Atheisten finanzieren Kirche

BERLIN-BRANDENBURG-Schlesische OBERLAUSITZ. Es geht erneut um diese Kirchenprovinz. Wenn Atheisten hier Kirchensteuer zahlen, ann tun sie dies in aller Regel nicht ganz freiwillig, mitunter sogar unter Zwang – staatlich und gerichtlich unterstützter Nötigung.

Nachdem juristisch klar offen liegt, dass an die evangelische Kirche zu zahlen hat, wer getauft und nicht rechtzeitig ausgetreten ist und beim Nichtzahlen erwischt wird, auch wenn er oder sie die Taufe vergessen oder die Austrittsbescheinigung verloren oder dummerweise weggeworfen hat, einfach so mit dem Verlassen der Heilsgemeinschaft, weil das Papierchen nicht so wichtig genommen wurde – nachdem dies nun (wie gesagt) klar ist, was Recht ist, gehen nun sogar die richtigen Gerichtsfälle zahlenmäßig zurück, aber die Kirchengemeinden steigen (mit Hilfe der staatlichen Finanzämter) dafür um so stärker in das sichere Geschäft mit den Säumigen und Entdeckten ein. Sie werden inzwischen – das ist durchaus ein neuer Zug – über die Grenzen der Kirchenprovinz hinaus bis nach Bayern verfolgt, wenn sie nach dort umziehen.

Eine Folge dieser Rechtslage ist auch, dass nur noch ganz Erschrockene oder Verstockte und solche, die meinen, die Christenkirche sei eine moralische Anstalt, in die Öffentlichkeit gehen. Die EKD selbst spart das Thema aus in ihrem offiziellen Überblickstext über „Die Kirchensteuer“

 

Der hpd hat am Nikolaustag 2006 im Artikel “Rasterfahndung nach Kirchensteuerflüchtigen“ umfänglich über Rechtslage, Folgerungen und Vorgänge informiert. Er rief dazu auf, weitere Fälle zu dokumentieren. Im Folgenden werden drei weitere Vorgänge kurz dargestellt. Selbstredend sind sie anonymisiert und von persönlichen Details bereinigt, soweit sie Rückschlüsse auf die Personen zulassen, obwohl gerade persönliche Anmerkungen Schicksale von Menschen genauer beschreiben, die den Kirchenoberen keinesfalls auf der Seele zu liegen scheinen. Mögen sie dies mit ihrem Gewissen ausmachen. Der evangelischen Kirche tun sie damit keinen Gefallen – was ja aus humanistischer Sicht ein interessanter Effekt ist.

Jetzt drei Fälle in Kurzdarstellung:

Fall l

Ein Mann wurde in der DDR als Kind evangelisch getauft und hatte seitdem nie wieder Kontakt zur Kirche – eine Austrittserklärung der Eltern ist nicht vorhanden. 1999 zog dieser Mann mit seiner Frau von Thüringen nach Bayern. Die Lohnsteuerkarte des Mannes trug in der Spalte Konfession den Vermerk „Evangelisch“, was leider in der Umzugshektik nicht bemerkt wurde. Die Jahre vergingen und erst Ende 2006 reagierte das Kirchensteueramt in Bayern und stellte fest:

„Gemäß §1 Abs.1 des EKD Mitgliedschaftsgesetzes sind Kirchenmitglieder der Evangelischen Kirche in Deutschland alle getauften evangelischen Christen, die ihren Wohnsitz im Bereich einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland haben.

Die Mitgliedschaft in der Evangelisch-Lutherischen Kirche wird daher durch die Taufe und den Wohnsitz begründet. Die Tatsache, dass keine Konfirmation erfolgte hat auf die Mitgliedschaft … keine Auswirkungen. Dies wird im folgenden Urteil erläutert.

Die Konfirmation ist eine rein religiöse Zeremonie, an die keinerlei Rechtswirkungen geknüpft sind, ihre Nichtdurchführung lässt insbesondere die Wirkung der Taufe nicht entfallen (vgl das Urteil des VG Oldenburg vom 24.10.1980, Az: A 71/79 A).

Damit sind Sie Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und gemäß Art 6 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes auch kirchensteuerpflichtig. Wir werden daher in nächster Zeit die Veranlagung zur Kircheneinkommensteuer durchführen.“

Ein langer und vielfältiger Briefwechsel zwischen dem „Steuerschuldner“ und dem Evangelisch-Lutherischen Kirchensteueramt sowie einem inzwischen erfolgten und belegten Kirchenaustritt bewahrte nicht vor der Veranlagung.

