Düstere Zeiten für Gorilla & Co.

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Schimpansen im Wuppertaler Zoo / Foto: Colin Goldner

WUPPERTAL. (hpd) Die letzten Sonnenstrahlen sind passé: für die rund 350 in deutschen Zoos gehaltenen Schimpansen, Orang Utans, Gorillas und Bonobos beginnt nun die düsterste Zeit des Jahres. Sie werden bis zum kommenden Frühjahr in den sogenannten „Innengehegen“ ihrer Anlagen verbringen, zusammengepfercht auf wenige Quadratmeter hinter Eisengittern und Isolierglasscheiben.

Auch wenn die Raummaße der „Innengehege“ mittlerweile in den meisten Zoos den Vorgaben des bundesministeriellen Säugetiergutachtens von 1996 entsprechen, das für zwei Tiere je 12,5qm und ab dem dritten je weitere 10qm vorsieht - für fünf ausgewachsene Gorillas also 55qm -, gibt es für die Haltung von Menschenaffen in diesen tristen Betonbunkern keinen anderen Begriff als Folter. Die zum Vergnügen der Besucher zur Schau gestellten Tiere überleben diese Qualhaltung nur durch massive Gabe von Tranquilizern und Betablockern. Wer einmal in die abgrundtief deprimierten Augen eines gefangengehaltenen Orang Utan geblickt hat, weiß, wovon die Rede ist.

Selbst die seit Jahren von Tierschützern geforderte Überarbeitung des besagten Säugetiergutachtens - eine Neufassung ist für Ende 2012 geplant - mit allfälliger Verschärfung der entsprechenden Vorgaben, sprich: einer Erweiterung der jedem Tier zugestandenen Gehegegrundfläche, würde nur eine kosmetische und keine substantielle Verbesserung bringen. Abgesehen davon weisen die Vorgaben des Gutachtens keine Rechtsverbindlichkeit auf, einzelne Zoos könnten sich also, nicht zuletzt mit Verweis auf Bestandsschutz, auf Jahre und Jahrzehnte hinaus ihrer Umsetzung entziehen. Im Übrigen sind auch von einem novellierten Säugetiergutachten keine Vorgaben zu erwarten, die über die der EU hinausreichten, die ihrerseits als völlig ungenügend zu bewerten sind.

Schande für Wuppertal

Eine besonders eklatante Qualhaltung großer Menschenaffen findet, unbeachtet von der Öffentlichkeit, seit Jahrzehnten im Zoo Wuppertal statt. Der mittlerweile dreiundvierzigjährige Schimpansenmann Epulu lebt dort seit seiner Geburt eingesperrt in einem weniger als 40qm großen Bunker aus Beton und Panzerglas. Ein Außengehege gibt es nicht, er hat den Bunker zeit seines Lebens noch nie verlassen. Dass ihm keinerlei Spiel- oder Beschäftigungsmaterial zur Verfügung steht, fügt sich ins Bild; desgleichen, dass es weder Stroh noch Holzwolle für ihn gibt - von Gras oder Blättern ganz zu schweigen -, um sich ein Nest zu bauen. Auf engstem Raume und nacktem Betonboden fristet er ein elendes Leben, selbst dem Laien fallen die massiven Symptome von Hospitalismus ins Auge, die Epulu zeigt. Groteskerweise wurde der Zoo Wuppertal bei einem Ranking der Wochenzeitschrift STERN im Frühjahr 2008 als drittbester deutscher Großzoo eingestuft.

2006 bekam Epulu die damals 23j-ährige Schimpansin Kitoto dazugesetzt, die bis dahin in einem größeren Verband im Zoo von Münster gelebt hatte. Sie hatte dort Zugang zu einer relativ großen Außenanlage. Auch sie, die weiß, wie sich Gras unter den Füßen anfühlt, hat den Wuppertaler Betonkasten seither nicht mehr verlassen. Eine Zufallsbefragung von Zoobesuchern Ende August dieses Jahres ergab, dass die meisten vom Fehlen eines Außengeheges für die Schimpansen nichts wussten und dies auch gar nicht glauben wollten. Ein befragter Pfleger gab an, sie dürften nicht ins Freie, da sie sich dort erkälten könnten. Um es zu wiederholen: Es gibt im Wuppertaler Zoo überhaupt kein Freigehege für die Schimpansen.

