Keinen Platz für Pseudowissenschaften

lhg-logo_gelbblau.jpg

Logo der Liberalen Hochschulgruppen

DÜSSELDORF. (hpd/lhg) Die Liberalen Hochschul­gruppen NRW sprechen sich gegen den schleichenden Vormarsch von Pseudo­wissen­schaften in die Hörsäle von Nordrhein-Westfalen aus. Die oftmals fehlende kritische Aus­einander­setzung mit alternativ­medizinischen und esoterischen Lehr­plan­inhalten betreffe insbesondere medizinische Studien­gänge.

„Mit der Wahl von Barbara Steffens zur Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen traf die rot-grüne Landes­regierung eine Richtungs­entscheidung. Alternativ­medizin und Esoterik sollen durch ihren Einzug in die nordrhein-westfälische Hochschul­landschaft geadelt werden.“, so der Landes­vorsitzende Carsten A. Dahlmann. „Da machen wir nicht mit. Öffentliche Hoch­schulen sind Orte der Vernunft, nicht der Quacksalberei!“

Rot-grüne Richtungsentscheidung für Alternativmedizin und Esoterik

Der Landesverband NRW setzt sich für die Freiheit von Forschung und Lehre ein. Dies umfasse selbst­verständlich auch eine Aus­einander­setzung mit alternativ­medizinischen Bereichen wie z. B. Chiropraktik, Homöopathie oder auch Reiki. Eine kritische Betrachtung, die wissen­schaftliche Standards und den aktuellen Forschungs­stand berücksichtigt, sehen die liberalen Hochschul­politiker jedoch als Grund­voraussetzung akademischen Arbeitens an.

Homöopathie im Hochschulwesen bedeutet eine Abkehr vom Denkstil der Aufklärung. Das "sapere aude" Kants ist der vorrangige Wahlspruch jedes Wissen­schaftlers und darf nicht den Interessen der Landes­regierung und privater Verbände geopfert werden.

Landesministerin Barbara Steffens plane eine schrittweise Integration von wirkungs­losen Therapie­formen in der Hochschul­landschaft. Den dahinter stehenden Ideologien begegnen die Liberalen Hochschul­gruppen Nordrhein-Westfalens mit den Worten Adornos: „Okkultismus ist die Metaphysik der dummen Kerle.

Die Begründung dieses Beschlusses fasst die wesentlichen Elemente zusammen:

Pseudomedizin auf dem Vormarsch

Die Zahl der nicht staatlichen Hoch­schulen steigt rapide. Von 2000 bis 2010 stieg die Anzahl privater Hoch­schulen von 47 auf 108 auf ein Viertel der Hoch­schulen insgesamt. Wenngleich es im Grunds­atz zu begrüßen ist, wenn Staat und Private um die besten Studenten werben, birgt diese Entwicklung die Gefahr der Einfluss­nahme von Interessen­gruppen in sich. Gerade die Aus­bildung in Heil­behandlungs­berufen ist anfällig für den Einfluss der Pharma­hersteller, aber auch von Ideologien und bedarf daher externer Qualitäts­sicherung.

In Traunstein in Oberbayern soll die erste europäische Hochschule für Homöopathie eröffnet werden. Getragen wird sie von dem Lobby­verband "European Union of Homeopathy". Hier sollen künftig Studenten einen Abschluss in Homöo­pathischer Medizin mit BA/MA erwerben können. Die Berliner Steinbeis-Hochschule, die Berliner Hochschule für Gesundheit und Sport und die Idsteiner Fresenius-Hochschule bieten Studien­gänge in Komplementär­medizin an. Mit der Alanus-Hochschule in Alfter entstand in NRW ein Bachelor­studiengang in anthroposophischer Eurhythmie. Einen BA/MA-Abschluss in Waldorf­pädagogik können Interessenten an der Anthroposophischen Freien Hochschule in Mannheim erwerben. Die Liste der Beispiele ist nur exemplarisch und könnte fortgesetzt werden.

Doch nicht nur private Hochschulen sind anfällig für die Einfluss­nahme alternativ­medizinischer Interessen­gruppen. An der Universität Zürich wurde ein Lehrstuhl für Natur­heil­kunde eingeführt. An der renommierten Charite Berlin werden Akupunktur, Mind-Body-Medizin, Neural­therapie und Pflanzen­heil­kunde angewendet. Ähnliche Angebote findet man im Klinikum Essen-Mitte. Im Klinikum München setzt man auf traditionelle chinesische Medizin. An der Universität Bern hingegen wird anthro­posophische Medizin erforscht und gelehrt. An der Universität Frankfurt Oder wurde 2008 der Master­studiengang Komplementäre Medizin eingeführt. Zu diesem zählt auch eine Ausbildung in Homöopathie als Wahl­pflicht­fach. Der Studiengang­leiter Harald Walach war Berater einer nieder­ländischen Firma, die in Afrika ein homöopathisches Aids-Medikament erproben wollte.

Einflussnahme von Interessengruppen

Forschung, Lehre und Praxis alternativ­medizinischer und esoterischer Behandlungs­methoden finden in Herstellern homöopathischer Präparate liquide Sponsoren. Dazu zählen Hersteller wie die Biologische Heilmittel Heel GmbH, die Deutsche Homöopathie Union GmbH & Co. KG oder die Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG. Aber auch Stiftungen. Wie der Krupp-Stiftung, der Carstens-Stiftung und andere Interessen­gruppen treten als Sponsoren von Lehr­stühlen und Forschungs­projekten auf. Insbesondere die Carstens-Stiftung hat das Ziel, "Natur­heilkunde und Homöopathie in Wissenschaft und Forschung zu integrieren" und fördert diese mit knapp 1,5 Millionen Euro pro Jahr.

Barbara Steffens und die Pseudomedizin

Mit der Wahl von Barbara Steffens zur Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-Westfalen traf die rot-grüne Landes­regierung eine Richtungs­entscheidung zugunsten der Integration der Alternativ­medizin und Esoterik in den Wissenschafts­betrieb. Steffens ist bekennende Streiterin für Homöopathie und Esoterik. Ziel Steffens ist es, Einfalls­tore für Pseudo­wissenschaften in das Hochschul­wesen zu errichten. Nicht nur eröffnete sie den Deutschen Homöopathie­kongress und warb für den Deutschen Zentral­verein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Auch argumentierte sie auf der Website des Ministeriums (MGEPA) für Alternativ­heil­verfahren und deren Auf­wertung durch die europa­weite Akademisierung des Heil­praktiker­berufs. Die Ministerin wandte sich gegen das "Entweder-oder in Bezug auf konventionelle, integrative oder komplementäre Verfahren" und sprach sich für ein "Sowohl-als-auch" aus. Steffens vertritt die unter Homöopathen verbreitete Ansicht „Wer heilt hat recht“ und schließt sich somit gängigen Argumentations­mustern von Heil­praktikern und Alternativ­medizinern an. Diesen zufolge sind Vorgänge im menschlichen Körper nicht abschließend wissenschaftlich erklärbar. Gleichzeitig existiert nach ihrer Auf­fassung kein Gegen­satz zwischen Schul- und Alternativ­medizin.

Steffens argumentiert mit Studien, z. B. des Charite Berlin, die den Anschein der Wirksam­keit homöopathischer Präparate suggerieren. Tatsächlich konnte niemals in qualitativ hochwertigen Studien und Metaanalysen nachgewiesen werden, dass homöopathische Mittel eine nennenswerte, über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirk­samkeit haben.

Neben der Werbung für Alternativ­heil­verfahren fordert Steffens deren Integration in das Medizin­studium. Dadurch könnten „Medizinstudentinnen und -studenten auch diese Tätigkeits­felder bei der Aus­richtung ihres weiteren beruflichen Werde­gangs angemessen prüfen.“ Ziel im Rahmen ihrer Arbeit sei es, „eine bessere Vernetzung Nordrhein-Westfalen auch als Standort für Integrierte Medizin beziehungs­weise Komplementär­medizin“ herzustellen. Daneben kritisiert sie, dass Alternativ­heil­verfahren noch nicht ausreichend in den Leistungs­katalogen der Kranken­kassen gewürdigt seien.

Barbara Steffens und die evidenzbasierte Medizin

Der Weg zur Verwirklichung der genannten Vor­haben führt nach Ansicht Steffens über die Diffusion der Maßstäbe wissen­schaftlicher Lauterkeit. Da es keinen evidenz­basierten Nachweis der Wirksamkeit Homöopathischer Mittel gibt, soll nach Ansicht Steffens der Maßstab der Beurteilung der Wirk­samkeit geändert werden: "Bei der Beurteilung von neuen Untersuchungs- und Behandlungs­methoden hat der Gemeinsame Bundes­ausschuss neben der Frage der Wirtschaft­lichkeit auch den jeweiligen Stand der wissen­schaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapie­richtung zu beachten. Hieran wird sich in der nächsten Zeit vermutlich nichts ändern. [... ] Wir brauchen für die Homöopathie ein anderes, akzeptiertes Verfahren zum Wirksamkeits­nachweis, um die Frage der Kosten­erstattung zu öffnen."

Mit anderen Worten: Eine Integration der Alternativ­medizin ist nur zu rechtfertigen, wenn ein entsprechender Wirkungs­nachweis erbracht wird. Anhand von Forschungs­ergebnissen müsste nachgewiesen werden, dass alternativ­medizinische Verfahren eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Heil­wirkung haben. Da dieser Nachweis jedoch voraussichtlich nicht erbracht werden kann, sollen die Voraussetzungen für einen Nachweis gesenkt werden. Eine solche Veränderung der Güte­kriterien wissen­schaftlicher Arbeits­weise bedeutete jedoch die Abkehr von der evidenz­basierten Wissen­schaft. Diese Abkehr betrifft insofern nicht nur den Standpunkt der Schul­medizin, sondern gleichsam jene Maßstäbe, die an die Wissen­schaftlichkeit selbst angelegt werden.