Gott mit uns: Unternehmen Barbarossa

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Koppelschloss der deutschen Wehrmacht im II. Weltkrieg

BERLIN. (hpd) Heute jährt sich der Beginn des Unternehmens Barbarossa zum 70. Mal. Am 22. Juni 1941 drang die Wehrmacht mit über drei Millionen Soldaten in die Sowjetunion ein. Obwohl das Konzept des Blitzkriegs schnell fallengelassen werden musste, weil der deutsche Vormarsch auf Moskau im ersten Kriegswinter stockte, zogen sich die Kämpfe an der Ostfront insgesamt fast vier Jahre hin.

 

Selbst verheerende Niederlagen wie 1942 in Stalingrad oder 1943 bei Kursk konnten Hitlers Fantasien vom „Endsieg“ nicht schmälern. Auch als die Niederlage immer näher rückte, war das fanatische NS-Regime nicht zu Friedensverhandlungen bereit. So zog sich das sinnlose Sterben immer weiter hin, während die Einsatzgruppen hinter der Front furchtbare Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung verübten. Von Hitlers ca. 40 Millionen Todesopfern starben über 25 Millionen in der Sowjetunion.

Wie die anderen Angriffskriege der Wehrmacht auch wurde dieser von den deutschen Bischöfen als nationale Pflichterfüllung begrüßt. In einem gemeinsamen Hirtenbrief des katholischen Episkopats vom 26. Juni hieß es:

„Geliebte Diözesanen! In schwerster Zeit des Vaterlandes, das auf weiten Fronten einen Krieg von nie gekanntem Ausmaße zu führen hat, mahnen wir Euch zu treuer Pflichterfüllung, tapferem Ausharren, opferwilligem Arbeiten und Kämpfen im Dienste unseres Volkes. Wir senden einen Gruß dankbarer Liebe und innige Segenswünsche unseren Soldaten, Euren Männern, Söhnen und Brüdern im Felde, die in heldenmütiger Tapferkeit unvergleichliche Leistungen vollführen und schwere Strapazen ertragen. Von Euch allen fordert der Krieg Anstrengungen und Opfer. Bei der Erfüllung der schweren Pflichten dieser Zeit, bei den harten Heimsuchungen, die im Gefolge des Krieges über Euch kommen, möge die trostvolle Gewißheit euch stärken, daß Ihr damit nicht bloß dem Vaterlande dient, sondern zugleich dem heiligen Willen Gottes folgt, der alles Geschehen, auch das Schicksal der Völker und der einzelnen Menschen in seiner weisen Vorsehung lenkt. Auf ihn, den ewigen allmächtigen Gott, setzen wir unser Vertrauen, von ihm erflehen wir Gottes Schutz und Segen für Volk und Vaterland.“

Auch der Feldbischof der Wehrmacht, Franz Justus Rarkowski, dessen Posten mit dem Reichskonkordat zwischen Deutschem Reich und Vatikan geschaffen wurde, unterstützte den Einmarsch in die Sowjetunion:

„So ist es keine Übertreibung, wenn ich sage, daß ihr im Osten gleich den deutschen Ordensrittern einer Zeit, die weit hinter uns liegt, eine Aufgabe zu erfüllen habt, die von einmaliger Bedeutung ist und deren Auswirkung für unser Volk, ja für Europa und die ganze Menschheit, heute noch nicht überblickt werden kann. Der bolschewistische Moloch hat immer wieder versucht, sein Haupt zu erheben, um mit einem Massenaufgebot an Menschen und Maschinen der Kulturwelt zu trotzen. Zwar schwebt über diesen Massen ein Idol, genährt von dem bolschewistischen Weltzerstörungstrieb, aber in ihnen lebt kein Glaube.“

Warum begrüßten alle katholischen Bischöfe Deutschlands (mit der Ausnahme Konrads Graf von Preysing) die Kriege der Wehrmacht, obwohl das Verhältnis zwischen Kirche und NS-Staat stets spannungsgeladen war? Dies erklärt sich zum einen aus der Sozialisierung der Bischöfe, die, auch wenn sie katholisch waren, doch auch immer deutsch dachten, und aus den Erfahrungen des Kulturkampfes im Kaiserreich. Damals war es zum Bruch zwischen katholischer Kirche und deutscher Regierung gekommen. Die Spannungen hatten den Bischöfen den Ruf, unpatriotisch zu sein, eingebracht, was sie bereits im Ersten Weltkrieg durch vaterländische Pflichterfüllung ausgleichen wollten.

