Schweiz

Sterbehilfe-Kritiker in Ethikkommission

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Markus Zimmermann, Screenshot srf

SCHWEIZ. (hpd) Die Ethiker in der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK gehören alle zum christlich-konservativen Filz. Anfang des Jahres wurden 8 von 15 Mitgliedern der Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK ersetzt. Unter anderem wählte der Bundesrat zwei Moraltheologen in die Kommission, nämlich Markus Zimmermann von der Universität Freiburg und Frank Mathwig von der Universität Bern.

 

Laut NEK-Verordnung verfolgt die Ethikkommission "die Entwicklung der Wissenschaften über die Gesundheit und Krankheit des Menschen und ihrer Anwendungen. Sie nimmt zu den damit verbundenen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen aus ethischer Sicht beratend Stellung." Insbesondere berät sie "auf Anfrage die Bundesversammlung, den Bundesrat und die Kantone".

Vertreter der "Interessen des Vatikans"

Besonders die Wahl des katholischen Moraltheologen Zimmermann befremdet. Im April letzten Jahres wurde er von fünf Schweizer Sterbehilfe-Organisationen hart kritisiert. Dabei ging es um das Nationalfondsprojekt "Lebensende NFP 67", das von Zimmerammn präsidiert wird. Die Sterbehilfe-Organisationen bemängelten, das NFP-Projekt gehe zu sehr von moralisch-theologischen Ansichten aus und sei folglich unwissenschaftlich. Verantwortlich für diesen weltanschaulich-theologischen Anstrich sei niemand anders als Projekt-Präsident Zimmermann. Im Leitungsgremium sitze zudem die Juristin Brigitte Tag von der Universität Zürich, welche sich verschiedentlich kritisch zur Sterbehilfe geäussert habe. Die harschen Vorwürfe wurden vom Schweizerischen Nationalfonds SNF umgehend zurückgewiesen.

Ludwig A. Minelli von Dignitas doppelte in der Zeitschrift "Mensch und Recht" vom September 2013 nach: Das 15 Millionen teure NFP 67 werde "aller Voraussicht nach zu einem der grössten Forschungsskandale unseres Landes". Im Kern gehe es bei diesem Forschungsprogramm darum, "die in der Schweiz seit 1982 erfolgreich gelebte Freiheit der Selbstbestimmung am Lebensende aus den Angeln zu heben". Zimmermann vertrete "die Interessen des Vatikans" und in seiner Dissertation "Euthanasie. Eine theologisch-ethische Untersuchung" lehne er "die in der Schweiz geltende Freiheit des Menschen, selbst über sein eigenes Ende entscheiden zu können, deutlich ab". Diese Haltung unterstrich Zimmermann in einem Gespräch der Sternstunde Philosophie auf SRF.

"Ein deutscher Filz religiöser Ethiker"

Laut Minelli hat sich in der Schweiz "ein eigentlicher deutscher Filz religiöser Ethiker entwickelt, der nach bewährter Manier einer Ecclesia militans sich ausbreitet wie Schimmelpilz." Zum "deutschen Ethikfilz in der Schweiz" gehören laut Minelli neben Zimmermann auch der katholische Philosoph Otfried Höffe, die Juristin Brigitte Tag und Frank Mathwig, Beauftragter für Theologie und Ethik beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Bern. Höffe, der für eine restriktive Sterbehilfe plädiert, ist seit 2009 Präsident der NEK. Auch die Juristin Brigitte Tag ist NEK-Mitglied. Mit der aktuellen Wahl von Zimmermann und Mathwig wurde die moral-konservative, sterbehilfekritische Fraktion in der NEK gestärkt.

Von den insgesamt 15 Mitgliedern der NEK sind vier Ethiker, zwei Philosophen (Offried Höffe, François-Xavier Putallaz) und zwei Theologen (Markus Zimmermann, Frank Mathwig). Alle gehören sie zum christlich-konservativen Filz. Der katholische Philosoph François-Xavier Putallaz wurde 2009 zusammen mit Höffe in die NEK gewählt. Der damals zuständige FDP-Bundesrat Pascal Couchepin hievte die beiden katholischen Philosophen ganz gezielt in die NEK, um die Kommission katholisch-konservativ aufzurüsten. Auch das NFP 67 wurde in der Zeit von Couchepin aufgegleist.

