Katholische Kirche lädt in ihren Vorhof ein

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Alle Fotos: © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Eine Einladung der katholischen Kirche zum Dialog in Berlin, aus Kirchensicht "traditionell in Deutschland der Ort eines kämpferischen Atheismus". Das verwundert, ist dann aber doch nicht erstaunlich, denn statt Dialog gab es vorwiegend Erbauliches, "Gottes Segen" eines Staatssekretärs, Respektlosigkeiten eines Theologen und Einigkeit zwischen Diskutanten.

In der offiziellen Darstellung der katholischen Kirche heißt es: "Der 'Vorhof der Völker' ist eine von Papst Benedikt XVI. angestoßene Dialoginitiative der katholischen Kirche mit den Nicht-Glaubenden." Und: "Zum Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten", sagte Papst Benedikt XVI. beim Weihnachtsempfang für die römische Kurie am 21. Dezember 2009.

Drei Tage, vom 26.-28.11.2013, finden in Berlin, der "Hauptstadt des Atheismus", nun verschiedene Veranstaltungen statt. Für alle Veranstaltungen gilt aber ein Kennzeichen, nämlich dass ein Dialog nicht stattfindet.

Dialoginitiative?

Abgesehen davon, dass die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Dokumentation der "Reden und Ansprachen" nur die Ansprachen der drei beteiligten Erzbischöfe auflistet, wird bereits durch die Namensgebung deutlich, worum es sich handelt. Im Originalwortlaut: "Der Name 'Vorhof der Völker' geht auf die Bezeichnung der Plätze rund um den Jerusalemer Tempel in alttestamentlicher Zeit zurück. Das zentrale Heiligtum der Juden bis zu seiner Zerstörung durch die Römer 70 n. Chr. war von verschiedenen Plätzen umgeben. Während in den innersten Bereich nur die Priester durften und der Bereich um das Heiligtum den Juden vorbehalten war, durften den äußersten und größten Platz im Tempelbereich Menschen aller Religionen und Völker betreten. Dort kamen die Juden mit den Menschen ins Gespräch, die den jüdischen Ein-Gott-Glauben nicht teilten. Hier fanden Begegnung und Diskussion statt. Genau diese Art des Zusammenkommens wollen auch die Veranstaltungen der Initiative ermöglichen: Christen treffen Nichtgläubige und kommen mit ihnen ins Gespräch."

Das trifft den Nagel auf den Kopf und heißt in Kurzform: "Neuevangelisierung Europas". Die Verantaltung in Berlin ist seit dem Beginn der Veranstaltungsserie (2011) in ganz Europa die siebzehnte. "Neuevangelisierung" heißt dabei nicht nur, dass man den Agnostikern und Atheisten eine Begegnung mit dem christlichen Gott ermöglichen will, sondern es geht auch darum, die eigenen Gläubigen wieder zurückzugewinnen. So heißt es im Originaltext von Gianfranco Kardinal Ravasi: "Religion ist vor allem eine Gnade! Sie ist vor allem der Eintritt Gottes in die Geschichte, sie ist Begegnung der Menschen. Deshalb wünsche ich mir, dass der Gläubige mehr diesen Aspekt erkennt, den Aspekt des Lichts, der Gelassenheit, der Hoffnung."

Mit anderen Worten, die (in Berlin) kleine katholische Kirche erlaubt es großzügig den vielen Nicht-Religiösen und den Mitgliedern anderer Religionen, sich ihr zu nähern und sich von ihrem Licht be- und erleuchten zu lassen.

Entsprechend war das Publikum im Festsaal des Berliner Rathauses zusammengesetzt. Unter den 340 Anwesenden, die aus 725 Anmeldungen ausgewählt worden waren, gab es nur etwa zehn – vom Ansehen her bekannte – säkulare Gäste.

Der Regierende Bürgermeister hatte sich nach der protokollarischen Höflichkeit des Empfangs des vatikanischen Kardinals, seines Eintrags in das Goldene Buch und einer kurzen Pressekonferenz zu anderen Dienstaufgaben verabschiedet.

