BERLIN. (hpd) Viel Aufregung im Vorfeld: Deutsche Kardinäle haben sich - was sollten sie, Kreaturen des Papstes, sonst tun - für ihn in die Bresche geworfen: Die Wortwahl entlarvte, sie reichte von „schäbig“ bis zum „hässlichen Deutschen“. Das dürfte eine deutschkatholische Spezialität sein: Wer über allgemeine Steuern die Papstkirche mit subventioniert, der wird beschimpft. Ist das nicht charakterlos, schäbig, hässlich?
Die Möglichkeit zum Protest, gerade durch gewählte Volksvertreter, ist aber, wie Oliver Lösch mit Recht festgestellt hat, ein wesentlicher Grundpfeiler jeder Demokratie. Wäre es wirklich so unangenehm gewesen, auf jede Camouflage zu verzichten und sich damit sichtbar zur garantierten Gewissensfreiheit eines jeden Abgeordneten zu bekennen?
Doch nun hat ER gesprochen. Haben Sie wirklich etwas von dieser Rede im Bundestag erwartet? Ein Wegweiser, dieser Mann ohne Charisma? Nein, er bleibt ein Geisterfahrer, der allein und unbelehrbar auf der rechten Spur fährt und für den zigmillionen Andersdenkende im Irrtum sind.
Gewiß hat ER, für alle überraschend, für viele enttäuschend, die Vorlesung eines Generalisten gehalten, eine rechtsphilosophische Predigt, die alles ausgespart hat, was interessiert hätte.
Wichtig war an dieser Rede alles, was Ratzinger nicht sagte. Was er zugunsten seiner versponnenen Naturrechtsphilosophie unterschlug und die Realität getroffen hätte. Zum Beispiel die Tatsache, dass seine Kirche hierzulande, einmalig auf der Welt, mit Milliarden Euro subventioniert wird. Doch hörten wir ein Wort des Dankes an die vielen Millionen deutscher Nichtkatholiken, die da mit bezahlen?
Hat er ein Wort über das unmoralische Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland verloren? Beispielsweise über das Konkordat des Hl. Stuhls mit Hitler? Es hätte einem deutschen Papst nicht schlecht angestanden, hierzu etwas zu sagen. Er hat es nicht getan.
Auch die Tatsache hat er unterschlagen, dass er das aufklärerische Menschenrecht der Meinungs- und Redefreiheit wahrnimmt, das seinesgleichen nicht erkämpft hat. Musste es nicht sogar gegen seine Vorgänger erstritten werden?
Kein aufrechtes Wort ist ihm eingefallen zum Protestantismus, für den ein Religionsführer, der „Staatsoberhaupt“ sein will, mit Recht eine Lästerung darstellt.
Stattdessen gab es viel zwischen den Zeilen zu erfahren: Neuevangelisierung mithilfe eines Rückbezugs zum katholischen Gott, die Aufklärung getauft, die Menschenrechte als christlich fundiert ausgegeben, Vernunft auf katholisch gepredigt, Werte des christlichen Abendlandes verkauft – für die eigene Tasche.
Ratzinger hat einmal mehr danebengegriffen. Er hat das Thema verfehlt. Die Abgeordneten machten ratlose Gesichter. Eine rechtsphilosophische Attitüde ersetzt keine Beschreibung der Wirklichkeit.
Und die, Herr Professor Ratzinger, heißt nun einmal: Wo Kirche ist, da ist Vergangenheit.
Horst Herrmann