Putallaz‘ Einbettung im katholischen Filz

Ausgerechnet der freisinnige Couchepin protegierte mit dem Walliser Putallaz einen katholisch-konservativen Vertreter. Putallaz lehrt – wie früher auch Höffe – an der katholischen Universität Freiburg und gilt als ideologischer Kritiker der Sterbehilfe. Kein Wunder, denn er ist bestens im katholisch-konservativen, vatikantreuen Filz eingebettet. Er ist Mitglied der erzkonservativen Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz und Vorstandsmitglied des Freiburger Instituts "Philanthropos für anthropologische Studien", welches im Jahr 2004 durch einen Mahnruf des Papstes Johannes Paul II. von einer katholischen Gruppe in Freiburg gegründet wurde. Ziel des Instituts ist die Erarbeitung einer Anthropologie "im Lichte des christlichen Glaubens" und die Verbreitung der katholischen Weltanschauung unter den Studierenden.

Finanziert wird das Institut durch die gleichnamige Freiburger "Stiftung Philanthropos", welche von Erzherzog Rudolf von Österreich präsidiert wird, einem Enkel von Karl I., dem letzten Österreichischen Kaiser und König von Ungarn, der im Jahr 2004 vom Papst selig gesprochen wurde. Der blaublütige Stiftungspräsident wohnt standesgemäss im Schloss Torny im freiburgischen Dörflein Torny-le-Grand. Er ist Gründer und Direktor der "Triple A Gestion SA", die das Vermögen von reichen Kunden in drei Kontinenten verwaltet und Beratung für Trusts und Stiftungen anbietet.

Katholisch-konservativ imprägniertes Bild

Mitglied des Philanthropos-Stiftungsrats ist auch der umtriebige Mönch Nicolas Buttet, Vorsteher der "Bruderschaft Eucharistein" in St. Maurice. Die papsttreue Bruderschaft hat sich der Armut und der christ-katholische Missionierung verschrieben. Abgerundet wird das katholisch-konservativ imprägnierte Bild durch die Revisionsfirma der Philanthropos-Stiftung, die "Alpes Audit SA" aus Martinach, deren VR-Präsident bis 2009 der heutige CVP-Staatsrat Maurice Tornay war. Die Revisionsfirma geriet kürzlich im Zusammenhang mit der Steueraffäre des Ecône-Sympatisanten und Weinhändlers Dominique Giroud in die Schlagzeilen und könnte Tornay möglicherweise das Regierungsamt kosten.

Aufgrund des erzkatholischen Stallgeruchs von Putallaz drängt sich die Frage auf, wieso die NEK dermaßen einseitig durch christlich-konservative Ethiker besetzt ist. Denn eigentlich ist die NEK eine Expertenkommission, deren Mitglieder primär aufgrund ihres Fachwissens gewählt werden und nicht aufgrund ihrer Weltanschauung und Ideologie.

Christliche Theologen müssen ihre Plätze räumen

Dasselbe Problem stellt sich übrigens auch in der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH), deren Präsident der evangelische Theologe Georg Pfleiderer ist. Neben Pfleiderer sitzt in der EKAH auch der katholische Theologe Markus Arnold, Studienleiter am religionspädagogischen Institut der Universität Luzern und ehemaliger Präsident der CVP Zürich.

Es gibt keinen Grund, wieso die christlichen Konfessionen derart prominent in den Ethikkommissionen vertreten sind und gleichzeitig die Konfessionslosen beziehungsweise die anderen Konfessionen ausgeschlossen bleiben. Oberstes Kriterium für die Berufung in eine Ethikkommission ist das Fachwissen und nicht die religiöse Gesinnung. Deshalb ist es ein Gebot der Gerechtigkeit und Fairness, dass die christlichen Theologen ihre privilegierten Plätze in den Ethikkommissionen endlich räumen. Für die NEK ist SP-Bundesrat Alain Berset zuständig. Umso mehr erstaunt die neuste Besetzung durch die beiden Theologen Zimmermann und Mathwig.

 

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