Die Eröffnungsreden waren dann alle drei christlich oder wie soll man es anders nennen, wenn, neben den beiden katholischen Erzbischöfen, der Kultur-Staatssekretär beim Regierenden Bürgermeister, André Schmitz, als staatlicher Vertreter des Hausherrn die Gäste begrüßt und seine Rede mit den Worten abschließt: "Man kann von religiösen Einrichtungen nicht einfordern, dass sie sich der Gesellschaft öffnen, wenn sie nicht in Glaubensfragen unser aller Respekt erwarten können. Um es klar zu sagen, Respekt bedeutet keineswegs den Verzicht auf Kritik, aber doch Rücksichtnahme auf die Verletzlichkeit solcher intimer und persönlicher Befindlichkeiten, wie es die religiösen Gefühle nun einmal sind. Dabei geht es letztendlich um den respektvollen Umgang miteinander und der ist unverzichtbar für unsere Stadt. In diesem Sinne, hochverehrte Eminenz, herzlich Willkommen in Berlin. Ich wünsche der Veranstaltung 'Vorhof der Völker' eine rege Beteiligung, anregende Diskussionen, einen guten Verlauf und Gottes Segen."

Diesen frommen Wünschen entsprach - nach höflichen Ansprachen und Grußworten von Erzbischof Gianfranco Kardinal Ravasi und Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki - der evangelische Theologe und ehemalige Präsident der Humboldt-Universität promt nicht. Professor Christoph Markschies, der die anschließende Diskussion moderieren sollte, sagte u. a. wörtlich: "...die Freiheit, die nur dann Freiheit ist, wenn sie die der Andersdenkenden ist, wie eine erschossene und in den Landwehrkanal geworfene Politikerin formuliert hat, was bedeutet Freiheit...". Kann man noch respektloser über Rosa Luxemburg sprechen? Kaum.

Zum provokanten Thema "Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt" zitierte der agnostische Philosoph Prof. Herbert Schnädelbach gleich eingangs eine katholische Kollegin, Professorin für Moraltheologie, die gesagt habe: "Dieser Satz ist absurd, denn wir haben ja auch noch unsere Vernunft." Ein anderer Kollege habe angeregt, diesen Satz auf die Liste der dümmsten Sprüche zu setzen, und zwar ganz oben. Trotzdem werde dieser Satz immer wieder zustimmend zitiert und jetzt erscheine er sogar als Titel dieser Veranstaltung. Dieser Satz will uns anscheinend das Fürchten lehren, vor dem Atheismus und den Atheisten. "Er ist intellektuelle Panikmache, und dies, obwohl auf der Hand liegt, dass er absurd ist."

Der Soziologe Prof. Hans Joas (Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken), sieht eigentlich keine Kontroverse, denn in Fragen der Moral gäbe es kaum Unterschiede zwischen ihm und Schnädelbach. Man sollte eigentlich ein anderes Thema wählen, zum Beispiel die Frage, warum manche Menschen gläubig seien und andere nicht. Er nennt vier Thesen: 1. In den Debatten über Religion und Moral verwenden wir meist viel zu große Begriffe und neigen alle zu einer Art von apriorischem Ressentiment. 2. Es gibt den einen Atheismus nicht, es gibt nicht das eine säkulare Weltbild. 3. Ich stimme der These "Werte brauchen Gott" nicht zu. 4. Der durch Säkularisierung verursachte moralischen Verfall ist zu bestreiten. Schließlich forderte er dazu auf, die Frage der Moral von der Frage des Glaubens zu trennen.

Der Versuch des lustigen Moderators, recht gewaltsam einen Streit herbeiführen zu wollen, indem er knappe Fragen stellte, auf die die beiden Redner nur mit Ja oder Nein antworten durften, scheiterte.

Bezeichnend für die gesamte Veranstaltung war ebenfalls, dass die Gegenthese zum Thema der Veranstaltung: "Mit Gott ist alles erlaubt" oder "Gott will es!" (Deus lo vult) – Legitimation für Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Mörderbanden u.a.m. – noch nicht einmal am Rande eine Rolle spielte.

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