BERLIN. (hpd) Einer aktuellen Meldung der FAZ zufolge haben 135 deutsche Strafrechtsexperten einen Aufruf verfasst, in dem sie die Gröhe-Initiative und andere Initiativen von Bundestagsabgeordneten auf Kriminalisierung von Sterbehilfe kategorisch ablehnen.

Die Strafrechtspraktiker und Strafrechtslehrer, darunter Thomas Fischer (Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats des BGH), Monika Harms (frühere Generalbundesanwältin), Henning Rosenau (Strafrechtsprofessor und Medizinethiker an der Universität Augsburg), verweisen darauf, dass eine Strafbarkeit von Suizidbeihilfe in unverhältnismäßiger Weise in das grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmungsrecht eingreife. Das Recht auf Selbstbestimmung umfasse auch das eigene Sterben, so der Aufruf.

Die FAZ zitiert aus dem noch nicht in vollständiger Fassung veröffentlichten Aufruf, dass "mit der Strafbarkeit des assistierten Suizids (..) die in den letzten Jahren durch den Bundesgesetzgeber und die Gerichte erreichte weitgehende Entkriminalisierung des sensiblen Themas Sterbehilfe konterkariert" würde. Die Unterzeichner befürchten einen "Systembruch, dessen Auswirkungen nicht absehbar sind&".

In dem Aufruf wird erwähnt, schreibt die FAZ, dass in Hospizen und Palliativstationen "tagtäglich organisiert Sterbehilfe geleistet" werde, was in vielen Fällen zu einer Verkürzung der "verbleibenden Lebenszeit" führe. Die Tätigkeit solcher Einrichtung sei aber "uneingeschränkt positiv zu bewerten". Die Strafrechtsexperten warnen davor, diese Tätigkeit "mit Strafbarkeitsrisiken" zu hemmen.

Bedeutsam ist, dass neben anderen bundesweit renommierten Juristen auch der Vorsitzende des 2. Strafsenats des BGH, der bahnbrechende Entscheidungen zur Sterbehilfe getroffen hat, unter den UnterzeichnerInnen ist. Noch sind die Würfel im Deutschen Bundestag nicht gefallen; der Aufruf der Strafrechtsexperten kommt gerade zur rechten Zeit. Die Äußerung namhafter Strafrechtsexperten dürfte auch als ein (erstes) Zeichen dafür zu werten sein, dass die von vielen Bundestagsabgeordneten (aus allen Fraktionen) befürwortete generelle Strafbarkeit von Sterbehilfe vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Auf jeden Fall aber ist dieser Aufruf ein deutliches Signal an die Abgeordnetengruppe um Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Sitte (LINKE), in ihrem Einsatz für eine an Selbstbestimmung und Würde des einzelnen Menschen orientierte Regelung der Sterbehilfe nicht nachzulassen. Diese Abgeordneten dürfen sich in ihrem Vorgehen bestätigt fühlen. Sie stehen nicht allein, die Mehrheit der Bevölkerung und die Strafrechtsspezialisten stimmen ihnen zu.

 


Der hpd wird weiter berichten, sobald der Aufruf vollständig veröffentlicht ist.