Bolivien: Priester-Tagebuch deckt Missbrauch an 85 Minderjährigen auf

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La Paz
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Im Jahr 2009 starb der spanische Priester Alfonso Pedrajas Moreno in Bolivien. Er hinterließ ein elektronisches Tagebuch, in welches er auch sexuelle Gewalt gegen 85 Minderjährige eintrug. Über seine Erben gelangte das Tagebuch zu seinem Jesuitenorden und an die spanische Zeitung El País, die in den letzten Jahren bereits intensive Aufdeckungsarbeit zu sexueller Gewalt und ihrer Vertuschung in der katholischen Kirche betrieben hat. Das brachte in Bolivien einen Stein ins Rollen, sodass nun 35 Priester wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt wurden.

Wäre die katholische Kirche nicht für die Vertuschung sexualisierter Gewalt durch ihre Amtsinhaber bekannt, würden die Entdeckungen um das Tagebuch des Priesters Alfonso Pedrajas Moreno sich wie eine Horrorgeschichte lesen. Leider jedoch handelt es sich um bittere Realität für 85 Menschen. Priester Alfonso Pedrajas Moreno wurde in Spanien geboren, trat dem Jesuiten-Orden bei und zog nach Südamerika, wo er in Peru, Ecuador und schließlich Bolivien lebte.

Mit seinen Verbrechen begann er bereits im Jahre 1964 in der peruanischen Hauptstadt Lima. Dass sich seine Taten einfach zuordnen lassen, liegt daran, dass Pedrajas ein fast 400 Seiten umfassendes und schließlich gar elektronisch auf einem Laptop geführtes Tagebuch hinterlassen hat. Im Tagebuch beschreibt er seine Handlungen als Sünden, Tritte ins Fettnäpfchen oder als Krankheit. Er erkannte, dass er viele Menschen verletzt hatte. Nach eigenem Empfinden zu viele. Ein Empfinden, das ihn jedoch weder zum Aufhören, noch zu den Strafverfolgungsbehörden zwang.

Dass das Tagebuch erst im April 2023, knapp 14 Jahre nach dem Krebs-Tod des Priesters, zunächst bei der spanischen Zeitung El Pais erschien, verwundert da wenig. Die Zeitung hatte durch ihre Recherchen und indem sie Betroffenen von sexueller Gewalt in der spanischen katholischen Kirche eine Stimme gegeben hatte, Handeln bei Behörden und Kirche angestoßen. Erst um den 20. Juni erhielten schließlich auch die bolivianischen Behörden das Tagebuch, übergeben vom Jesuitenorden. Die Strafverfolgungsbehörden kritisierten, dass es unvollständig sei, Seiten seien gelöscht, übersprungen oder gar beschädigt. Überlebende der Verbrechen wollen, dass die Behörden das Originaltagebuch von Fernando Pedrajas Quiles, dem Neffen des Priesters, und dem Journalisten Julio Núñez Montaña von El Pais, der eine Kopie des Tagebuchs vom Neffen erhielt, anfordern, um eine vollständige Version prüfen zu können.

Der Geistliche, der zuletzt am Colegio Juan XXIII in Cochabamba tätig war und dort vor allem von Jungen aus finanziell armen Familien besucht wurde, führte genau Buch über seine Verbrechen. Diese sollen innerhalb der Kirche bekannt gewesen, aber weder intern verfolgt, noch den Behörden gemeldet worden sein. Nachdem 17 Opfer der Taten Pedrajas identifiziert werden konnten, konnten 35 Personen wegen sexuellen Missbrauchs bei den Behörden angezeigt werden. Einige weitere involvierte Priester, Luis María Roma, Alejandro Mestre und Antonio Gausset, ebenfalls Spanier, konnten zwar von den Behörden zugeordnet werden, sind aber bereits verstorben.

Den Fall Pedrajas nun nahmen die bolivianischen Parlamentarier*innen zum Anlass, einen Gesetzesentwurf zu verfassen, der die Verjährung für solche Delikte abschafft, sodass sich Betroffene sexualisierter Gewalt weiterhin melden können. Ähnlich war bereits Spanien vorgegangen.

Papst Franziskus brachte in einem Schreiben seine Scham über den sexuellen Missbrauch durch kirchliche Amtsinhaber zum Ausdruck und wünschte sich eine Aufklärung der Geschehen. Die Kirche hat vier Kommissionen gegründet, die Anzeigen aufnehmen und verarbeiten sollen.

Die Regierung unter Präsident Luis Arce fordert vom Vatikan eine bessere Kontrolle, sodass Priester, die sich sexualisierter Gewalt schuldig gemacht haben, nicht einfach ins Land einreisen können. Ein nicht abwegiges Ansinnen, scheint es doch so, als sei es in der spanischen katholischen Kirche, ähnlich wie in der deutschen, üblich gewesen, Priester nach Übergriffen einfach in eine andere Gemeinde oder ins Ausland zu versetzen.

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