Verschwörungserzählungen in der AfD und Desinformation als koordinierter Vertrauensverlust

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In den vergangenen Wochen haben die aktuellen hohen Umfragezahlen der AfD wiederholt für Schlagzeilen gesorgt. Sie gipfelten zuletzt in Debatten um den AfD-Bundesparteitag und das Sommerinterview des MDR mit dem rechtsextremen Thüringer Fraktionsvorsitzenden Höcke. Im Zusammenhang mit dem Parteitag wurde darüber berichtet, dass die vortragenden AfD-Mitglieder in ihren Reden vermehrt Verschwörungserzählungen verbreiteten. Dass die Partei rassistische und antisemitische Verschwörungsmythen gezielt zur politischen Agitation nutzt, ist allerdings kein neues Phänomen. In einem neuen Blogbeitrag geht das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) auf die jüngsten Äußerungen der Parteimitglieder ein und zeigt auf, wie sich diese in die verschwörungsideologischen Kontinuitäten der rechtsextremen Partei einreihen.

Zustimmung zu Verschwörungserzählungen in der AfD-Wählerschaft

Breite öffentliche Debatten werden im Kontext des Umfragehochs auch zu den Wähler:innen der AfD und ihren Einstellungen geführt. Dabei taucht immer wieder die These der Protestwahl auf, die von Expert:innen häufig als nicht zutreffend und verharmlosend kritisiert wird. Auch empirisch ist die These der reinen Protestwahl wenig haltbar: Verschiedene Umfragen kamen zu dem Ergebnis, dass ein überwiegender Teil der AfD-Wählerschaft rechtsextreme Einstellungen hat. Eine ideologische Passung zeigt sich auch bei der Umfrage des "ARD-DeutschlandTRENDS". Insgesamt 77 Prozent der AfD-Anhänger:innen gaben demnach an, den Werten der Partei sehr oder eher nahe zu stehen.

Neben anderen Formen der Menschenverachtung spielt auch der Verschwörungsglaube bei den (potentiellen) Wähler:innen der AfD eine große Rolle und dockt an die populistischen Strategien der rechtsextremen Partei an. Verschiedene Umfragen und Studien belegen, dass die Zustimmungswerte zu Verschwörungserzählungen bei Anhänger:innen der AfD signifikant höher sind als in der Gesamtgesellschaft. Diesen Effekt zeigte auch eine CeMAS-Umfrage vom Frühjahr 2022 im Hinblick auf die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen zum russischen Angriffskrieg: Fast 60 Prozent der AfD-Wähler:innen stimmten verschwörungsideologischen Aussagen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu.

Die Alternative für Deutschland nutzt Verschwörungserzählungen als Einfallstor in den Rechtsextremismus. Während der Coronapandemie wurde deutlich, dass über solche Mythen Menschen mobilisiert werden können und Abgrenzungen nach rechts immer mehr verschwimmen. Die hohen Zustimmungswerte zu Verschwörungserzählungen innerhalb der Anhänger:innen der AfD zeigen, dass die Partei bewusst solche Narrative fördert, um ihre Anhängerschaft zu stärken und neue Unterstützer:innen zu gewinnen.

Koordinierter Vertrauensverlust: Die Gefahren durch Desinformation

Wenn die Gefahren von Desinformation thematisiert werden, geht es oftmals nur in einer kurzfristigen Betrachtung darum, dass Menschen falsche Behauptungen für wahr erachten und dass hieraus unmittelbare Probleme entstehen. Zur umfassenden Betrachtung von Desinformation gehört jedoch auch der Blick auf ihre langfristigen Auswirkungen auf die Demokratie. In einem weiteren Blogpost geht CeMAS auf die verschiedenen Wirkungsebenen von Desinformation ein und zeigt auf, dass es sich dabei um mehr als um bloße Falschbehauptungen handelt: Denn es geht auch um die implizite Vermittlung von Narrativen.

Desinformation entfaltet ihre Wirkung nicht nur in Form einer einzelnen, irreführenden Behauptung, sondern über die Kombination vieler verschiedener Beiträge, die über längere Zeit immer wieder im Umlauf sind und sich in ihrer Gesamtheit zu zentralen Narrativen verdichten. Langfristig weicht sie daher die Vorstellung von feststellbaren Fakten und geteilter Wirklichkeitserfahrung auf, mit schwerwiegenden Konsequenzen für unsere demokratische Gesellschaft. Denn oft geht Desinformation damit einher, wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Berichterstattung von nach journalistischen Standards arbeitenden Medien zu diskreditieren und demokratische Institutionen und Prozesse anzuzweifeln, um so Misstrauen in der Gesellschaft zu säen.

In diesem Zusammenspiel trägt Desinformation über das kurzfristige Informationsdefizit hinaus dazu bei, der Stabilität demokratischer Gesellschaften schleichend und nachhaltig zu schaden. Eine Gesellschaft, die das Vertrauen in ihre demokratischen Institutionen verliert, unseriösen Quellen glaubt und keine gemeinsame Faktenbasis als Debattengrundlage mehr hat, ist in ihrer politischen Meinungs- und Willensbildung beeinträchtigt und auch die politische Entscheidungsfindung wird verlangsamt. Eine solche Gesellschaft kann Herausforderungen und Krisen nur deutlich geschwächt entgegentreten. Desinformation sollte daher als komplexe Herausforderung verstanden werden, die die Entwicklung effektiver Eindämmungsmaßnahmen mit Blick auf die unmittelbaren und langfristigen Folgen erfordert.

Die Artikel zu Verschwörungserzählungen in der AfD und ihrer Wählerschaft und Desinformation als mehrschichtige Demokratiegefährung sind in voller Länge auf der CeMAS-Website verfügbar.

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