Kirchentage: Sommerfeste von und für religiöse Christen

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Das elfte Gebot
Das elfte Gebot

Seit Jahren subventionieren Bund, Länder und Kommunen die Kirchentage der evangelischen und katholischen Kirche in erheblichem Umfang mit Steuergeldern. Oft wird versucht, diese Praxis mit der gesamtgesellschaftlichen Relevanz der Kirchentage zu rechtfertigen. Studienergebnisse dagegen belegen, dass der Kirchentag ein innerkirchliches Glaubensfest ist, das für Nicht-Kirchenmitglieder völlig uninteressant ist.

Eine Umfrage durch Studenten der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig unter den Besuchern des "Deutschen Evangelischen Kirchentages" (DEKT) in Hamburg 2013 ergab, dass 98 % der Besucher Angehörige einer christlichen Konfession waren. Der Anteil der Konfessionsfreien unter den Besuchern lag bei rund 1 %.

 

Auch bereits beim DEKT 2011 in Dresden wurde die Umfrage durchgeführt und kam im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis. Bemerkenswert sind diese Zahlen umso mehr, als in beiden Städten die Nicht-Kirchenmitglieder die absolute Mehrheit darstellen (Hamburg 2014 ca. 61 %, Dresden 2009 ca. 80 %). Die Leiter der beiden Umfragen schließen aus den Umfrageergebnissen folgerichtig, "[…] dass der Kirchentag zwar eine hohe Anziehungskraft für jegliche Variante des Protestantismus besitzt, aber dennoch kein nennenswertes Potenzial bietet, auch Konfessionslose in größerem Maß anzusprechen" (Pickel, Jaeckel und Yendell 2015, S. 32). 

Auch anlässlich des katholischen Kirchentages ("Katholikentages") 2014 in Regensburg wurde eine entsprechende, breit angelegte Besucherbefragung durchgeführt. Auch hier war das Ergebnis eindeutig: 98 % der Teilnehmer gehörten einer christlichen Kirche an (86 % katholisch, 11% evangelisch, 1% Mitglied einer Freikirche). Nur 2 % der Teilnehmer gaben im Hinblick auf ihre Konfessionszugehörigkeit an, aus der Kirche ausgetreten, anders religiös oder atheistisch zu sein. Der Katholikentag besitzt also praktisch keine Anziehungskraft auf Menschen, die nicht einer christlichen Kirchen angehören (Pickel, Jaeckel und Yendell, 2016, "Glauben feiern, Spaß haben und über Politik diskutieren – Der Katholikentag und seine Facetten"). 

Die in Pickel et al. 2015 publizierten Umfrageergebnisse zeigen zudem, dass ein Großteil der Besucher des DEKT aus Mehrfachbesuchern besteht, also aus Menschen, die sich dem Kirchentag bzw. der EKD so verbunden fühlen, dass sie dem Kirchentag von Stadt zu Stadt folgen. Über die Hälfte der Besucher des DEKT 2011 war bereits vorher auf mindestens zwei Kirchentagen, für 11 % war es der zweite Besuch. Somit gehörten rund zwei Drittel der Besucher in Dresden zu den Mehrfachbesuchern. In Hamburg 2013 waren die Zahlen ähnlich, hier waren rund 60% Mehrfachbesucher. Ein Kirchentagbesuch scheint, so schließen die Leiter der Studie, mittlerweile für viele aktive Christen zu einer Art "Glaubensritual" geworden zu sein. 

Ein wesentliches Motiv, einen Kirchentag zu besuchen, sei die Identitätsstärkung für die teilnehmenden Christen. Die Umfrageergebnisse zeigen, so die Autoren, dass "[…] der Besuch dort für einen Großteil der Teilnehmer offensichtlich zum festen Bestandteil ihres religiösen Lebens geworden ist". Der Kirchentag sei "eine gute Gelegenheit für engagierte evangelische Christen […], andere entsprechend Engagierten zu treffen, ihre eigene Identität zu stärken, sich ihrem eigenen Handeln im Spiegel der anderen Menschen zu versichern und neue Kontakte zu knüpfen […]". Für die meisten Kirchentagsbesucher stehe die "Auslebung der eigenen Religiosität und die Gemeinschaft mit anderen Christen" klar im Vordergrund (Pickel et al., 2015, S. 51, S. 64, S. 111). Beim Katholikentag in Regensburg ergab sich ein ganz ähnliches Bild bezüglich der Motivation und der starken religiösen Bindung der Besucher (Pickel et al., 2016).

Die Umfrageergebnisse, die in Dresden 2011, Hamburg 2013 und Regensburg 2014 gewonnen wurden, belegen, dass der Kirchentag eben kein offenes Forum zur Meinungsbildung und politischen Diskussion für alle Bürger ist: Nicht-Kirchenmitglieder, die in vielen Städten die Mehrheit bilden, bleiben praktisch komplett fern. 

Zudem stellen die Kirchentagsbesucher kein repräsentatives Abbild des realen weltanschauliche Spektrums innerhalb der christlichen Kirchen in Deutschland dar: Pickel et al. stellten fest, dass z.B. der Anteil der Personen, die an einen persönlichen Gott glauben, unter den Kirchentagsbesuchern deutlich höher ist als unter den Mitgliedern der jeweiligen Kirche. Während z.B. laut ALLBUS 2012 lediglich 24% der evangelischen Kirchenmitglieder an einen persönlichen Gott glauben (was impliziert, dass 76 % eine zentrale Lehre des christlichen Glaubens verneinen), gaben 65 % der Besucher des DEKT 2011 an, an einen persönlichen Gott zu glauben (Pickel et al., 2015, S. 60). 72 % der Katholikentagsbesucher in Regensburg bejahten die Existenz eines persönlichen Gottes, obwohl im Durchschnitt nur 29 % der Katholiken in Deutschland dieser Auffassung sind (Pickel et al., 2016, S. 39). Der durchschnittliche Kirchentagsbesucher ist also, was wenig überraschen dürfte, erheblich religiöser als der Durchschnitt der Kirchenmitglieder in Deutschland. 

Somit steht spätestens seit der Veröffentlichung der Umfragen von Pickel et al. auch empirisch fest, worauf Gegner der Kirchentagssubventionen schon seit Langem hinweisen: Kirchentage sind Glaubensfeste von besonders religiösen Christen für besonders religiöse Christen. Für Konfessionsfreie sind sie uninteressant. Kirchentage sind als allgemeine Plattform zur Diskussion gesellschaftspolitischer Fragen daher völlig ungeeignet. 

Die öffentliche Hand muss mit den ihr anvertrauten Steuergeldern sparsam wirtschaften und dabei jegliche Begünstigung einer bestimmten Weltanschauung vermeiden. Entsprechend sollte sie die massive und einseitige finanzielle Förderung der Kirchentage - eines innerreligiösen Selbstvergewisserungsrituals einer besonders religiösen Minderheit innerhalb der Kirchen - umgehend einstellen.


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