„Barack Obama. Leben und Aufstieg“

(hpd) Der Pulitzer-Preisträger David Remnick liefert eine voluminöse Biographie des 44. US-Präsidenten. Das gut geschriebene, überaus informative, aber auch weitschweifig angelegte Portrait hätte hier und da noch ein paar Tupfer mehr an politischen Aspekten enthalten und um ein gutes Drittel gekürzt werden können.

Barack Obama hat in seinen Reden immer wieder Bezug auf seine Biographie genommen: Im sozialen Aufstieg des Sohnes eines schwarzen Kenianers und einer weißen Amerikanerin, der in Indonesien wie in Hawaii aufwuchs und als Hochschuldozent, Jurist und Politiker in den USA Karriere machen konnte, sah er die Hoffnungen des amerikanischen Traum verwirklicht. Wie dieser Weg bis ins Weiße Haus verlief beschreibt der Pulitzer-Preisträger David Remnick, Chefredakteur des „New Yorker“, in seiner fast tausend Seiten umfassenden Biographie des 44. Präsidenten der USA. Sein Buch „Barack Obama. Leben und Aufstieg“, so heißt es auf der ersten Seite, erzählt eine „Geschichte, die Amerika veränderte“ (S. 11). Im Prolog berichtet der Autor von einer Rede Obamas und bemerkt dazu: „Den Mittelpunkt seiner Rhetorik und seiner Wirkung sollte die Frage bilden, wer er war, woher er kam, wie er sich selbst definierte und wie es ihm letztlich gelang, sein Wesen und seine Persönlichkeit als Ausdruck amerikanischer Ambitionen und Hoffnungen darzustellen“ (S. 12).

Gerade dieser Anspruch begründet weit mehr als bei einem anderen Politiker das Interesse an seinem persönlichen wie politischen Lebensweg. Remnick präsentiert ihn wie einen großen amerikanischen Gegenwartsroman, ohne bei aller erkennbaren Sympathie für den Protagonisten seiner Biographie in eine idealisierende oder romantisierende Darstellung zu verfallen. Als Kenner der US-amerikanischen Politik bettet der Autor sein Lebensbild in die Entwicklungen und Umbrüche der Zeit ein. Dabei garniert er es mit kurzen Portraits von Obamas Angehörigen, Gegner und Weggefährten ebenso wie mit historischen Rekursen über die schwarze Bürgerrechtsbewegung oder den verbreiteten Rassismus. Dies alles ist eingängig dargestellt, aber auch weitschweifig präsentiert. Wer statt eines Epos mehr ein Sachbuch erwartet hat, mag sich denken: Hier wäre Weniger Mehr gewesen. Man könnte gut ein Drittel des Textes kürzen, ohne von seiner eigentlichen Substanz etwas zu verlieren. Mitunter hat man gar den Eindruck, Remnick wollte unbedingt fast tausend Seiten schreiben.

Gleichzeitig fehlt aber häufig die politische Dimension im engeren Sinne: Worin bestand bzw. besteht Obamas Agenda? Es sind ja hier nicht nur die schönen Worte seiner Reden, sondern auch die konkreten Positionen seiner Politik von Interesse. Remnick dokumentiert zwar teilweise eine Obama-Rede als „Vision eines liberalen Amerika“ (S. 685), aber das was der gegenwärtige US-Präsident darüber hinaus zu bieten hatte und hat, findet nur geringes Interesse. Sein Biograph konzentriert sich auch bei den Berichten zu den Wahlkämpfen gegen Hillary Clinton und John McCain all zu sehr auf den „Rassen-Rummelplatz“ (S. 761) – ein zwar bedeutsames, aber nicht mehr entscheidendes Thema. Zu einer ersten Bilanz der Regierungszeit heißt es: „Obamas Leistungen in seinem ersten Amtsjahr bezogen sich teilweise auf Dinge, die nicht geschahen“ (S. 892). Das Bankensystem brach nicht zusammen, man entging einer Wirtschaftskrise. Dies nicht zu erkennen, erklärt wohl zu großen Teilen die schlechten Umfragewerte für einen Präsidenten in den „Ketten der Sachzwänge“.

Armin Pfahl-Traughber

 

David Remnick, Barack Obama. Leben und Aufstieg. Aus dem Englischen von Friedrich Griese, Christina Knüllig und Bernd Rullkötter, Berlin 2010 (Berlin Verlag), 976 S., 34 €