„I would go for the Deschner Prize"

FRANKFURT/M. (hpd) Die Giordano Bruno Stiftung verlieh zum ersten Mal den Deschner-Preis. Preisträger ist der britische Evolutionsbiologe

und Religionskritiker Richard Dawkins.

 

Die Giordano-Bruno-Stiftung war von ihrem Stiftungssitz in Mastershausen, einen Ort im Arkadien des Hunsrück, in die Metropole Frankfurt gekommen. Der Wissenschaft verpflichtet hatte man in die ehrwürdige Aula der Universität eingeladen und mehr als 300 Fördermitglieder der Stiftung nahmen das Angebot an, vor dem Festakt der Preisverleihung im Foyer mit den Mitgliedern des wissenschaftlichen und künstlerischen Beirates der Stiftung bei einem Glas Sekt zu plaudern.

Auch viele der Beiratsmitglieder waren der Einladung gefolgt und so waren unter anderem die Professoren Albert, Kanitscheider, Neumann, Riedesser, Sommer, Vollmer und Wimberger sowie die KünstlerInnen Ricarda Hinz, Wolfram Kastner, Ralf König, Jacques Tilly und Lilly Walden zugegen. Eine seltene Gelegenheit, so vielen Autoren persönlich zu begegnen. Ganz Entschlossene nutzten die Gelegenheit, die gerade gekauften Bücher signieren zu lassen und ganz Verwegene hatten von zu Hause aus Bücher mitgebracht, um ihnen die besondere Würde einer Signatur einschreiben zu lassen.

Öffentlicher Festakt mit zwei Preisträgern

Zur öffentlichen Preisverleihung wurden dann die Türen der Aula geöffnet. Aufgrund des Andrangs - von dem man bereits vorher aufgrund der Anfragen wusste -, war der große Hörsaal gegenüber der Aula zusätzlich angemietet worden. Alle, die in der Aula keinen Platz mehr gefunden hatten, konnten dort auf einer Großbildleinwand dem Geschehen in der Aula folgen konnten.

Das Besondere an dieser Preisverleihung war nicht nur die Erstmaligkeit des Ereignisses, sondern auch die Tatsache, dass dieser Preis den Namen eines Lebenden trägt: „Wir sind dem Diesseits verpflichtet", meinte Herbert Steffen, Vorstandsmitglied und Stifter der Giordano Bruno Stiftung. Da auch der Namensgeber anwesend war, brachte die Stiftung das Kunststück fertig, mit einem Preis zwei lebende Persönlichkeiten und ihr Werk zu ehren.

Nicht nur Richard Dawkins, der in den vergangenen Wochen in allen großen deutschen Printmedien gewürdigt oder interviewt wurde, war die Attraktion, auch Karlheinz Deschner, beinahe schon eine lebende Legende, stand neben ihm im Mittelpunkt. Er tritt nur noch sehr selten in der Öffentlichkeit auf, mit seinen 82 Jahren immer noch ganz der Arbeit an der Fertigstellung seines monumentalen Werkes der „Kriminalgeschichte des Christentums" verpflichtet.

Der Abend wurde durch einen Film von Ricarda Hinz eingeleitet, die in einem Trailer die Personen und Projekte der Stiftung ins Bild gesetzt hatte. Dieser begeistert angenommene „Trailer" setzte die Maßstäbe für eine Veranstaltung, die sich durch ihre hohe Authentizität auszeichnete.

Der Festakt wurde von Carsten Frerk, einem der Kuratoren der Giordano-Bruno-Stiftung, moderiert. Leichthändig hatte er überraschend ein kleines „Vorprogramm" formuliert, indem er die öffentliche Gelegenheit nutzte, nicht nur den öffentlich bekannten „Kopf" der Stiftung vorzustellen, sondern dem „Herzen" bzw. den „Muskeln" der Stiftung zu danken. Er erklärte: „Im Namen von Vielen möchte ich mich bei Herbert Steffen bedanken. Ohne sein Engagement, seinen Willen, seine unternehmerische Erfahrung und Finanzen wäre in den vier vergangenen Jahren der Existenz der Stiftung kaum etwas möglich geworden." Dafür spendeten die Anwesenden reichlich Applaus.

