Zwei Frauen, Sexualität und Partnerschaft

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Fanny Ardant / Foto: Wild Bunch Germany

BERLIN. (hpd) Gleich zwei Filme laufen jetzt in den Kinos, die jeweils eine Frau in den Mittelpunkt stellen: „Gloria“ und „Die schönen Tage“. In beiden Filme wird die Frage nach der Sexualität von älteren Frauen anders entwickelt und führt dennoch in beiden Filmen wieder an den Anfang ihrer Fragen und ihrer Lebenssituation zurück.

„Gloria“ wurde auch bereits auf der  Berlinale auf der Berlinale gezeigt und ist seit August in den Kinos, „Die schönen Tage“ hatte vorige Woche seine Deutschlandpremiere.

Gloria

Der Film heißt konsequent nach der weiblichen Hauptrolle Gloria. Gespielt von der chilenischen Schauspielerin Paulina Garcia, die für ihre Darstellung den Silbernen Bären der Berlinale 2013 erhielt, ist sie in beinahe jeder Szene anwesend. 58 Jahre alt, zwei Kinder, seit mehreren Jahren geschieden, berufstätig, lebt sie alleine und kann tun und lassen, was sie will. Der Alltag mit ihrer Tochter und ihrem Sohn ist spärlich und es ist eher ihr Bemühen, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Die Distanz zeigt sich auch darin, dass die Tochter nach Schweden geht und der Sohn seiner Mutter nicht zuhört.

Gloria sieht gut aus, auffallend ist ihre übergroße Brille, sie geht tanzen und auf Single-Partys, auf der sie einen etwas älteren Mann kennen lernt, Rodolfo, der ihr gefällt, der um sie wirbt und mit dem sie ins Bett geht. Ihr Wunsch nach einer erfüllten Sexualität und Gemeinsamkeit scheint sich zu realisieren.

Doch dann zeigt sich, dass Rodolfo nicht unbedingt der Mann ist, den sie sich vorgestellt hat, er entspricht nicht ihren Wünschen. Rodolfo ist erst seit einem Jahr geschieden, unterstützt immer noch bei Bedarf seine beiden Töchter und die Ex-Frau, was Gloria grundsätzlich missbilligt und als Vernachlässigung ihrer selbst betrachtet. Bei der Geburtstagsfeier ihres Sohnes bildet Gloria mit ihrem Ex-Mann eine solche intime Einheit in ihren gemeinsamen Erinnerungen bis zum Hochzeitsfoto, so dass Rodolfo, der von der Familie sowieso nicht wahrgenommen wird, einfach still geht. Daraufhin trennt sich Gloria von ihm.

Doch sie kommen wieder zusammen, trennen sich wieder, sind wieder zusammen, bis Gloria Rodolfo, der gerade seinen Töchtern und der Ex-Frau Lebensmittel bringt, symbolisch mit den Farbpatronen eines Spielgewehres erschießt. Wieder unter Freunden wird getanzt und Gloria setzt schließlich ihre Brille ab, ohne die sie nichts sehen kann, und tanzt inmitten der Menge alleine.

„So sieht wahre Lebenslust aus! Dem chilenischen Film ‚Gloria’ gelingt das mitreißende Porträt einer Frau, die lernen muss, für ihr Glück zu kämpfen.“ Das schreibt ein Rezensent des Films. Ich frage mich, ob er den gleichen Film gesehen hat.

 

"Die schönen Tage"

Der französische Film zeigt die sexuelle Affäre der 60-jährigen Caroline  (gespielt von Fanny Ardant)  mit einem 20 Jahre jüngeren Mann.

Caroline, eine ehemalige Zahnärztin, die ihren Beruf mit Anfang sechzig frustriert aufgeben hat, ist verheiratet – auch wenn sie und ihr Mann Philippe (Patrick Chesnais) eher nebeneinander her leben – und hat zwei Töchter. Nun in Rente, vertrödelt sie ihre Zeit. Eine ihrer Töchter schenkt ihr einen Probegutschein für einen Seniorenclub „Die schönen Tage“: Mit ähnlich älteren Frauen und Männern erlebt sie gemeinsame Weinproben, Malen an der Küste, Schauspielunterricht, Töpfern und Computerunterricht. Da ist nichts das, was sie sucht.

Julien (Laurent Lafitte), der ihrer Rentnergruppe Computerkurse gibt, hat sich offensichtlich in sie verguckt und umwirbt sie. Der 40-Jährige lebt in den Tag hinein, kifft ausgiebig und liebt alle Frauen, auch zwei oder weitere parallel zueinander. Er ist ein charmanter, guter Liebhaber und Caroline genießt den Sex. Allerdings treffen sie ein Arrangement: Caroline will nichts von den anderen Frauen wissen, ihre Treffen müssen diskret bleiben und im Seniorenclub keinerlei Zeichen ihrer Nähe.

Sie ist geschickt im erfinden zahlreicher Ausreden, wenn es um die Treffen mit ihrem Liebhaber geht, doch trotz aller Umsicht spricht es sich doch herum. Ihr Liebhaber ist so alt wie ihre Töchter. Dialog zwischen Caroline und ihrem Ehemann, der sich auf ihr Alter bezieht: Er: „Hast du dich mal angeschaut?“ Sie: „Nein, er ist derjenige, der mich anschaut.“ Ihre Seniorenclub-Kolleginnen unterstützen sie: „Endlich revanchiert sich mal eine von uns!“ und Caroline ist von bissigen Kommentaren einer anderen, jüngeren Geliebten von Julien unberührt („Vielleicht hat er bald genug davon, mit seiner Mutter ins Bett zu gehen“). Als sie einer ihrer Töchter gesteht, dass sie eine Affäre habe, antwortet die: „Habe ich auch!“, dann aber lacht sie: „Nein, habe ich nicht, dazu habe ich wohl keinen Mut und keine Zeit.“

Als sie mit Julien für ein Wochenende nach Island fliegen will, spricht der am Flughafen eine junge Frau an, die auch dorthin fliegt, und Caroline verabschiedet sich von ihm. Sie fährt nach Hause.

 

Selbstbestimmtheit

Wenn man Glück hat, kann man sich derzeit beide Filme noch nacheinander anschauen, denn gerade in Unterschieden und den Ähnlichkeiten und den völlig unterschiedlichen Schlusssequenzen, eröffnen sich die Facetten beider Filme noch deutlicher.

Für beide Frauen ist sechzig Jahre kein Verfallsdatum, beide wollen und leben ihre Sexualität, aber in welchen Beziehungskonstellationen? Und handeln sie so selbstbewusst und selbstbestimmt, wie sie es von sich selber annehmen?

Nehmen Sie jemanden mit, wenn Sie sich die Filme anschauen sollten; für Diskussionsstoff aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen und Bewertungen ist durch die vielen Facetten beider Filme mehr als reichlich gesorgt.

Gloria, Spanien/Chile 2012 - Regie: Sebastián Lelio. Darsteller: Paulina García, Sergio Hernández, Diego Fontecilla, Fabiola Zamora. 110 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Die schönen Tage, Frankreich 2012 – Regie: Marion Vernoux. Darsteller: Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais. 94 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahre.