Gottglaube: Verbreitung schwankt stark

CHICAGO. (hpd) Der Glaube an einen Gott geht in vielen entwickelten Ländern schrittweise zurück, hat eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung an der Universität von Chicago festgestellt. In Russland, Israel und Slowenien kommt er zurück. In den neuen deutschen Bundesländern ist er dagegen nachhaltig verschwunden.

Auf vier Kontinenten wurde die Verbreitung von Gottglauben untersucht, in einer Auswahl von insgesamt 29 Staaten, darunter 20 europäische Länder, die derzeit eine Bevölkerung von rund 1,1 Milliarden Menschen umfassen. Die Auswahl umfasste fast ausschließlich sogenannte hochentwickelte Länder.

Gesammelt wurden die Daten der Studie im Rahmen des International Social Survey Programme (ISSP), einer jährlichen sozialwissenschaftlichen Erhebung. Für die Studie wurden Daten aus den Jahren 1991, 1998 und 2008 analysiert. Abgefragt wurden atheistische, agnostische, deistische und theistische Haltungen mit Angaben nach einer sechsstufigen Skala. Außerdem wurde nach der Veränderung der Haltung zum Gottglauben gefragt und nach dem Glauben an einen Gott, der sich individuell und persönlich an Menschen richtet.

Herausgestellt hat sich unter anderem, dass der Gottglaube insgesamt am stärksten unter Älteren verbreitet ist. Der Untersuchung nach spielt der Gottglaube vor allem noch auf den Philippinen eine wichtige Rolle, in vielen nord- und westeuropäischen Ländern sowie früheren Sowjetstaaten ist Atheismus hingegen (noch) am deutlichsten verbreitet. 

So gaben 52,1 Prozent der Befragten aus den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2008 an, nicht an Gott zu glauben, während 7,8 Prozent meinten, von der Existenz eines Gottes zweifellos überzeugt zu sein. Zu den Staaten, wo Atheismus verbreitet ist, gehören außerdem Tschechien (39,9 Prozent ohne Gottglauben), Frankreich (23,3) und die Niederlande (19,7). Auf den Philippinnen hatten dagegen 83,6 Prozent keine Zweifel an der Existenz eines Gottes, viele Gläubige finden sich auch in Chile (79,4 Prozent), Israel (65,5 Prozent), Polen (62 Prozent) und den USA (60,6 Prozent).

Wo Menschen einmal gelernt haben, ohne Götterglauben zu leben, halten sie auch daran fest, stabile soziale Verhältnisse vorausgesetzt: Am stärksten verwurzelt zeigten sich dementsprechend atheistische Haltungen in den neuen Bundesländern, wo insgesamt 59,4 Prozent der Nichtgläubigen im Jahr 2008 angaben, auch niemals an einen Gott geglaubt zu haben. Ähnlich die Lage in Tschechien, wo das 51,2 Prozent der Befragten erklärten.

Ost-West Vergleich in Deutschland

Wie stark sich an regionalen Grenzen die Auffassungen zur Gottesfrage scheiden, illustrierte die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus den neuen Bundesländern mit denen aus dem früheren Bundesgebiet: Nur 9,2 Prozent aus dem früheren Bundesgebiet gaben an, in ihrem Leben nie an einen Gott geglaubt zu haben, während heute noch 54,2 Prozent  (32 Prozent glauben dort an einen persönlichen Gott) vom Gottesglauben betroffen sind – fast diametral stehen sich die Einstellungen in dieser Frage zwischen Ost und West gegenüber.

Ähnlich die Lage mit Blick auf Polen, wo 80,2 Prozent der Befragten ihr gesamtes Leben fest glaubten und 59,6 Prozent einen persönlichen Gott für existent halten: Stärker verbreitet zeigte sich der Glaube an einen persönlichen Gott nur noch in Irland, Israel, den USA, Chile und den Philippinen.

„Ich glaube nicht an einen Gott, habe aber früher geglaubt“: Starke Veränderungen im Gottglauben gab es in den Niederlanden (-14 Prozent im Jahr 2008 gegenüber 1991), Australien (-12 Prozent), Frankreich (-11,3 Prozent), im Vereinigten Königreich (-10,1 Prozent), Norwegen (-11 Prozent) und Spanien (-12,4 Prozent). Neuen Aufschwung fand der Gottglaube dagegen in Slowenien (+8,5 Prozent), Litauen (+11,9 Prozent) und in Russland (+16 Prozent): Hier gab es besonders viele ehemalige Nichtgläubige, die zu glauben begonnen haben.

Insgesamt zeigte sich ein wechselhaftes Bild bei den nationalen Veränderungen und auch den Unterschieden zwischen den Staaten, schrieb der Sozialwissenschaftler Tom W. Smith an der Universität von Chicago und Autor der Untersuchung, über die Ergebnisse. In den meisten untersuchten Ländern sei der Glaube an Gott zurückgegangen, aber der Rückgang der Verbreitung vollzog sich eher allmählich. Mit Blick auf die Unterschiede zwischen den Altersgruppen sei unter Menschen über 58 Jahren die größte Zunahme zu beobachten gewesen, was vielleicht auf die Vorstellung des nahenden Todes zurückzuführen sei.

Arik Platzek