„Neutralität ist Frage der Zukunftsfähigkeit“

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Foto: Rolf Schwanitz

BERLIN. (hpd) Rund ein Jahr ist seit dem Bekanntwerden der Pläne für einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD vergangen. Der Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz nahm Stellung zur gegenwärtigen Situation der laizistischen Sozialdemokraten. Schwanitz zeigt sich skeptisch zur Frage, ob ein entsprechender Arbeitskreis noch in diesem Jahr vom Bundesvorstand anerkannt wird.


hpd: Herr Schwanitz, seit rund einem Jahr wie die Gründung eines laizistischen Arbeitskreises geplant. Wo stehen die Laizistinnen und Laizisten in der SPD heute, wo steht der Arbeitskreis?

Rolf Schwanitz: Unser Ziel in diesem Jahr ist zunächst einmal, Strukturen in der Region aufzubauen. Es hat im November letzten Jahres ein konstruktives und freundschaftliches Auftaktgespräch mit der Generalsekretärin Andrea Nahles gegeben, nachdem wir ja Monate zuvor eher Töne der barschen Ablehnung hörten. Wir haben aus dem Gespräch mitgenommen, dass wir unseren Blick zunächst nicht nur auf den Bundesvorstand und die Genehmigung an sich richten dürfen, sondern dass zunächst die Frage offen war, inwieweit der künftige Arbeitskreis auch eine Untersetzung in den Regionen und Strukturen der Partei hat. Das halte ich für eine ganz legitime und auch demokratische Erwartung.

 

Das bedeutet konkret?

Schwanitz: Wir haben in diesem Jahr nun erst einmal die Ärmel hochgekrempelt und arbeiten an dieser regionalen Verankerung.

Zunächst sollen also in den Landesverbänden entsprechende Strukturen, also Arbeits- und Gesprächskreise, geschaffen werden.

Schwanitz: Das ist richtig, darum geht es. Hier sind die ersten Schritte auch bereits getan. In Bremen gab es schon die Gründung eines ersten Gesprächskreises, mit Unterstützung durch den Arbeitskreis Christen in Bremen. Entsprechende Vorbereitungen haben wir in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Berlin und auch in Sachsen. Die Dinge kommen also in Bewegung.

Wann ist denn mit dem formellen Akt auf Bundesebene der Gründung eines Arbeitskreises zu rechnen, der von den jeweiligen Strukturen in den Ländern unterstützt wird?

Schwanitz: Ich rechne damit, dass wir hier nicht in wenigen Monaten denken dürfen und habe auch wahrgenommen, dass der Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD eine längere Gründungsphase hinter sich hat. Ich wünsche mir, dass wir noch in der ersten Jahreshälfte unser Anliegen erstmalig und persönlich im Bundesvorstand vortragen können. Das wurde bisher noch nicht getan aber eine entsprechende Verabredung mit der Generalsekretärin gibt es. Nach diesem Schritt werden wir noch eine längere Phase der Regionalisierung brauchen, um zu einem Abstimmungsprozess und Beschluss im Bundesvorstand zu kommen. Ich kann nicht sagen, ob das schon 2011 gelingt oder nicht. Wir werden das erst sehen.

Spüren die Laizistinnen und Laizisten in der SPD denn einen Gegenwind?

Schwanitz: Wir erleben immer noch sehr unterschiedliche Reaktionen. Man darf dabei nicht vergessen, dass die SPD in ihrer Parteigeschichte ein schwieriges und durchaus kompliziertes Verhältnis zu Kirchen hatte. Das ging ja bis in die 80er Jahre hinein, dass Teile der katholischen Kirche regelmäßig vor Bundestagswahlen sich kritisch und mit negativen Wahlempfehlungen gegen die SPD wandten. Es ist für die Partei, das muss man ganz nüchtern sehen, ein sensibles Thema. Und zu meinem Bedauern wird das Eintreten für eine stärkere Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften fälschlicherweise oft als ein kirchenkritisches Eintreten gewertet. Das ist es aus meiner Sicht nicht.

Sie hatten auf Ihrer Homepage von einer Diskussionsveranstaltung mit der CDU Plauen berichtet, nach der bei einigen Menschen dort offenbar folgendes Motto existiert: „Ist die Kirche im SED-Staat benachteiligt worden, geht es jetzt einmal anders herum.“ Wie weit verbreitet ist denn so eine erschreckende Mentalität?

Schwanitz: Das ist schwer zu sagen. Aber ich habe ein solches plattes Argument in Zuschriften, Meinungsäußerungen und eben auch auf der benannten Veranstaltung, erlebt. Ich glaube, dass es in den neuen Bundesländern öffentlich relativ selten ausgesprochen aber in der Union und in den Kirchen des Öfteren gedacht wird.

Wie ist die Reaktion von Wählerinnen und Wählern aus dem Wahlkreis auf dieses spezifische Thema?

Schwanitz: Empirische Informationen darüber habe ich wenige. In jedem Fall will ich noch mal voranstellen, dass es mir bei diesem Thema nicht um Wahlkampftaktik geht. Für mich ist ein weltanschaulich neutraler Staat eine Frage des Funktionierens und der Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie. Es sind also grundsätzliche Fragen, um die es mir geht. Die große Mehrheit der Zuschriften und E-Mails, auch im Vergleich zu anderen Themen während der letzten 20 Jahre, setzt hier ein klares Signal. Es gibt eine große Resonanz und Unterstützung bei den Menschen.

Ist nach den Gesprächen mit den verschiedensten Gruppen bisher schon absehbar, dass sich an den inhaltlichen Positionen die bisher formuliert wurden, in nächster Zeit etwas ändern wird oder ändern muss? Tragen die formulierten Standpunkte weiterhin?

Schwanitz: Die Grundsätze und Ziele, die wir uns in Berlin gegeben haben, gelten selbstverständlich weiterhin. Ich will, dass wir auch in diesem Jahr ein bundesweites Treffen durchführen. Da wird man sehen, ob über diese Ziele weiter diskutiert wird. Ich gehe auch davon aus, dass die Regionalisierung innerhalb unserer Strukturen zu unterschiedlichen Antworten in Fragen der Dringlichkeit einzelner Anliegen führen wird. In Bayern stellen sich sicherlich andere Fragen als in einem der neuen Bundesländer. Daher wird das noch eine spannende Entwicklung bei der regionalen Weiterentwicklung der Ziele geben.
 

Herr Schwanitz, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Arik Platzek