Herausragende Leistungen im Dienste von Humanismus und Aufklärung

Der Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, sprach als erster - zur Preisbegründung: „Warum die Giordano Bruno Stiftung Richard Dawkins mit dem Deschner Preis auszeichnet.

Die Entscheidung für den Preisträger sei bereits vor einem Jahr während des letzten Stiftungstreffens gefallen. Die Frage war sehr wichtig, wäre es möglich, einen Kandidaten zu finden, der den Geist und die Zielrichtung der Stiftung optimal repräsentiere? In Erwartung einer hitzigen Diskussion unter den Beiräten, war es dann zuerst überraschend, als nach Namensnennung „Richard Dawkins", dann sehr schnell deutlich wurde, dass es für den ersten Preisträger schlichtweg keinen geeigneteren Kandidaten gab. Es gab ein einhelliges Votum für den Kandidaten.

Dawkins verkörpert zunächst einmal ein zentrales Ideal der Stiftung: „Klartext zu sprechen". Seit Jahren macht er unmissverständlich, das er mit dem einseitigen Nichtangriffspakt, der der Wissenschaft von der Religion abverlangt wird, nicht einverstanden ist und auch gesellschaftlich privilegierte Wahnidee der Überprüfung durch die kritische Vernunft nicht entzogen werden dürfen.

Neben seinem erheblichen Einfluss für den weltweiten Aufschwung der Religionskritik, seien es aber insbesondere auch die herausragenden Leistungen von Dawkins auf dem Gebiet der Evolutionstheorie. Für den Weg zu einer „Einheit des Wissens", zu einer Überwindung der Gräben zwischen Naturwissenschaften einerseits und den Geistes- und Sozialwissenschaften andererseits hat der Preisträger wesentliche Impulse gegeben. Wer an der Entwicklung eines naturalistischen und zugleich humanistischen Weltbildes arbeite, komme an seinen Werken nicht vorbei.

Drei Wünsche von Karlheinz Deschner

Karlheinz Deschner wäre nicht Karlheinz Deschner, wenn er es seinen Zuhörern, die ihm allesamt freundlich gesonnen waren, irgendwie leicht gemacht hätte. Er war gebeten worden, seine Gedanken zum Deschner-Preis vorzutragen.

Bereits die Einleitung hatte in sich: „Nun bin ich, essentiell wohl oder übel das Resultat lebenslanger Geschichtsbetrachtung, in Argwohn eingeschweißt wie in eine zweite Haut, ist Skepsis für mich Anfang und Ende der Philosophie. Und eben deshalb stimme ich Richard Dawkins zu, wenn er unter Agnostikern allerlei Wischiwaschigelichter nicht nur vermutet; viele klammheimliche Dreifaltigkeitsanbeter, nicht wenige auch jener, die aus dem Arche-Noah-Affen, einem der Mythologie entsprungenen Tier - transsubsantiationsversiert, wie die Methamorphosemeister nun einmal sind - einen Affen aus Fleisch und Blut machen möchten. Doch Gesindel, quallenweich und rückgratlos, regt sich in jeder Ideologie. Und der echte Agnostiker gleicht dem falschen so wenig wie der lebendige Affe dem Bibelprodukt.
Wir haben also - welche Toleranzbreite! - einen Approximativ-Atheisten, der den Preis, freundlicherweise, empfängt; einen Agnostiker, dessen Namen er trägt; ja, und eine preisvergebende eher atheistische Stiftung, die sich nach einem Pantheisten benennt. Aber, meine Damen und Herren, die berühmtesten Leute sind Pantheisten, Goethe, Spinoza, nicht minder Berühmte sind Agnostiker, David Hume, (mit Einschränkung) Kant; Agnostiker auch Comte, Spencer, Darwin, Russell, Camus, die meisten Neukantianer und Positivisten."

Dann formulierte Deschner für sich selbst drei Wünsche hinsichtlich der künftigen Preisträger. Dass Agnostiker bei der Preisvergabe nicht ausgeschlossen würden, setzte er dabei als selbstverständlich voraus.