Zum anderen erklärt sich die Kriegsbegeisterung der Bischöfe aus der bolschewistischen Kirchenverfolgung. Seit der Russischen Revolution war die Orthodoxie ins Visier der Kommunisten geraten. Die Gottesdienste wurden mit nur wenigen Ausnahmen im ganzen Land verboten. Zehntausende Geistliche und Mönche wurden zum Tode verurteilt oder im Gulag-System inhaftiert.

Das Dritte Reich, das vergleichsweise selten in den kirchlichen Bereich eindrang, erschien vielen Bischöfen als kleineres Übel, das den antikirchlichen Bolschewismus niederringen konnte.

Nationalsozialisten als das kleinere Übel

Diese Logik galt genauso im Vatikan. Domenico Tardini, der zusammen mit Giovanni Battista Montini und Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione zum engsten Führungszirkel um Papst Pius XII. gehörte, hielt seine Gedanken über den Einmarsch in die Sowjetunion im September 1941 fest. In einer Denkschrift an den Papst entwarf er ein Szenario der gegenseitigen Schwächung beider Diktaturen. Tardini wünschte sich eine Niederwerfung der kommunistischen Diktatur durch das Dritte Reich, wollte aber dieses umgekehrt nicht als neuen Herrscher über Europa sehen, da die Nazis in Polen grausam wüteten und dort fast das gesamte kirchliche Leben zum Erliegen gebracht hatten.

Im September deutete vieles auf einen raschen Sieg der Deutschen hin. Die Rote Armee war, trotz zahlenmäßig großer Stärke, der Wehrmacht weit unterlegen. Die USA unterstützten die bedrängte Sowjetunion großzügig mit militärischen und zivilen Gütern, wie Jeeps, Lastwagen, Waffen oder medizinischer Ausstattung. Diese Hilfe war in den USA umstritten, wo viele Politiker auf einen isolationistischen Kurs der Nichteinmischung in den europäischen Krieg, der noch kein Weltkrieg war, drängten. Vor allem die amerikanischen Katholiken standen den Hilfslieferungen an die Sowjetunion kritisch gegenüber. Dies lag daran, dass Papst Pius XI. 1937 in der Enzyklika „Divini Redemptoris“ jede Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Kommunisten strikt untersagt hatte.

Tardini wollte die Widerstände gegen die amerikanische Hilfe an die Sowjetunion schwächen und versuchte sich an einer Neuinterpretation der Enzyklika. Diese verbiete zwar die direkte Unterstützung von Kommunisten, nicht aber die Unterstützung bedrängter Völker. Diese Interpretation gelte es den amerikanischen Bischöfen zu vermitteln. Pius XII. solle sich aber an Roosevelt wenden und ihn bitten, die Hilfe der Sowjetunion nur wohldosiert zukommen zu lassen. Die Rote Armee solle in dem Krieg nicht die Oberhand gewinnen. Wünschenswert wäre es, den Krieg maximal in die Länge zu ziehen, so dass die Sowjetunion unterliege, das Dritte Reich aber stark geschwächt sei und keine Bedrohung für die kirchlichen Interessen mehr darstelle.

Der katholische Antibolschewismus zahlte sich für die Nazis auch in der Ukraine aus. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht bezeichnete der Lemberger Erzbischof Andrej Scheptyzkyj die deutschen Truppen als Befreier, wenngleich er wenigstens die Judenverfolgung anprangerte. Die Besatzungsmacht bemühte sich alsbald um gute Beziehungen zur katholisch-unierten Kirche der Ukraine. (Diese war dem Ritus nach slawisch-orthodox, erkannte aber den Papst als oberste Instanz an.) Die vorher verbotenen Gottesdienste wurden wieder erlaubt, was den Nazis die nötige Sympathie bei der Aushebung der Waffen-SS-Division Galizien bescherte. Ihr schlossen sich auch katholische Geistliche an.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gerieten die Angehörigen der Division Galizien in alliierte Gefangenschaft und wurden im italienischen Rimini inhaftiert. Stalin pochte auf ihre Rückführung in die Sowjetunion, was einer Lagerhaft gleichgekommen wäre. Der ukrainische Bischof Ivan Bučko, der im Vatikan tätig war, drängte jedoch darauf, die Soldaten vor diesem Schicksal zu bewahren. Für ihn waren sie die „Blüte der ukrainischen Nation“. Papst Pius XII. setzte sich gegenüber der Londoner Regierung für eine Freilassung der SS-Division ein. Er hatte Erfolg und ihre Angehörigen konnten sich straffrei im britischen Empire, vor allem in Kanada und Australien, niederlassen.

Lukas Mihr