Serien neu gesehen

Blut, Sex und Bigotterie

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Titelfoto: HBO, Screenshots

(hpd) Jeden Freitag veröffentlicht der hpd einen Artikel zu einem Film oder einer Serie, die mit einem “humanistischen Auge” gesehen werden. Heute Maxie Weber über die Serie “True Blood”.

Wenn man eine Serie kreieren will, die Gruppenbildung, Vorurteile, Fundamentalismus in verschiedenen Ausprägungen und religiöse Bigotterie thematisiert, ohne die Zuschauer zum Gähnen zu bringen, welche Gruppe wählt man? Man erfindet eine.

Alan Ball, der bereits in “Six Feet Under” verschiedene inner- und zwischenmenschliche Untiefen anhand einer Familie auslotete, die ein Beerdigungsinstitut betreibt, hat mit “True Blood” (wahres/richtiges Blut) neue Themen aufs Tablett gebracht, die er noch drastischer vorführt. Da die Serie auf dem amerikanischen Sender HBO läuft, können in der schwülen Atmosphäre von Louisiana religiöse Bigotterie, Sex in allen Variationen, Blut, sexuelle wie freundschaftliche Beziehungen und Leben und Sterben hemmungslos ausgelotet werden.

Die Gruppe, die Alan Ball “erfunden” hat, sind Vampire, die vor zwei Jahren ihr Coming-Out aus dem Sarg (“came out of the coffin”) hatten, nachdem die Japaner künstliches Blut – Tru Blood – entwickelt haben und die Vampire nicht mehr auf Menschen als Nahrungsquelle zurückgreifen müssen. Die Vampire wollen gleiche Rechte wie die Menschen. In der Eingangssequenz der ersten Folge schon ist Bill Maher himself im Gespräch mit Nan Flanigan, der Vertreterin der “American Vampire League”, zu sehen. Sie argumentiert, Vampire seien Bürger, zahlten Steuern und verdienten daher Bürgerrechte wie jeder andere auch.

Bill Maher erwidert: Sorry, aber hat Ihre Rasse nicht eine etwas schmutzige Geschichte, unschuldige Menschen auszubeuten und sich von ihnen zu ernähren? Seit Jahrhunderten. Flanigan kontert, Menschen hätten Sklaven ausgebeutet und Atomkriege geführt. Alle Mitglieder ihrer Gesellschaft würden jetzt synthetisches Blut trinken.

Damit ist die Grundproblematik auf den Punkt gebracht: Einige Menschen sind dafür, dass Vampire dieselben Grundrechte erhalten wie sie, andere sind dagegen. Einige Vampire sind der Meinung, dass Vampire evolutionär über den Menschen stehen und diese beherrschen sollten. Obwohl viele Vampire “Tru Blood” trinken, sehen das andere nicht ein, trinken weiterhin Menschenblut und töten Menschen. Dafür gibt es Menschen, die Treibjagden auf Vampire veranstalten. Es gibt auch Menschen, die gern wilden Sex mit Vampiren haben (Fangbangers) und welche, die sich von ihnen anzapfen lassen, also kontrolliertes Trinken anbieten. Da Vampirblut als Droge “V” gehandelt wird, weil es einem das Gefühl gibt, unbesiegbar zu sein, sexuelles Erleben steigert und Wunden heilt, versuchen wiederum einige Menschen, Vampire zu zapfen, auch wenn diese dabei draufgehen. Manche Vampire dealen auch mit ihrem eigenen Blut. Manche Menschen sehen Vampire als wertvolle Zeitzeugen, die beispielsweise aus dem Bürgerkrieg berichten oder erzählen können, wie das Leben damals war.

