Kein Weihnachtsfriede

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Screenshot „Brainstorm" S. 18 und 19

ST.PÖLTEN. (hpd) Mit dem Weihnachtsfrieden könnte es heuer nichts werden im niederösterreichischen St. Pölten. SchülerInnen der Landeshauptstadt haben vergangene Woche in einer Zeitung zum Kirchenaustritt aufgerufen.

„Brainstorm" heißt die lokale SchülerInnenzeitung der Aktion kritischer SchülerInnen, einer SPÖ-nahen Organisation. Knapp 4.000 Stück des Magazins haben SympathisantInnen und AktivistInnen der Organisation vergangene Woche vor den Oberstufen-Schulen der niederösterreichischen Landeshauptstadt verteilt. An sich nichts, was die Lokalausgabe der Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN)
beschäftigen müsste. Allein, auf der Seite 19 ruft Chefredakteur Elias Winter zum Kirchenaustritt auf – samt Formular auf Seite 18. SchülerInnen müssen das nur ausfüllen und mit einem Lichtbildausweis auf das Magistrat der Stadt gehen. „Wir haben uns in dieser Ausgabe sehr kritisch mit Weihnachten auseinandergesetzt“, erklärt Winter dem hpd. „In unserer Cover-Story haben wir vor allem den Konsumrausch beleuchtet und weil Weihnachten gleichzeitig immer auch eine christliche Komponente hat, haben wir die Gelegenheit genutzt.“

Dass das kurz vor den Weihnachtsferien passiert ist und so etwas Aufregung verursachen dürfte, war miteinkalkuliert. „Es ist die Aufgabe von uns SchülerInnen, auf Dinge aufmerksam zu machen“. Aufmerksam wurde die Lokalredaktion der NÖN. In dem Artikel kam auch die Diözese St. Pölten zu Wort. „Natürlich gilt die Meinungsfreiheit. Vielleicht mag eine Schülerzeitung aber nicht der richtige Ort sein, um für eine doch sehr persönliche, weitreichende Glaubensentscheidung wie einen Austritt aus der Kirche Werbung zu machen. Vor allem in der arg verkürzten Form von Aufruf samt Formular", heißt es von Eduard Habsburg, Medienreferent des St. Pöltner Bischofs Klaus Küng.

Die St. Pöltner SchülerInnen hätten überwiegend positiv reagiert. „Es war auch unser Ziel, den Leuten zu zeigen: Wenn du mit Religion nichts mehr anfangen kannst, bist du nicht alleine“, sagt Winter. In Österreich gebe es viele Menschen, die nur aus Angst vor Konflikten in der Familie noch in der Kirche seien und mit dem Glauben schon längst nichts mehr anfangen könnten. „Einige haben die Geschichte gerade jetzt allerdings auch für gewagt gehalten.“ AKS-Niederösterreich-Sprecherin Valerie Kalnein unterstützt die Aktion der St. Pöltner AktivistInnen: „Wir sind gegen den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und für eine Trennung von Staat und Kirche. Ich stehe voll hinter dieser Aktion.“

Konsequenzen wegen des Artikels werden nicht erwartet: „Wir haben die Zeitung vor den Schulen verteilt, wie vorgeschrieben“, erklärt Winter.

Ob sie eine Austrittswelle unter St. Pöltner SchülerInnen auslösen wird, wie vielleicht erhofft, wird sich zeigen. Zumindest richtet sich der Aufruf an die richtige Altersklasse. In Österreich gilt man ab dem 14. Geburtstag als religionsmündig: Man kann ohne Zustimmung der Eltern aus einer Religion aus- oder in eine (neue) Religion eintreten.

Für die SchülerInnen hätte das auch unmittelbare Konsequenzen: Treten sie unter dem Schuljahr aus, müssen sie vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet werden. Selbst abmelden können sie sich sonst nur während der ersten paar Tage des Schuljahres. „Wir werden in ein paar Wochen beim Magistrat nachfragen, ob das Formular häufig benutzt wurde“, kündigt Elias Winter an. „Dann können wir näheres sagen.“

Christoph Baumgarten