Wikileaks - Gut oder Böse?

INTERNET. (hpd) Derzeit wird der erste tatsächlich ernstzunehmende Cyberwar in der Geschichte des Internet ausgefochten. Auf der einen Seite steht die Enthüllungsplattform Wikileaks, auf der anderen Seite die US-Regierung.

Beide Kontrahenten bekämpfen sich derzeit nicht direkt, sondern über ihre Fans (Operation Payback) oder gekaufte Cyber-Kriminelle (DDos Angriff auf Wikileaks Webseiten). Der Kampf findet neben dem Cyberspace natürlich auch im "Real Life" statt - mit sehr fragwürdigen Vergewaltigungsvorwürfen gegenüber dem Wikileaks-Kopf Assange, oder der Sperrung des Geldflusses an Wikileaks.

Es stellt sich die Frage, welche Position soll die säkulare Szene in Deutschland in dieser Auseinandersetzung einnehmen? Man könnte meinen, das Thema habe nichts mit Atheismus und Humanismus zu tun. Hier irrt man, da es um grundlegende ethische Fragestellungen geht. Die im IT-Zeitalter üblichen Methoden zur Dokumentenerstellung und Datenhaltung ermöglichen "Informanten" heutzutage ein relativ einfaches Abgreifen großer Datenmengen. Laut Wikipedia ist Wikileaks eine Internetplattform, auf der anonym Dokumente veröffentlicht werden können, bei denen ein "öffentliches Interesse" vermutet wird. Der Terminus "öffentliches Interesse" wird dabei von den Wikileaks Verantwortlichen sehr flexibel ausgelegt. Im Spiegel 30/2010 behauptet Assange: "Unsere Kriterien sind glasklar, und wenn sie erfüllt werden, veröffentlichen wir." Auf Nachfrage des Spiegels, wer "wir" sei erklärt Assange: "Am Ende muss einer das Sagen haben, und das bin ich … Und in Zweifelsfällen werde ich immer veröffentlichen."

Sollen alle Informationen "frei sein"?

Kann man der Ungerechtigkeit in der Welt dadurch begegnen, dass alles öffentlich wird und jede Information frei verfügbar ist?

Extreme Forderungen, die keine Abgrenzung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum zulassen, führen zu einer Gesellschaft, die nichts mit humanistischen Grundsätzen zu tun hat. Im Gegenteil, solche Forderungen haben starke Ähnlichkeiten mit religiösem fundamentalistischem Rigorismus. War die Veröffentlichung der Mitgliederliste der British National Party opportun, weil es sich um eine rechte Partei handelte? Was geht die Öffentlichkeit die Ergebnisse eines HIV Tests von Steve Jobs an? Weil er Chef eines börsennotierten Computerkonzerns ist? Warum dann nicht auch eine Liste der Frauenhäuser mit Adresse und deren aktueller Belegung veröffentlichen? Oder den Aufenthaltsort von Zeugen aus einem Zeugenschutzprogramm?

Sicher gibt es einen Bedarf für Enthüllungen und investigativem Journalismus. Die freien Medien sind eine wichtige Kontrollinstanz in der Demokratie. Es bedarf aber bei Veröffentlichungen einer verantwortungsvollen Güterabwägung mit klaren (möglichst einfachen) Regeln und dem Schwerpunkt der Vermeidung von Kollateralschäden bei Privatpersonen. Dem privaten Raum sollte bei dieser Betrachtung immer ein weit höherer Schutzstatus zugestanden werden als dem öffentlichen Raum. Auch Politiker sollten sich bei ihrer Kritik an Wikileaks an die eigene Nase fassen, gerade wenn man an den Ankauf der "Steuersünder-CD" denkt. Offenbar herrscht bei einigen Politikern die Meinung, der Zweck heiligt die Mittel. Wer ist Verräter, und wer Informant? Eine Frage der Opportunität?

 

Athmatrix