Pakistan

Ehrenmord an Qandeel Baloch

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Qandeel Baloch - aufreizend, provokant, feministisch
Qandeel Baloch

ISLAMABAD. (hpd) In Pakistan war die 26-Jährige Social Media Berühmtheit Qandeel Baloch für ihre provokanten Postings bekannt. Nun wurde sie vom eigenen Bruder ermordet, da ihr Lebensstil angeblich die Familie entehrte. 

In Pakistan ist Qandeel Baloch über ihren Tod hinaus ein Star. 2013 trat die damals 23-Jährige im TV-Talentwettbewerb "Pakistan Idol" auf. Ein Befreiungsschlag für die geschiedene Mutter eines Sohnes, die bereits mit 17 geheiratet hatte. Durch ihren Fernsehauftritt wurde Baloch auch in den sozialen Medien bekannt. Eine Gelegenheit, die sie nutzte. Im Laufe der vergangenen drei Jahre erarbeitete sich Baloch mit freizügigen Fotos und provokanten Postings rund eine Million Follower auf Facebook und Instagram. Baloch, die von den Medien auch als pakistanische Kim Kardashian bezeichnet wurde, betrachtete sich als moderne Feministin. Ihre sexuell aufgeladenen Fotos stellten für sie im konservativ islamischen Pakistan einen bewussten Tabubruch dar, der ihr immer wieder Drohungen einbrachte.

Qandeel Baloch mit Mufti Qawi
Qandeel Baloch und Mufti Qawi

Ihren größten Coup landete Baloch Ende Juni, als sie Mufti Abdul Qawi, eine religiöse Autorität des Landes, in einem Hotelzimmer besuchte. Sie posierte mit seiner Kopfbedeckung, postete Selfies mit ihm und behauptete, sie habe mit dem Mufti im Ramadan Cola getrunken und Zigaretten geraucht. Ein satirischer Interview-Besuch, der Fernsehzuschauern von extra3 oder der ZDF heute-show hierzulande allenfalls ein Schmunzeln entlocken würde. In Pakistan führte er jedoch zu einem Skandal. Der Mufti, der Balochs Behauptungen dementierte, wurde vom Minister für religiöse Angelegenheiten umgehend suspendiert. Balochs Fans waren begeistert. Ihre Feinde dagegen überschütteten sie mit Morddrohungen. Baloch beantragte Polizeischutz, der ihr jedoch nicht gewährt wurde.

Gegen ihren Mörder wäre dieser Polizeischutz ohnehin machtlos gewesen, denn er stammt aus ihrer eigenen Familie. Am vergangenen Freitag wurde Baloch im Haus ihrer Eltern in Multan von ihrem Bruder Waseem ein Betäubungsmittel verabreicht. Danach erstickte er sie im Schlaf. Angeblich hatte Balochs Bruder bereits mehrfach versucht, die Schwester von ihren provokanten Postings in den Sozialen Medien abzuhalten und sie zu einem traditionellen Leben zu drängen.

Medienberichten zufolge gaben die von Baloch geposteten Selfies mit Mufti Abdul Qawi dem Bruder den entscheidenden Anstoß für seine Tat. Bei dem Skandal, den die Posts verursachten, sei für ihn das Maß voll gewesen, sagte Waseem in seinem Geständnis gegenüber der Polizei. Danach habe er den Mord geplant und nur noch auf den richtigen Moment gewartet.

Balochs Bruder empfand die Entehrung durch das provokante öffentliche Leben seiner Schwester offenbar als so stark, dass er nur zwei Alternativen sah: Selbstmord zu begehen oder seine Schwester zu töten. Nach seiner Verhaftung sagte er, dass er stolz auf die Tat sei. Er sei überzeugt, dass man seiner mit Stolz und Ehre gedenken werde und dass er sich seinen Platz im Himmel verdient habe, weil er seiner Familie die Ehre zurückgegeben habe.

Seine Familie scheint die Dinge anders zu sehen. Qandeel Balochs Eltern verurteilen die Tat. Der Vater übergab den Sohn der Polizei. Diese ermittelt ebenfalls gegen Mufti Abdul Qawi, um Hinweisen nachzugehen, dass er Balochs Bruder zu der Tat angestiftet habe.

Ehrenmorde an Frauen sind in Pakistan keine Seltenheit. Hunderte fallen ihnen in jedem Jahr zum Opfer. Ein Gesetz ermöglicht es den meisten Tätern straffrei davon zu kommen, wenn die Familie des Opfers ihnen verzeiht.