Der renommierte Primatologe Volker Sommer, Beirat der Giordano Bruno Stiftung, sprach schon im Frühsommer 2011 (in einer Stellungnahme für die Tierschutzorganisation PeTA) von einer „Schande für eine Stadt wie Wuppertal“: „Den Wuppertaler Schimpansen geht es schlecht. Erstens sind sie zu zweit eingesperrt. Gruppen wilder Schimpansen setzen sich hingegen aus vielen Dutzend Mitgliedern unterschiedlichsten Alters und Geschlechts zusammen. ‚Pärchen’ gibt es nicht bei Schimpansen – ihre Gesellschaft ist freizügig und damit voller sozialer Raffinesse. Zweitens drehen sich die Wuppertaler Schimpansen auf engstem Raum im Kreise – in einem Gehege, das selbst Minimalanforderungen nicht erfüllt. Ihrer Zelle von 35 Quadratmetern stehen in der Wildnis leicht 35 Quadratkilometer gegenüber. Drittens bietet ihr Gehege viel zu wenig Abwechslung. Wilde Schimpansen sind mental gefordert, weil ihre komplexe Umwelt sie beständig herausfordert, sei es physikalisch (Sonne, Wind und Regen), physisch (Boden, Baumkronen und Wasserläufe), physiologisch (Pflanzen- und Tiernahrung) oder psychologisch (Freunde, Feinde, Allianzen). - Was gilt es zu ändern? Die Schimpansen sollten in einer größeren Gruppe leben, sie müssen Zugang zu einer Außenanlage erlangen, und ihre Umgebung muss angereichert werden. Wenn der Zoo Wuppertal das nicht leisten kann, müssen die Schimpansen andernorts eine erträglichere Unterbringung erhalten. Wenn nichts geschieht, werden diese hochsensiblen und hochintelligenten Lebewesen noch Jahre oder gar Jahrzehnte vor sich hinsiechen – wenn nicht physisch, dann psychologisch. Denn Schimpansen, ähnlich wie Menschen, haben einen weiten Zeithorizont, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einschließt. Deshalb dürften diese Tiere die Ausweglosigkeit ihrer Situation verstehen und das empfinden, was wir ‚Verzweiflung’ nennen. Die gegenwärtige Haltung ist jedenfalls grausam.“

Video der Schimpansenhaltung in Wuppertal:

 

Was hat sich seither geändert? Gar nichts. Die im Juli 2011 von PeTA erhobenen Forderungen, die Lebensbedingungen für Epulu und Kitoto unverzüglich zu verbessern oder die Menschenaffen in eine tiergerechtere Umgebung zu überführen, verliefen im Sande.

Tatsache ist: Die Isolationshaltung der beiden Schimpansen im Wuppertaler Zoo verstößt nicht nur gegen bundesministerielle Vorgaben, selbst elementarste zooverbandsinterne Richtlinien werden missachtet (was in vielen anderen deutschen Zoos nicht viel anders ist). Die Qualhaltung von Epulu und Kitoto ist als eindeutiger Verstoß gegen das Tierschutzgesetz zu werten und damit strafbar. Sollten sich die Haltungsbedingungen für Epulu und Kitoto nicht zeitnah, sprich: bis Ende 2011, substantiell verbessern - Mindestvoraussetzungen wären ein jederzeit zugängiges Außengehege sowie die Ausstattung des Innengeheges mit Beschäftigungs- und Nestbaumaterial, dazu Rindenmulch auf dem Boden - wird Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Stadt Wuppertal erstattet, in deren Trägerschaft der Zoo steht.

Colin Goldner