Ökologie einer humanistischen Wirtschaft

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Screenshot C2C-Video. Fotos: F. Lorenz

(hpd) Eine humanistische Ökolog/nomie basiert nicht auf ethischen oder moralischen Prinzipien. Stattdessen fußt sie auf kulturellen, sozialen und politischen Veränderungen: Cradle to Cradle – von der Wiege zur Wiege – bedeutet effektive Produktkreisläufe.

Erst vor einigen Tagen wies Michael Schmidt-Salomon in dem hpd-Artikel „Keine Macht den Doofen“ eindringlich darauf hin, dass „schon lange“ Konzepte vorliegen, “die zeigen, wie wir vernünftiger mit unseren Ressourcen umgehen könnten.” Die Krisensituation in Fukushima, Weichmacher in Kinderspielzeug, Abholzung des Regenwaldes und Vernichtung der Lebensräume anderer Spezies hätten gar nicht erst passieren müssen. Wir, die Bewohner der reichen Länder des Nordatlantik sind es, die von den flächendeckenden Zerstörungen der Lebensräume von anderen Spezies profitieren: Die Rohstoffe für unsere duftende Seife, für unsere Computer, das Spielzeug für unsere Kinder entstammen den dafür ausgebeuteten Heimaträumen von Orang-Utans, Schimpansen, Bonobos, um nur unsere nächsten Verwandten (!), die Menschenaffen, zu nennen. Millionen wurden in den vergangenen Jahrzehnten ausgerottet.

Da – wie Schmidt-Salomon sagt – „schon lange“ Konzepte vorliegen, „Produktion und Konsumtion intelligenter zu gestalten”, wird es angesichts der Krisen wohl Zeit, sich diese Konzepte noch einmal anzuschauen und sie zu diskutieren und umzusetzen.

Intelligente Konzepte

Eines dieser Konzepte, die „schon lange“ vorliegen, ist Cradle to Cradle – von der Wiege zur Wiege. Cradle to Cradle weist bemerkenswerte Unterschiede zu anderen ökologischen Entwürfen auf, die ich hier nun ausführen werde.

Bisherige ökologische Ansätze gehen – basierend auf der Idee der Willensfreiheit – davon aus, dass Menschen aus freien Stücken entschieden haben, etwas Böses zu tun: Menschen entscheiden sich, die Umwelt zu zerstören (bzw. sie handeln gedankenlos, fahrlässig, informieren sich nicht ausreichend). Die „Büßer“ dagegen verhalten sich „gut“, indem sie sich einschränken, Verzicht üben und ihre Emissionen begrenzen. Diese gedanklichen Strukturen erinnern nicht von ungefähr an religiöse Konzepte von gut und böse. Nach diesem Verständnis wäre der Mensch nur dann wirklich gut, wenn er nicht mehr da ist. Zugleich wird damit suggeriert, dass Umweltschutz bedeutet, sich einzuschränken, zu verzichten und auf der anderen Seite dieser Medaille bedeutet Umweltschutz gewissermaßen zu sündigen, „böse“ zu sein, wenn man sich nicht einschränkt.

Das Cradle to Cradle -Konzept jedoch unterteilt nicht in gute und böse Menschen, sondern in gute oder schlechte Produkte. Das bedeutet, wenn Produkte so hergestellt werden, dass sie der Umwelt nicht schaden, sondern ihr nützen, wird automatisch der Lebensraum anderer Spezies, die schnelle Abbaubarkeit von Verpackungsmaterial, die Erhaltung der grünen Lunge unserer Erde berücksichtigt. Man kann und soll diese Produkte konsumieren, denn Konsum bedeutet hier, dass der „Abfall“ der Umwelt zugutekommt. Cradle to Cradle ist damit der erste humanistische ökologische Ansatz.

Was ist Cradle to Cradle?

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Industrie, ja, jede Fabrik und jedes Gebäude, so viel Abfall produziert und so nützlich ist wie ein Kirschbaum in voller Blüte. Eine Welt, in der Gebäude – genauso wie Bäume – die Energie der Sonne nutzen, Nährstoffe und Sauerstoff produzieren, Lebensraum für andere Lebewesen bereitstellen, das Wasser und die Luft reinigen und sich sogar den Jahreszeiten anpassen. Eine Welt ohne Umweltverschmutzung oder Müll, in der ausschließlich Produkte hergestellt werden, deren Materialien dem Menschen und der Umwelt nutzen. Eine Welt, in der Materialien von so hohem Wert sind, dass sie ihn speziell dafür kreierten Kreisläufen fließen.

Diese Vision des Ansatzes findet sich auf der Website von einem der Entwickler, Michael Braungart, der Cradle to Cradle-Design-Konzept zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt hat.

Die Grundidee von Cradle to Cradle besteht in der kompletten Trennung von Biosphäre und Technosphäre. Das heißt, Produkte müssen entweder biologisch abbaubar sein und der Biosphäre wieder zugeführt werden können. Oder Produkte müssen so konzipiert sein, dass die Rohstoffe, aus denen sie hergestellt werden, wieder nutzbar gemacht werden können.

Öko-effektiv statt effizient

In Deutschland geht man stattdessen daran, die Umwelt zu schützen, indem man versucht, sie weniger kaputt zu machen, sie schützt mit weniger Zerstörung. Allerdings kommt dies, so Michael Braungart, der Aufforderung gleich: „Schlagt euer Kind nicht mehr fünf-, sondern nur dreimal“ – eine komische Logik. Denn wir versuchen, unsere Rohstoffe effizienter zu machen, statt sie effektiv zu machen. Sie richten in dieser Logik allerdings immer noch großen Schaden an.

„Ressourceneffizienz“ ist in Braungarts Augen ein hohler Begriff, ein „Ökologismus“. Eine ökologische Wirtschaft, die auf Effizienz statt Effektivität ausgerichtet ist, setzt der Chemiker analog zum ineffizienten Terroristen, der ihm lieber ist als ein effizienter Terrorist. „Mit Effizienzsteigerung macht man die falschen Dinge perfekt und damit perfekt falsch“, meint Braungart.

Das Ziel sollte sein, dass unsere Rohstoffe in Rohstoffkreisläufe gelangen, dass wir Produkte bauen, die man nach Gebrauch leicht auseinandermontieren kann, damit wir die darin verwendeten Rohstoffe wiedergewinnen können, statt sie irgendwann in hochgiftigen Mischungen verbrennen zu müssen. Um dann die Rohstoffvorkommen anderer Länder wieder auszubeuten (sollten diese sich widersetzen, dann eben mit Gewalt und Krieg). Die Bestandteile dieser Produkte sind nur giftig, wenn sie in die Biosphäre gelangen, nicht aber, wenn sie in der Technosphäre bleiben.