Der Embryo im Briefkasten

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Religiöses Propagandamaterial

SAARLAND. (hpd) Mit Plastikembryonen wollen Abtreibungsgegner Frauen im Saarland unter Druck setzen und die öffentliche Meinung auf populistischem Wege beeinflussen. Rund 300.000 saarländische Haushalte sollen in diesen Tagen mit der Plastikfigur beliefert werden.

Saarländer, die ihrem Briefkasten dieser Tage einen braunen Umschlag entnehmen, werden unvermittelt zu Geburtshelfern. Inhalt dieses Umschlages ist nämlich ein kleines Embryonenmodell aus Plastik, das derzeit im gesamten Saarland mit der Tagespost ausgeliefert wird. Durchgeführt wird die fragwürdige Aktion vom katholischen Verein Durchblick e.V., der nach eigenen Angaben gegründet wurde, „um Menschen den katholischen Glauben gemäß der authentischen Lehre des II. Vatikanischen Konzils nahe zu bringen“. Dazu gehört für den Verein auch die aktuelle „Embryonenoffensive “, die bereits vergangene Woche mit einer Aktion in der Bahnhofstraße in Saarbrücken startete. Dort wurden 1278 Paar Kinderschuhe aufgestellt, was der Anzahl an saarländischen Abtreibungen im vergangenen Jahr entspricht.

Stigmatisierung von betroffenen Frauen

Die PR-Aktion der Pro-Life-Gruppe ist dabei bewusst großflächig angelegt. Dazu heißt es in einer Mitteilung des Vereins vom 27. Juli 2010: „Wenn wir eine Trendwende im öffentlichen Bewusstsein erreichen wollen, müssen diese Modelle in hoher Zahl zu den Menschen gelangen “. Erklärtes Ziel ist es demnach, das „öffentliche Bewusstsein“ zu beeinflussen. Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass Frauen, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, in der Öffentlichkeit bereits vorab stigmatisiert werden sollen. Entsprechend aggressiv und populistisch liest sich auch der beigelegte Info-Flyer, in dem von „vorgeburtlicher Kindstötung“ die Rede ist, ebenso wie vom „Post-Abortion-Syndrome“, dessen Existenz unter Experten umstritten ist .

Auch Heinz Krämer, Leiter der Beratungsstelle von Pro Familia in Saarbrücken, bestätigt dies in der Saarbrücker Zeitung: „Es gibt kein post abortion syndrome (sic!). Das ist von christlichen Sektierern erfunden und eingeführt worden, um den Frauen ein schlechtes Gewissen einzureden “. Ebenso scharf kritisierte Petra Messinger, Frauenbeauftragte der Stadt Saarbrücken, die Aktion: „Hier werden Methoden angewandt, die Frauen an den Pranger stellen und durch Begriffe wie ‚vorgeburtliche Kindstötung' kriminalisieren “.

Neben Aggression setzt der Flyer aber auch auf anklagende Emotionalität. So heißt es in den „Fakten“ zur 9.-10. Woche polemisch: „Es (der Embryo - Anm. d. Red.) kann schon Daumen lutschen und kleine Purzelbäume schlagen“. Weiterhin heißt es „Jede Abtreibung hinterläßt (sic!) zwei Opfer: das tote Kind und die Mutter, die oft durch ihr privates Umfeld zur Abtreibung gedrängt wurde“.


Plastikembryo
„Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Ein Modell sagt mehr als 1.000 Bilder“,  ist auf der Website des Embryomodells zu lesen. In diesem Fall sagt das Modell tatsächlich einiges aus, und zwar über das reaktionäre Frauenbild des Vereins. Wer gesellschaftlichen Druck auf Frauen in Not fördert, stellt sich damit gegen die Errungenschaften der modernen Gesellschaft, die mit Hilfe der individuellen Beratung eine aufgeklärte und selbstbestimmte Entscheidung der schwangeren Frau ermöglicht. Denn die individuellen Probleme von schwangeren Frauen, die abtreiben wollen, oder bereits abgetrieben haben, lassen sich nicht in Plastik gießen und in Briefkastenschlitze
werfen.
 

Sascha Schmidt