Vergangenen Samstag kam es auf der Bühne der Wiener "Querdenker" zu einem schockierenden Moment. Mehrere Redner:innen zerrissen auf offener Bühne eine Regenbogenfahne und versuchten, diese als pädophiles Symbol zu brandmarken. Gegen die dreiste Provokation formierte sich binnen zweier Tage ein bunter Gegenprotest.
Eine bittere Ironie schwingt in diesem Video mit: Ausgerechnet auf dem Platz der Menschenrechte in Wien stehen die "Querdenker", eine Mischung aus Coronaskeptizismus, Impfgegnertum, autoritärer Esoterik und sonstigen Querköpfen, als drei von ihnen auf offener Bühne eine Regenbogenfahne zerreißen. Applaus brandet auf, als eine Frau ins Mikrofon schreit: Das Symbol der Pädophilen sei das, und "die" seien kein Teil von Österreich. Um Haaresbreite schrammen sie und die anderen beiden Redner an der offenen Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie vorbei.
Als das Video nach kurzer Zeit viral geht, wird eiligst zurückgerudert: Nicht um den Regenbogen sei es gegangen, sondern um das darauf abgebildete Herz, das das Symbol einer angeblichen Pädophilenorganisation sei, und überhaupt sei das Zerreißen der Fahne doch eine friedvolle Lösung gewesen.
Dünnes Eis, und noch dünnere Argumentation. Die Querdenker verwechseln hier – vielleicht absichtlich, vielleicht aus Ignoranz – ein ganz normales Herz mit einem angeblichen "Pädophilie-Code", wie queer.de anschaulich erklärt. Das fragliche Symbol ist das sogenannte "GLogo", zwei mit einem Strich gezeichnete Herzen, unterschiedlich groß, von denen sich das kleinere im größeren befindet.
Herzsymbole auf Pride-Fahnen allerdings sind nichts Neues, eben jene Flagge ist bei einschlägigen Onlinehändlern reichlich bevorratet. Schon 2016 kam ein Hintergrundbericht von Snopes zu dem Ergebnis, dass herzförmige Embleme viel zu generisch sind, um eine Gefahr für die kindliche Allgemeinheit darzustellen.
Unweigerlich stellt sich die Frage, woher die Assoziation also kommt. Nun, von Sputnik News, legt ein Redner seine Quelle offen. Russische Medien seien die einzigen, die unabhängig über diese Thematik berichten würden, schallt es tatsächlich von der Bühne. Ein mustergültiges Beispiel für die unsägliche Verbindung zwischen konsumierten Falschinformationen und praktiziertem Menschenhass.
Doch Wien hält dagegen. Zwei Tage später, am 7. September, und flankiert von einer Hundertschaft an Regenbogenfahnen, stehen mehr als 1.000 Menschen auf dem Platz der Menschenrechte, um ein Zeichen gegen diese offene Zurschaustellung von Menschenfeindlichkeit zu setzen.
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien nannte die Aktion der Querdenker einen "symbolischen Akt, der sich eindeutig gegen uns und eine Gesellschaft stellt, die für Menschenrechte, Respekt, Akzeptanz und Gleichberechtigung steht." Im Rahmen der Gegendemonstration stellten die Organisator:innen klar: "Hass gegenüber LGBTIQ-Personen muss mit allen Mitteln der Demokratie bekämpft werden – damit dieser nicht zum schleichenden Gift unserer Gesellschaft wird. Das Zerreißen einer Regenbogenfahne als klares Symbol dieser Community (...) ist schlicht nicht akzeptabel."
9 Kommentare
Kommentare
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Querdenker sind Dummdenker. Sie verleugnen wissenschaftlich gesichert Erkenntnisse. Das ist einfach dumm.
Bernd Neves am Permanenter Link
Es ist bestürzend, dass eine derartige Beleidigung auf hpd veröffentlicht wird.
Wenn der *humanistische* Pressedienst solche Statements billigt und fördert, verkommt der Begriff "Humanismus" zum Schimpfwort.
Naja am Permanenter Link
Ach, mir ist es eigentlich egal. Wäre es tatsächlich ein GirlLover-Symbol gewesen, hätten sich Adrian Beck und Co. sicher nicht nur nicht darüber aufgeregt, sondern Beifall geklatscht.
Adriano am Permanenter Link
Der Autor sagt ja sehr deutlich, daß die Regenbogenfahne mit (Kinder-) herz nicht für Pädophilie steht.
Aber wofür steht sie denn dann?
Die normale Regenbogenfahne hat ja keine Herzen.
Vielleicht könnte der Autor diese Information noch nachreichen?
Jaheira am Permanenter Link
Ich verstehe nicht, warum die Angreifer in diesem Video als "Querdenker" bezeichnet werden. Ich hätte sie "Rechte" genannt.
Ist dem Autor dieses Artikels, Adrian Beck, etwas über die Identität der Angreifer bekannt? Mit dem Begriff "Querdenker" wird suggeriert, dass es Verbindungen zu der deutschen Querdenkerbewegung um Michael Ballweg gibt. Wie sehen diese Verbindungen aus? Wenn der Autor begründen kann, warum er "Querdenker" schreibt, dann bedauere ich, dass das aus dem Artikel nicht hervorgeht.
B. am Permanenter Link
Vielleicht verstehen Sie ja, dass "Querdenker" kein exklusiver, geschützter Begriff ist? Dass sich Jennifer Klauninger (die Angreiferin...) selbst als "Querdenkerin" versteht?
Jaheira am Permanenter Link
Ja, Sie konnten mir mit zusätzlichen Informationen helfen, die ich im Artikel vermisst habe. "Querdenker" ist nicht geschützt, war aber unüblich vor den Querdenker-Demos.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Ich finde "Querdenker" passend. Das Wort beschreibt die grundsätzliche Voreinstellung derer, die sich selbst so bezeichnen: "Ob Sonne, ob Regen - wir sind dagegen."
Zugangsvoraussetzungen: übersteigertes Geltungsbedürfnis, soziopathische Tendenz und die mehrmalige Anwesenheit auf dem Waldorf-Basar. Fortgeschrittene verschanzen sich gern in einer Paranoia, was ich mit besten Grüßen an die Herren Naidoo und Hildmann nicht unerwähnt lassen möchte.
Viele Anhänger findet auch der Glaube, die Selbstbezeichnung als "Querdenker" oder als "nachdenklich" führe zwangsläufig zu richtigen Annahmen. Schon wer auf dieses alberne Erhabenheitsgetue nicht artig anspringt, gilt als bemitleidenswertes, ferngesteuertes System-Frettchen und muss hysterisch ausgelacht werden.
Es gibt Rechte, die wissen nicht, das sie rechts sind. Und die es tatsächlich nicht sind, haben deswegen noch lange nicht automatisch recht. Die Opferschnurre von Ballweg ist verlogen. Ich umarme nicht schulterklopfend irgendwelche Nazis, wenn ich mit denen nicht einverstanden bin. Mindestens.
Jaheira am Permanenter Link
Warum haben die sich "Querdenker" genannt und nicht "Dagegendenker"? Wissen Sie ein Beispiel dafür, dass die Organisatoren der Querdenker-Demos gegen Gegensätzliches sind?