Ein Wort zur Beruhigung der Katholiken

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Hitler begrüßt Reichsbischof Müller und Abt Schachleiter beim Reichsparteitag 1934 / Foto: Bildarchiv preußischer Kulturbesitz

BERLIN. (hpd) An diesem 30. Januar jährt sich die Machtergreifung der NSDAP zum 80. Mal. Dennoch war der zum Reichskanzler ernannte Hitler nicht vom ersten Tag seiner Amtszeit an ein Diktator. Zwar hatte er ausreichend viele Wähler hinter sich, um zum Kanzler aufzusteigen, doch längst noch nicht genug Milieus auf sich eingeschworen, um eine totalitäre Diktatur zu errichten. Vor allem viele Katholiken blieben gegenüber der NSDAP kritisch eingestellt.

Die Fuldaer Bischofskonferenz hatte die katholischen Gläubigen stets gewarnt, ihre Stimme Hitler zu geben. Dabei waren jedoch politische Gründe zweitrangig, lediglich in theologischen Fragen gab es Differenzen. So waren Katholiken von der Idee eines arischen Jesus abgestoßen. Wenn Jesus tatsächlich der Sohn eines germanischen Besatzungssoldaten im Dienst der römischen Armee war, konnten sein Vater nicht der Heilige Geist und seine Mutter keine Jungfrau gewesen sein. Ebenso missfiel den Bischöfen der Gedanke, mit ihren protestantischen Amtsbrüdern unter dem Dach einer deutschen Volkskirche zwangsvereinigt zu werden.

Um wirklich das gesamte deutsche Volk hinter sich zu wissen, musste Hitler Protestanten und Katholiken gleichermaßen besänftigen. Dabei war ihm Abt Albanus Schachleiter behilflich. Der Benediktinermönch hatte das Emmaus-Kloster in Prag geleitet. Als Angehöriger der deutschen Minderheit geriet er in Konflikt mit der tschechoslowakischen Nationalitätenpolitik und wanderte 1920 nach Deutschland aus, wo er sich zunehmend radikalisierte. In der Folgezeit wurde er zum wichtigsten katholischen Geistlichen innerhalb der NSDAP.

Die Machtergreifung Hitlers begrüßte er. Am 1. Februar 1933 wandte er sich im Völkischen Beobachter gegen eine Stellungnahme des Linzer Bischofs Johannes Maria Gföllner, der vor einem falschen Nationalismus gewarnt hatte und erklärte, warum Katholiken dennoch mit der NSDAP zusammenarbeiten sollten.

Der hpd kommentiert das „Wort zur Beruhigung der strenggläubigen Katholiken“:

Schachleiter versicherte seinen Lesern, dass von Hitler keine Beeinträchtigung der religiösen Handlungen zu erwarten sei, zudem stufte er das NSDAP-Linie als moderat ein:

„Ganz undenkbar ist es, daß Hitler, soweit sein Programm nicht berührt wird, die freie Meinungsäußerung was Weltanschauung angeht, unterbinde. […] Gebunden sind die katholischen Nationalsozialisten nur an Hitlers offizielles Programm. Und dies ist ein politisches, kulturelles, soziales und wirtschaftliches, - absolut kein religiöses Programm. [...] Nur mit Hitler wollen und sollen die nationalsozialistischen Katholiken zu tun haben und nur mit seinem offiziellen Programm.“

Es sei zu erwarten, dass Hitler beide christlichen Konfessionen gleichberechtigt behandeln würde. Katholikenfeindliche Äußerungen einzelner Protestanten innerhalb der Partei seien zu vernachlässigen:

„Denn der Katholizismus steht geschlossen da, und so wie er dasteht, verlangt er nichts, was dem wirtschaftlichen Programm des Nationalsozialismus entgegen wäre. Das hat Hitler durchaus anerkannt, denn neben dem protestantischen Christentum anerkennt er den Katholizismus – so wie er ist! - als wertvolle Stütze für den Bestand unseres Volkes, bekämpft er diejenigen Parteien, die dieses Fundament einer sittlich-religiösen und moralischen Festigung unseres Volkskörpers schädigen wollen. - Nein vom Katholizismus kann nie und nimmer gelten, was da gesagt ist von einem Verstoß gegen das Sittlichkeitsgefühl der germanischen Rasse.“

Die „religiösen Negerbräuche“ würden allerdings tatsächlich einen solchen Verstoß darstellen. Einzelne religiöse Irrlehren Hitlers erkannte Schachleiter tatsächlich an:

„Man hat Hitlers Reden und alle seine Veröffentlichungen überprüft, man hat sein Buch Mein Kampf Seite für Seite durchsucht – an die 780 Seiten! - und hat etliche Äußerungen und einige Darlegungen gefunden, die tatsächlich der katholischen Lehrer widersprechen.“

Man müsse aber umsichtig sein, denn: „Es sind Auffassungen eines Nichttheologen.“

Schachleiter betonte aber, dass von der SPD weit größere Bedrohungen für die Kirche ausgingen, als von der NSDAP:

„Das offizielle Programm der Sozialdemokraten enthält tatsächlich Sätze, die der katholischen Sittenlehre widersprechen. Das offizielle Programm der Nationalsozialisten bietet solche Sätze durchaus nicht.“

Daraufhin zählte der Abt die, aus seiner Sicht, positiven Aspekte Hitlers auf. Denn ist ein Programm,

„das den wirtschaftlichen Wiederaufstieg herbeiführen will, aus dem Abgrund größten Elends, ein Programm, das neben weitestgehender sozialer Fürsorge, auch die Hebung der öffentlichen Sittlichkeit auf allen sog. Kulturgebieten ankündigt, ein Programm das die Bekämpfung des von der Kirche verurteilten Marxismus, ja die Vernichtung des gottfeindlichen Bolschewismus zum Zeile hat, ist ein solches Programm nicht etwas Gutes?“

Gerade die protestantische Dominanz war für Schachleiter aber der Grund, ein Bündnis mit der NSDAP zu suchen. Nur so könne man einem konfessionellen Übergewicht der Protestanten vorbeugen:

„Was Hitler begonnen hat, ist zu einer Volksbewegung geworden, die ohne Beispiel dasteht in der Geschichte des Deutschen Volkes! - Und wir Katholiken sollen da nicht mittun dürfen, deshalb nicht, weil bei dieser Bewegung auch Protestanten beteiligt sind, die aus ihrer katholikenfeindlichen Haltung kein Hehl machen? Wehe dem deutschen Volk, wenn die nationalsozialistische Freiheitsbewegung zu einer rein protestantischen Bewegung würde!“

Pflichtbewusst schloss er seine Stellungnahme mit den Worten:

„Zu Dieser Darlegung hat mich mein Gewissen getrieben, mein Verantwortungsgefühl vor Gott, vor der hl. Kirche, vor dem deutschen Volke.“

Schachleiter war wegen der Annäherung an die NSDAP von Seiten der Fuldaer Bischofskonferenz isoliert. Nachdem Hitler der katholischen Kirche jedoch das Reichskonkordat offeriert hatte, das ihr zahlreiche Privilegien zusprach, veränderte sich das Klima. Nach und nach schwenkten alle deutschen Bischöfe auf Schachleiters Linie ein. In den Folgejahren war der Abt ein gern gesehener Gast auf den Reichsparteitagen. Nach seinem Tod 1937 erhielt Schachleiter ein Staatsbegräbnis.

Im Übrigen ist es falsch, in Gföllner einen erbitterten Gegner des Nationalsozialismus zu sehen. Im gleichen Hirtenbrief, in dem er auf theologische Fehler der völkischen Bewegung hinwies, präzisierte er seine Haltung zur Judenfrage. Einen rassistischen Antisemitismus lehnte er ab, da er die Möglichkeit, dass Juden zu vollwertigen Katholiken werden könnten, ausschloss. Gegenüber Juden, die sich der Taufe verweigerten, äußerte er sich jedoch mit Schärfe:

„Vom jüdischen Volkstum und von der jüdischen Religion verschieden sei der jüdische, internationale Weltgeist. Zweifellos übten viele gottentfremdete Juden einen überaus schädlichen Einfluß auf fast allen Gebieten aus. Presse, Theater und Kino – vorwiegend von Juden genährt – vergifteten mit zynischen Tendenzen die christliche Volksseele. [...] In früheren Zeiten hat man, vornehmlich in italienischen Städten, der jüdischen Bevölkerung ein eigenes Wohngebiet, ein sogenanntes Ghetto, angewiesen, um jüdischen Geist und Einfluß tunlichst zu bannen; die moderne Zeit braucht zwar die Juden nicht des Landes zu verweisen, sollte aber in Gesetzgebung und Verwaltung einen starken Damm aufrichten gegen all den geistigen Unrat und die unsittliche Schlammflut, die vorwiegend vom Judentum aus die Welt zu überschwemmen droht.“

Lukas Mihr

Beispielbild
Hitler begrüßt Reichsbischof Ludwig Müller und Abt Albanus Schachleiter beim Reichsparteitag der "Einheit und Stärke" 1934 in Nürnberg / Foto: Bildarchiv preußischer Kulturbesitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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