Marx murxt

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Reinhard Marx als Prior des Deutschen Ordens / Foto: Dieter Schmitt (Creative Commons)

BERLIN/MÜNCHEN. (hpd) Kardinal Marx sprach in der Landesvertretung Bayerns in Berlin zum Thema „Warum unsere Gesellschaft das Zeugnis der Christen braucht“ und meinte, die Finanzkrise sei mit der christlichen Soziallehre vermeidbar gewesen. Dagegen regt sich selbstverständlich Widerspruch.


Ein Kommentar von Georg Korfmacher

Nein. Es ist nicht die Rede vom großen Karl, sondern vom Kardinal in München. Namensgleichheit bedeutet nicht unbedingt gleiche Qualität. Und da wagt sich der Kardinal auf ein Eis und in eine Politik, die ein Gewicht seines Kalibers nur schwerlich trägt.

Für den Kardinal, und das ist verständlich, gibt es kein Europa ohne Gott. Ob aber die aktuelle Finanzkrise durch die Anwendung der Prinzipien der christlichen Soziallehre vermeidbar gewesen wäre, darf mit Fug und Recht und einem Blick in die Geschichte der Catholica ernsthaft bestritten werden.

Es ist zunächst absolut richtig, dass es noch nie eine Welt und auch Europa nie ohne Gott gegeben hat. Die Frage ist nur, welcher Gott bzw. welche Götter, wann und für welchen Zweck. Lässt man die letzten 6.000 Jahre Revue passieren, gab es immer schon Götter und Göttinnen mit sehr menschelnden Problemen, Streitigkeiten, Jungferngeburten, Himmelfahrten, Tod und Auferstehung. Da nehmen sich die Gottesvorstellungen der Catholica seit knapp 2000 Jahren eher wie eine Spielart bekannter Muster aus. Bis hin zur Trinität, die es bei den Römern im Trio Jovis-Mars-Quirin auch schon gab, oder der Mutter Gottes bei den alten Ägyptern. Ja, gar der große Alexander soll jungfräulich geboren worden sein.

So ziemlich genau vor 1.700 Jahren nahm dann die Catholica das Heft in die Hand, nachdem ihr Kaiser Galerius am 30. April 311 mit seinem Toleranzedikt die Ausübung ihrer Religion erlaubte, so lange sie sich an die Ordnung halte. Das klingt ganz aktuell und ist sogar in unserem Grundgesetz unter Bezug auf § 137 WRV festgeschrieben, wo Religionsfreiheit „in den Schranken des Gesetzes“ toleriert wurde. Seitdem und bis heute hat sich die Catholica an diese Auflage nicht gehalten. Sie hat sich unter Berufung auf ihren Gott stets in die Angelegenheiten der Menschen und Regierenden eingemischt, bis hin zu blutigen Zwangschristianisierungen und Verbrennen missliebiger Menschen und Schriften.

Von allen bisher bekannten Göttern scheint der Gott der Catholica angesichts der Handlungen seiner Diener einer der grausamsten zu sein. Da ist es ganz verständlich, dass nicht alle Menschen an eben diesen Gott glauben können und wollen. Und blind vor Eifer sagt der Kardinal: "Die wichtigste Aufklärung, die Europa erlebt hat, war die Verkündigung des Evangeliums". Da hat er wohl in der Schule die Stunde über die Aufklärung in Frankreich verpasst, aber auch z.B. über Pelagius und Marcion, die schon in der Frühzeit des Christentums gegen die abstrusen Auslegungen christlicher Lehren durch selbstberufene Kirchenoberen wetterten. Aber die Catholica ist dann, wenn der säkulare Druck zu groß wird, immer schon als Erfinderin von Titeln und Thesen aufgetreten, die es schon lange vorher gab.

Im vom Kardinal beschworenen Evangelium kam sein Verfasser im späten 4. Jahrhundert um Paulus von Tarsus leider nicht herum. Und damit sind wir bei der christlichen Auffassung von Sozialpolitik. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, polterte Paulus gegen die Thessalonikier. Und er verlangte unbedingt von der Milch der Schafe zu trinken, die er weidete. Religionslehre zum Broterwerb! Kaum eine Institution hat solange Sklaven (Leibeigene) gehalten wie die Catholica. Ausbeutung von Menschen im Namen Gottes zur Bewirtschaftung von Gütern und Pfründen. Alle hehren Grundsätze der Bibel über Bescheidenheit und Verzicht auf Reichtum werden konsequent über den Haufen geworfen, wenn es um den Vorteil der Catholica geht.

So wirkt die Behauptung des Kardinals grotesk vor dem Hintergrund der finanziellen Machenschaften des Vatikans (Stichpunkt Vatikan AG von G. Nuzzi), den Finanzbeteiligungen der Catholica an Rüstungsbetrieben und anderen Wirtschaftsunternehmen, die mit dem „Geschäftszweck“ der Catholica auch im Entferntesten nichts zu tun haben, wie wilden Immobilienspekulationen mit Millionenverlusten z.B. in der armen Diözese Magdeburg, satter Pensionen für geschasste Bischöfe bei schamvollem Schweigen zu Hartz IV, staatlichem Einzug von Kirchensteuer bei Verlust des Sakraments der hl. Kommunion, wenn man das nicht will.

Alles Mittel und Manifestationen von Macht, die mit dem behaupteten sozialen Auftrag der Catholica unvereinbar sind, abstoßende Beispiele eines "Casino-Kapitalismus", der nur um Kapitalrendite kreist. Und dieses System bietet der Kardinal aus München zur Lösung der aktuellen Finanzkrise an. Nein Danke! So blind für die Realität kann nur ein Kardinal Marx murxen und eben nicht der große Karl gleichen Namens.