Humanistische Lebenskunde in Brandenburg

Potsdam. (hpd) Am 9. Oktober 2007 wurde in Potsdam zwischen Bildungsminister

Holger Rupprecht und dem Vorsitzenden des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg e.V. (HVBB) Gerd Wartenberg die "Vereinbarung über die Durchführung des Humanistischen Lebenskundeunterrichts im Land Brandenburg" unterzeichnet. Das Bildungsministerium informierte.

Nach Berlin, wo derzeit schon 45.000 Schülerinnen und Schüler das weltanschauliche Fach Humanistische Lebenskunde besuchen, ist Brandenburg damit das zweite Land der Bundesrepublik, welches diesen Unterricht einführt. Wie das Medienecho (PDF im Anhang) zeigt, ist dies von der Presse aufmerksam wahrgenommen worden In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern laufen derzeit Antragsverfahren für die Einführung von humanistischem Lebenskunde-Unterricht.

Gleichstellung der Humanisten mit den Kirchen

Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg ist ein Dachverband, dem der Humanistische Landesverband Berlin und acht Brandenburger Regionalverbände angehören. Die Einführung des Faches Humanistische Lebenskunde war von der Brandenburger Landesregierung mit Hinweis auf eine angeblich rechtlich zulässige Privilegierung der Kirchen durch das Grundgesetz zunächst abgelehnt worden. Dagegen hatte der HVBB auf Gleichbehandlung bestanden und erfolgreich geklagt, hpd berichtete. Nach dem Urteil des Brandenburger Landesverfassungsgerichts wurde Ende 2006 durch den Landtag der § 8 des Schulgesetzes dahingehend geändert, dass nunmehr Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften an den öffentlichen Schulen gleichgestellt sind.

Die mit der Landesregierung unterzeichnete Vereinbarung mit dem Humanistischen Verband regelt – wie eine ähnliche Vereinbarung mit den Kirchen zum Religionsunterricht – die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Bedingungen für das neue Fach.

Anlässlich der Unterzeichnung erklärte der Vorsitzende des HVBB, Gerd Wartenberg, Staatssekretär a.D. in der Pressemitteilung des Verbandes:

"Mit dieser Vereinbarung wurde das Bemühen des Humanistischen Verbandes um Gleichbehandlung mit den Kirchen zum Erfolg geführt. Die Eltern und vor allem die Schülerinnen und Schüler haben lange darauf warten müssen, dass es nun auch ein humanistisches Fach gleichberechtigt neben dem kirchlichen Religionsunterricht in Brandenburg gibt. Das ist mit der heutigen Vereinbarung ohne wenn und aber erreicht worden. Das Fach Humanistische Lebenskunde orientiert sich an den Ideen und Werten von Selbstbestimmung, Verantwortung und Toleranz. Im Unterricht geht es uns darum, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Standpunkte zu Fragen der Ethik und Lebensführung aus nichtreligiöser, humanistischer Sicht entwickeln.“

Unterricht erfolgreich angelaufen

Weiter heißt es in der Presseerklärung des HVBB vom 10. Oktober 2007: "Humanistische Lebenskunde gibt es bereits seit August 2007 an 15 Grundschulen im Berliner Umland. Derzeit wird der Lebenskundeunterricht von 397 Schülerinnen und Schülern besucht. Angesichts der über 80 Prozent konfessionell nicht gebundenen Kindern und Jugendlichen gehen wir von einer wachsenden Nachfrage aus. Ähnlich wie in Berlin, wo derzeit mehr als 45.000 Schülerinnen und Schüler den humanistischen Lebenskundeunterricht besuchen. Der Verband wird deshalb den Aufbau von Lebenskunde Schritt für Schritt voranbringen. Ziel ist, das neue Fach im nächsten Schuljahr bereits an mindestens 30 Schulen zu unterrichten."

Grundschulen haben Vorrang – keine Konkurrenz zum Schulfach LER

Vorrangig will der Humanistische Verband das neue Fach an Grundschulen für die Klassen 1 bis 4 anbieten, wo es bisher nur kirchlichen Religionsunterricht gibt. In den Klassen 5 bis 10 wird Humanistische Lebenskunde ergänzend zu LER unterrichtet. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Humanistischen Verbandes, dass Humanistische Lebenskunde nicht in Konkurrenz zum staatlichen Pflichtfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) stehen soll. LER wird als wichtiger allgemeinbildender Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler befürwortet und deshalb eine Abmeldung davon wegen Teilnahme an einem bekenntnisgebundenen Religions- oder Weltanschauungsunterricht abgelehnt. In der gymnasialen Oberstufe kann Lebenskunde ebenfalls angeboten werden.