Es gibt, dies sei zwischendurch bemerkt, verschiedene Arten von Vampirfilmen. Einige dienen lediglich der Unterhaltung und spielen mit der Unsterblichkeit, dem Sex-Appeal und dem Bedrohlichen von Vampiren, das stets unter der Oberfläche lauert. Andere, wie True Blood (oder Daybreakers), nutzen Vampire, um etwas über Menschen zu sagen, sind doch Vampire in ihrer Ähnlichkeit mit Menschen und ihrer häufig verführerischen Attraktivität dafür besser geeignet als etwa Zombies oder andere Fabelwesen.

Anna Paquin als Sookie Stackhouse
Anna Paquin als Sookie Stackhouse

True Blood spielt im fiktiven Ort Bon Temps in Louisiana, die Heldin der Geschichte ist Sookie Stackhouse (Oscar-Preisträgerin Anna Paquin). Sookie ist Bedienung im Merlotte’s und die coolste Socke der Welt (Snoop Dogg schrieb für sie einen Song). Eines Abends kommt Sookies erster Vampir in die Kneipe, Bill Compton (Stephen Moyer), der sich wieder in Bon Temps ansiedeln will, da sein letzter lebender Nachfahre verstorben ist. Sie rettet ihn vor Blutdieben und fasziniert ihn, weil sie keinerlei Angst vor ihm hat (Sookie hat vor nichts und niemandem Angst), ihn umgehend in seine Schranken weist, als er anzüglich wird und ihre ganze Art ihn in den Bann zieht. Sie wiederum ist Telepathin, leidet unter dem zumeist dummen Stimmengewirr und ist froh, dass sie seine Gedanken nicht hören kann. Sie fühlt sich sofort von ihm angezogen.

Sookies Bruder Jason (Ryan Kwanten) ist ihr genaues Gegenteil: einer der einfältigsten Menschen der Welt, der aber auch sehr niedlich sein kann. Er ist rassistisch, sexbesessen und sieht gut aus. Tara Thornton (Rutina Wesley) ist Sookies beste Freundin, hat eine schwer religiöse, alkoholkranke Mutter, ist extrem rüpelhaft und ihr treu ergeben. Sam Merlotte (Sam Trammell) ist Sookies Chef und, wie sich später herausstellt, Formwandler. Schließlich arbeitet auch Lafayette Reynolds (Nelsan Ellis) als Koch im Merlotte’s, sehr charmant, sexy und stockschwul. Der Vampir Eric Northman (Alexander Skarsgård) betreibt mit Pam de Beaufort (Kristin Bauer van Straten) die Bar “Fangtasia”, in der es meist heiß hergeht.

Stephen Moyer als Bill Compton
Stephen Moyer als Bill Compton

Wie in jeder Serie gibt es herausragende und weniger gute Staffeln. Die ersten drei sind überaus interessant, die vierte und fünfte nicht so sehr, die sechste dann doch wieder. In der ersten Staffel geht es um einen Serienmörder, der es auf weibliche Fangbangers abgesehen hat, Sookies Bruder Jason wird der Taten verdächtigt. Die zweite Staffel führt fast alle Bewohner von Bon Temps in die Gesetzlosigkeit und ein unkontrollierbares sexuelles Verhalten: Eine bösartige Mänade beherrscht die Stadt. Danach bedrohen machtgierige und V-süchtige Werwölfe, die von einem Vampirkönig angeführt werden, die Vampire. Die vierte Staffel handelt von Feen und einer Hexe, die sich an Vampiren rächen will und alle in Gefahr bringt, die mit Vampiren zu tun haben. In der fünften Staffel hat Bill die Seiten gewechselt und wird zum fiesen Vampir, der mithilfe der “Autorität” die Welt beherrschen will. Sookie findet in der sechsten Staffel heraus, wer ihre Eltern getötet hat und warum. Der Gouverneur von Louisiana fängt, interniert und foltert Vampire, um deren Fähigkeiten und Sozialverhalten zu erforschen.

In den USA läuft am 22. Juni die siebte und damit letzte Staffel der Serie an. Man sollte sie im Original anschauen, da der Louisiana-Dialekt, Cajun, in keinem deutschen Dialekt eine Entsprechung findet.