In einem Schreiben der Lohnsteuerhilfe IDL vom Januar 2007 heißt es:

„… anbei Ihr Steuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2005.

Bitte zahlen Sie die … Steuerschuld… bis zum Fälligkeitstag unter Angabe Ihrer Steuer-Nr. auf das Konto der Evangelischen Kreditgenossenschaft.

… wurde Ihnen bereits zur Kenntnis gegeben, dass Sie für die Jahre 2000 bis 2004 rückwirkend zur Kirchensteuer veranlagt werden. Das steuerliche Ergebnis (evt. zzgl. Säumniszuschlägen und/oder Verspätungszinsen) haben wir Ihnen beigefügt. Da Sie mit Bekanntwerden der Kirchensteuerpflicht den Kirchenaustritt vollzogen haben, wird auch für das Jahr 2006 nochmals Kirchensteuer erhoben werden. Für das Jahr 2000 muss geprüft werden, ob evtl. bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist und somit keine Nachveranlagung erfolgen kann.“

 

Fall ll

Eine Frau wurde, wie auch zu DDR-Zeiten Anfang der 50er Jahre noch üblich, evangelisch getauft. Ihre Eltern traten 1959 aus der Kirche aus und erklärten dabei ebenfalls den Kirchenaustritt ihrer Kinder.

2006 bekam diese vom Kirchensteueramt einen Fragebogen zugeschickt, den Sie wahrheitsgemäß ausfüllte.

Daraufhin erfolgte von der Kirchensteuerstelle einer Stadt in der Oberlausitz die Aufforderung, einen gültigen Nachweis über den Austritt zu erbringen, denn im Austrittsregister des dortigen Ev. Pfarramtes wäre kein Kirchenaustritt vermerkt. Einen diesbezüglichen Beleg hatte sie nicht, nur die Aussage Ihrer 87jährigen Mutter, der Vater verstarb vor einem Vierteljahrhundert.

Auch Sie verfiel dem Irrtum, diesen Sachverhalt ohne größeren Aufwand aus der Welt schaffen zu können und erklärte ganz schnell und offiziell ihren Kirchenaustritt. Trotzdem musste sie zahlen.

 

Fall lll

Ein Ehepaar zog aus dem Westen nach Berlin. Die Frau war Anfang der 70er Jahre in Hamburg aus der Kirche ausgetreten. Dies wurde bisher von allen Behörden, besonders den Finanzämtern, lückenlos anerkannt. In Berlin forderte man nun eine Bescheinigung über den Austritt, aber den hatte sie nicht mehr. Den Ehepartner betrifft der Vorgang nun zu beider Erschrecken auch, weil das Paar gemeinsam veranlagt wird und kleinere, eindeutig ihm zuzuordnende Einkommensteile zur Kirchensteuer herangezogen werden. Jedoch kann er seine Konfessionslosigkeit nachweisen.

Über die staatsvertraglichen Regelungen hinaus gibt der Mann auch den Meldebehörden in Berlin Schuld, die bei der Anmeldung bzw. Beantragung einer Lohnsteuerkarte keinerlei Hinweise darauf geben, dass ein Nachweis der Nichtzugehörigkleit zu einer Religionsgemeinschaft in Berlin zusätzlich erforderlich ist.

Allerdings schätzt er richtig ein, dass es dagegen wohl keine rechtlichen Mittel gibt. Er wird wohl in den sauren Apfel der zweijährigen Kirchensteuerpflicht seiner Ehefrau beißen müssen.

 

Fazit:

Wahrscheinlich steigt die Zahl der per „Rasterfahndung“ ermittelten Steuerfälle. Auskunftspflichtig sind Finanzämter und Kirche nicht. Es bleibt nur der Rat: Treten Sie sofort aus!

 

GG

 

Für eine breitere Dokumentation dieser Situation und Kommunikation unter den davon betroffenen konfessionsfreien Menschen bittet die Redaktion des „Humanistischen Pressedienstes“ um die Kontaktaufnahme von Bürgerinnen und Bürgern, die davon betroffen waren oder es noch sind.

Tel.: 030 - 204 533 30

Mail: frerk@hpd.de