"Homophobie tötet": Polnische Humanisten gegen die Diskriminierung von LGBTI

krakow_event_homophobia_kills.jpg

Parade für die Gleichberechtigung von LGTBI-Personen am 12. Juli in Krakau
Parade für die Gleichberechtigung von LGTBI-Personen

"Homofobia zabija – Homophobia kills – Homophobie tötet": Unter diesem Motto machte im Juni eine zweiwöchige Plakataktion auf die unzumutbaren Lebensbedingungen für Lesben, Schwule, Transpersonen und andere aufmerksam. Mit 25 Plakaten in 19 Städten war es die größte Kampagne dieser Art, die das erzkatholische Land jemals erlebt hat.

Von kirchentreuen und nationalkonservativen Medien weitgehend totgeschwiegen, verzeichne sie dennoch eine positive Resonanz in der Bevölkerung und in den Sozialen Medien. Das berichtet Nina Sankari, Vizepräsidentin der säkularen Kazimierz Łyszczyński-Stiftung, die die Aktion federführend mitorganisierte. Unterstützt wurde sie von der norwegischen Humanisten-Initiative Human-Etisk Forbund.

Begleitet wurde die Plakatkampagne in den Sozialen Medien. Viele folgten dem Aufruf der Stiftung, sich selbst vor dem Plakat zu fotografieren, wie sie auf Facebook dokumentiert. Außerdem stellte sie die Bilddatei allen Interessierten zum Download und Ausdrucken zur Verfügung. Das Regenbogen-Design ist übrigens Resultat eines Kompromisses zwischen den Organisatoren und ihrer Werbeagentur. Diese hatte die ersten Vorschläge, ein Kreuz- und ein Dornenkronen-Motiv, kurzerhand abgelehnt – aus Sorge, "religiöse Gefühle" zu verletzen, wie Sankari berichtet. Dennoch sei es nicht einfach gewesen, geeignete Plätze für die Plakate zu finden. In Krakau hatte die Bahngesellschaft den Aushang am Bahnhof verboten.

Gruppenfoto vor einem "Homophobia kills"-Plakat
Gruppenfoto vor einem "Homophobia kills"-Plakat (Foto: © Kazimierz Łyszczyński-Stiftung)

Gleichwohl wurde die Stadt zu einem Zentrum der Aktion. Wo 2019 der Erzbischof Marek Jedraszewski die Bewegung für die Gleichberechtigung von LGTBI-Personen als "Regenbogenplage" diffamiert hatte, zog am 12. Juli eine Parade (vergleichbar dem Christopher Street Day) durch die Straßen. "Es war ein Riesenerfolg, auf unserem Weg so viele positive Reaktionen von Passanten und Cafégästen mitzuerleben", resümiert Nina Sankari. Zwar sei es auch zu Anfeindungen gekommen, doch sei dies eine Minderheit gewesen.

Aktionen und Demonstrationen für die Gleichberechtigung von LGBTI-Personen hatte es in Polen schon zuvor gegeben, teils begleitet von gewalttätigen Angriffen. 2019 hatten rechte Schlägertrupps eine friedliche Parade in der Stadt Bialystok attackiert und die Demonstrierenden mit Steinen beworfen. Es gab mehrere Verletzte. "Der Pflasterstein hat mich nicht getötet", schrieb ein Teilnehmer rückblickend, "doch jeden Tag werde ich durch Gleichgültigkeit ermordet."

Polen: Trauriger EU-Spitzenplatz bei der Diskriminierung sexueller Minderheiten

Innerhalb der EU nimmt das Land bei der Diskriminierung sexueller Minderheiten den traurigen Spitzenplatz ein. Wo sich Städte und Provinzen voll absurdem Stolz zu "LGBTI-ideologiefreien Zonen" erklären, kommt die tätliche Gewalt nicht von ungefähr. Aufpeitscher sind die nationalkonservative Regierungspartei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) und nicht zuletzt die katholische Kirche. 2019 in Bialystok hatte Erzbischof Tadeusz Wojda die Parade im Vorfeld verdammt – um sich kurz darauf halbherzig von den Ausschreitungen zu distanzieren.

Fast 70 Prozent der LGBTI-Personen in Polen berichten von Gewalterfahrungen wegen ihrer sexuellen Orientierung, über 14 Prozent haben sexuelle Gewalt erlebt, mehr als 12 Prozent wurden bereits Opfer von körperlicher Gewalt – diese düsteren Ergebnisse einer Befragung von 2016 lassen erahnen, welches Ausmaß an Feindseligkeit Menschen in unserem Nachbarland entgegenschlägt, die nicht den traditionellen Geschlechternormen entsprechen. Insbesondere bei Jugendlichen sind die psychischen Folgen überdeutlich. Fast die Hälfte zeigt Symptome einer Depression, 70 Prozent haben Suizidgedanken.

Diskriminierung per Gesetz, Hassprediger am Altar: Es ist eine unheilige Allianz, der humanistische Aktivisten in Polen gegenüberstehen. Gleichwohl nehmen die Veranstalter jeden einzelnen Menschen in die Verantwortung, sich dem Hass zu widersetzen. Dafür stehen die Hashtags "niemusisznienawidzić" beziehungsweise "youdontneedtohate" (Du brauchst nicht zu hassen). Die Plakataktion ist als Auftakt einer umfassenden Kampagne konzipiert, die unter der Überschrift "Stoppt religiös motivierten Hass" steht. Weitere Aktionen mit anderen Schwerpunkten werden folgen, wie die Kazimierz Łyszczyński-Stiftung ankündigt.

Unterstützen Sie uns bei Steady!