Österreich

Die ersten Schüsse gegen den Faschismus

Artillerie gegen Gemeindebauten

Artilleriestellung gegen den Karl-Marx-Hof

Von Beginn an zielten die militärischen Aktionen der Regierung auf die Wohnstätten der Arbeiter. Artillerie schoss auf Arbeiterheime und Gemeindebauten – mitunter ohne vorher Frauen und Kindern die Chance zu geben zu fliehen. Oder die bewaffneten Arbeiter aufzufordern, sich zu ergeben. Wie viele Opfer diese Taktik forderte, weiß bis heute niemand. Nur eines ist sicher: Die Opfer bei der Arbeiterschaft, Familien inklusive, waren um ein vielfaches höher als bei Exekutive, Heimwehr und Armee.

“Überfallsartig vergasen”

Für Engelbert Dollfuß dürfte selbst diese Vorgangsweise zu zögerlich gewesen sein. Wie das Nachrichtenmagazin profil vorvergangene Woche berichtete, drängte er in einem Telefonat, die streikenden Arbeiter im Elektrizitätswerk Simmering in Wien “überfallsartig zu vergasen” – um die Stromversorgung möglichst schnell wieder herzustellen.

Unklar ist, ob Dollfuß bei dieser Formulierung Tränen- oder Giftgas im Sinn hatte. Nachgewiesen ist jedenfalls, dass er am Vortag des Telefonats informiert worden war, dass das Heer gar kein Tränengas habe. In der Hektik dieser Tage könnte ihm das auch wieder entfallen sein. Andererseits schildern zeitgenössische Anekdoten Dollfuß als Mensch mit ausgezeichnetem Gedächtnis.

In den Kampf hineingeschlittert

Dass mit wenigen Ausnahmen der Widerstand bis 15. Februar zusammenbrach, lag auch daran, dass die Parteiführung der Sozialdemokratie in den Waffengang hineingeschlittert war. Am Vorabend hatte sie noch versucht, Richard Bernaschek davon abzuhalten, sich gegen eine neuerliche Hausdurchsuchung zu wehren.

Von diversen Verstecken aus versuchte die Kampfleitung um Otto Bauer zu retten, was zu retten war. Kurz vor Ende der Kämpfe flüchtete Bauer auf Drängen von Genossinnen und Genossen in die Tschechoslowakei.

Zudem waren in den Wochen vor den Kämpfen gezielt Schutzbundkommandanten verhaftet worden. Einzelne Abteilungen wussten nicht einmal, wie sie zu den Waffenverstecken gelangen konnten. Die Dollfuß-Regierung hatte den Bürgerkrieg gezielt vorbereitet. Nicht umsonst hatte der Heimwehrführer und Vizekanzler Emil Fey am Abend des 11. Februar angekündigt: “Wir werden morgen an die Arbeit gehen. Und wir werden ganze Arbeit leisten.”

Die Rache war furchtbar

Die Rache des Regimes war furchtbar. Nicht nur wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, wie die SPÖ damals hieß, verboten. Arbeiterhochburgen wurden jenseits jeglicher militärischer Notwendigkeit gezielt schwer beschädigt wie der Wiener Karl-Marx-Hof oder das Arbeiterheim in Ottakring.

Artillerieeinschläge im Blauen Bogen des Karl-Marx-HofesCafe Arbeiterheim Ottakring

Führende Sozialdemokraten wie der Wiener Bürgermeister und Parteivorsitzende Karl Seitz wurden verhaftet. Seitz leistete bis zur letzten Sekunde passiven Widerstand. Er musste aus seinem Büro im Wiener Rathaus getragen werden. Hunderte Sozialdemokraten wurden in so genannte Anhaltelager gebracht.

Verhaftete Schutzbündler

Mehrere Schutzbundführer wurden ohne ordentlichen Gerichtsprozess hingerichtet wie der Floridsdorfer Kommandant Georg Weissel. Karl Münichreither brachte man als Schwerverletzten an den Galgen. Für ihn soll sogar Kardinal Theodor Innitzer, tragende Säule des Klerikalfaschismus, interveniert haben, man möge doch warten, bis er wieder gesund sei.