Ziele und Inhalte des Lebenskundeunterrichts

Zu den wesentlichen Zielen und Inhalten des Unterrichtsfaches Humanistische Lebenskunde hat der HVD-Bundesverband im Juni 2007 verbindliche Grundsätze (PDF im Anhang) beschlossen. Danach fußt der Unterricht in diesem Fach "auf dem Humanismus als Bemühen um Humanität und solidarisches Miteinander, um eine der Menschenwürde und freien Persönlichkeitsentfaltung entsprechende Gestaltung des Lebens und der Gesellschaft. […]

Im Unterricht wird vermittelt, dass der weltliche Humanismus eine mehr als 2500 Jahre alte Tradition hat und eine diesseitig orientierte Lebensauffassung und Weltanschauung ist, nach der ein sinnvolles und erfülltes Leben ohne religiöse Dogmen und deren Verhaltensvorschriften möglich und auch wünschenswert ist. […]

Das freiwillige Fach Humanistische Lebenskunde hat die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung ihrer Kompetenzen für eine zunehmend reflektierte, selbstbestimmte, mündige, sozial verantwortliche und allein diesseits- orientierte Lebensführung zu unterstützen (Förderung humanistischer Kompetenz)."

Unterrichtsinhalte werden im Rahmen folgender Lernfelder in Form von thematischen Schwerpunkten und Themenvorschlägen bestimmt: "Humanismus", "Persönlichkeitsentwicklung", "Soziale Beziehungen" und "Verantwortung für Natur und Gesellschaft". Eingeschlossen sind jeweils Fragen der Ethik, der Menschenrechte und des interkulturellen Dialogs. Für den Lebenskundeunterricht im Land Brandenburg wurde ein Rahmenlehrplan (klicken Sie im Menü auf Brandenburg und dann oben auf Rahmenlehrplan) erarbeitet und durch das Bildungsministerium zugelassen.

Lehrkräfte für Humanistische Lebenskunde und ihre Qualifizierung

Der Lebenskundeunterricht kann aufgrund der Vereinbarung mit der Landesregierung bei staatlichen Lehrkräften mit bis zu acht Unterrichtsstunden auf die Pflichtstundenzahl angerechnet werden. Weiterhin sind Teilzeit- bzw. Vollzeit-Anstellungen beim Humanistischen Verband möglich.

Für die fachspezifische Qualifizierung der Lehrkräfte gibt es eine einjährige berufsbegleitende Weiterbildung und ein zweijähriges Ergänzungsstudium zum Erwerb eines weiteren Lehramtes in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin. Über Pädagogik und Fachdidaktik hinaus erfolgen im Rahmen der Qualifizierung Veranstaltungen in den Lehrgebieten Theorie und Geschichte des Humanismus, Praktischer Humanismus sowie Einführungen in die Bezugswissenschaften Philosophie, Psychologie, Kulturwissenschaften und Religionswissenschaften. Schließlich gibt es Lehrveranstaltungen zur Entwicklung sozialer Kompetenz wie Fachübungen zu Kommunikation, Interaktion und Konfliktbearbeitung. Weitere Informationen hier.

Fachtagung am 6. Dezember 2007 in Potsdam

Am 6. Dezember 2007 veranstaltet der Humanistische Verband im Alten Rathaus – Potsdam Forum eine öffentliche Fachtagung zum Thema "Humanistische Lebenskunde – ein neues Fach an Brandenburger Schulen: Konzeption und erste Erfahrungen" mit einem Rundtischgespräch. Von Lehrkräften werden erste Unterrichtserfahrungen dargestellt. Tagungsprogramm (PDF im Anhang).

 

Rückfragen richten Sie bitte an das Zentrum für Humanistische Lebenskunde Berlin-Brandenburg

Tel.: 030 61390460; E-Mail: hvbb-lku.hvd-berlin@humanismus.de

 

Gerd Eggers

 

Abbildung. Der Vorsitzende des HVBB, Gerd Wartenberg, im Gespräch mit Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung