Beschneidung: Runder Tisch der Religionen

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Podium: Dr. Dr. Joachim Kahl, Dr. Bilal El-Zayat, Amnon Orbach, Burkhard zur Nieden / Fotos: Dragan Pavlovic

MARBURG. (hpd) Die "Beschneidung von Knaben" war am Dienstag Thema einer Podiumsdiskussion des Runden Tischs der Religionen. Es kam jedoch zu keiner inhaltlichen Diskussion und die Fragen aus dem Publikum wurden frühzeitig beendet. Anstelle eines Fazits gab es die Anregung zum Nachdenken mit auf den Weg.

Moderiert wurde die Veranstaltung vom evangelischen Dekan Burkhard zur Nieden. Eine laizistisch-humanistische Kritik vertrat der Philosoph Dr. Dr. Joachim Kahl, während Amnon Orbach als Vorsteher der jüdischen Gemeinde und Dr. Bilal El-Zayat für die Islamische Gemeinde Marburg die Tradition der Knabenbeschneidung rechtfertigten.

Im vollbesetzten Historischen Saal waren alle unterschiedlichen Altersstufen vertreten. Laut zur Nieden belegte dies die Brisanz an dem Thema.

Joachim Kahl sprach sich gegen die Beschneidung von Kleinkindern aus. Sie hinterlasse sowohl psychische als auch physische Schäden. Religiöse Traditionen und Bräuche müsse man überdenken. Die historische Dauer der Traditionen gebe keinerlei Auskunft über ihre Richtigkeit. Die Entscheidungen der Eltern sollten dem Schutz des Kindes dienen und nicht das Kind verletzen.

Durch die Beschneidung würde einem nicht zustimmungsfähigen Kind sein Recht zur Religionsfreiheit entzogen. Laut Kahl sei den Eltern gestattet ihr Kind religiös zu erziehen, solange sie dabei keine unumkehrbaren Entscheidungen träfen.

Kahl zitierte den Artikel 136 Absatz 4 des Grundgesetzes. Demnach darf niemand zur "Teilnahme an religiösen Übungen" gezwungen werden. Eine religiöse Unterweisung sei in Ordnung, nicht aber die Unterwerfung der Kinder unter eine fremdbestimmte Religion.

Gott habe die Menschen mit einer Vorhaut geschaffen, wandte sich Kahl an die Vertreter der Religionen. Ihre Tradition sei ein Eingriff in die von ihrem Gott gewollte Schöpfung. Gegen die Beschneidung von Volljährigen sei hingegen nichts einzuwenden.

Amnon Orbach verwies auf die große Bedeutung der Beschneidung für das Judentum. Mit ihr dokumentierten die Juden ihren Vertrag mit Gott, der sie als sein auserwähltes Volk schütze. Wer nicht beschnitten sei, gehöre nicht dazu. Festgelegt sei diese Forderung im Buch Genesis der Bibel. Für Juden sei die Beschneidung eine fundamentale religiöse Pflicht. Demnach müsse ein Säugling am 8. Tag beschnitten werden. Seit Abraham praktiziere das Judentum diese Art der Beschneidung. Den Eltern tue die Beschneidung oft mehr weh als den Kindern.

Die Kritik an der Beschneidung betrachtete Bilal El-Zayat in erster Linie als eine Kritik am Glauben. Den Eltern stehe das Recht auf die Ausübung ihrer Religion zu. Für Muslime sei die Beschneidung im Knabenalter nicht erforderlich, jedoch sei der Eingriff in höherem Alter mit wesentlich größeren Nebenwirkungen und Gefahren verbunden.

Ein Kleinkind spüre bei der Beschneidung weniger Schmerzen als Erwachsene. Aus ärztlicher Sicht habe die Beschneidung außerdem den Vorteil, dass sich weniger Krankheiten entwickeln könnten.

Außerdem verwies der Arzt auf die Entscheidung vieler Eltern zugunsten unnötiger medizinischer Handlungen, wie eine Impfung von Kindern gegen Röteln, die für sie ein wesentlich größeres Risiko darstelle als die Erkrankung selbst. Auch das Durchstechen von Ohrläppchen oder das Anbringen von Piercings bei Kindern und Jugendlichen werde von der Mehrheit der Gesellschaft widerspruchslos geduldet

Burkhard zur Nieden beschrieb die Taufe als eine Art symbolische Beschneidung. Der Apostel Paulus bezeichne sie als eine "Beschneidung der Herzen". Das weise auf eine geistige Beschneidung hin, da ein Mensch nicht allein durch eine körperliche Beschneidung gläubig werde.

Ein Vertreter eines Beschneidungsforums wies in der anschließenden Publikumsrunde auf die Menschen hin, die unter der Beschneidung leiden. In der Vorhaut steckten ca. 1.000 Nervenenden. Ihre Entfernung schränke die körperliche Lust oftmals stark ein.

Angesichts eines sehr engen Zeitplans und der ausführlichen Argumentation aller Referenden unterbrach zur Nieden die Publikumsrunde frühzeitig. Anstelle eines Fazits gab er dem Publikum die vorgestellten Argumente als Anregung zum weiteren Mitdenken mit auf den Weg.

Laura Theresa Junk