Nach seinen Ausführungen, dass er nicht gottgläubig, nicht christgläubig, nicht islamgläubig, nicht europagläubig sei, so auch nicht „wissenschaftsgläubig" sei, war sein erster Wunsch, dass auch Wissenschaftler berücksichtigt werden, die - wie Hans Albert - weder die „Illusion objektiver Gewissheit" noch die „Kollateralschäden" der Forschung verschleiern.

Sein zweiter Wunsch war der Appell, an die Not der Menschen zu denken. Denn: „Eine Philosophie, in der man zwischen den Seiten nicht die Tränen, das Heulen und Zähneknirschen und das furchtbare Getöse gegenseitigen allgemeinen Mordens hört, ist keine Philosophie", sagt nicht Marx, sondern Schopenhauer.

Sein dritter, ganz besonderer Wunsch, war, jene auszuzeichnen, die immer wieder für den Schutz der Tiere eintreten. Schon das erste Bibelblatt gäbe das Tier zum Schlachten, zum Verschlingen frei - und kein „Wort Gottes" sei bis heute „so erfolgreich wie diese furiose Fressofferte einer Religion, die damit prahlt, alle Tieropfer abgeschafft zu haben, und doch mehr Tiere opferte als jede andere Religion, nur nicht mehr Gott, sondern dem eigenen Bauch".

Schließlich betonte Deschner, von Dawkins viel gelernt zu haben und dass es ihn zumal entzückt habe, wie Dawkins als Naturwissenschaftler und besonnener Gelehrter, „zuweilen bedeutende Dichter zitiere, bezaubernde Lyrik, magische, mystische gar".

Faszination von ungewohnten Antworten auf altehrwürdige Fragen

Die wissenschaftliche Laudatio auf den Preisträger hielt Franz M. Wuketits, selber Evolutionsbiologe und Professor für die Philosophie der Wissenschaft an der Universität Wien.

Er schilderte die überspringende Begeisterung von Dawkins, seine Vorstellungen vom Leben und seiner Geschichte zu formulieren und zu verteidigen. Viele Biologen seien von der Idee abgestoßen gewesen, dass man die Evolution am besten verstehe, indem man die Selektion auf der untersten Ebene der Gene studiere.

Er selber, Wuketits, sei 1976, als „Das egoistische Gen" erschien, Student der Biologie und Philosophie an der Universität Wien gewesen. „Als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, war ich fasziniert - fasziniert von der ungewohnten Antwort auf die altehrwürdige Frage, warum es Menschen gibt. Aber jeder, der in der idealistischen) Tradition der deutschen Philosophie aufgewachsen ist, kann von dem Argument, dass wir Menschen, wie alle anderen Tiere, von unseren eigenen Genen erzeugte Maschinen sind, entweder fasziniert oder schockiert sein."

Dann zitierte er Dawkins, der oft missverstanden worden sei, aber geschrieben habe: „Laßt uns versuchen, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu lehren, denn wir sind egoistisch geboren. Laßt uns verstehen lernen, was unsere eigenen egoistischen Gene vorhaben, denn dann haben wir vielleicht die Chance, ihre Pläne zu durchkreuzen - etwas, das keine andere Art bisher angestrebt hat."

Mit diesen Zeilen komme, so Wuketits, ein humanistisches Weltbild deutlich zum Ausdruck. Sie seien eine Einladung, unsere eigentliche Natur zu verstehen, und zwar auf der vernünftigen Überzeugung, dass nur der, der die evolutionären Rahmenbedingungen des menschlichen Lebens verstanden hat, auch in der Lage sein wird, einen realistischen „humanistischen Rahmen" (Julian Huxley) jenseits illusionärer, idealistischer Ansprüche zu entwickeln und zu verteidigen.

Und, so schloss der Laudator: „Wir sind affenartigen Vorfahren entsprungen, haben aber nun die Möglichkeit, unsere eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst zu reflektieren. Es liegt an uns, daraus das Beste zu machen. Tun wir das, dann müssen wir all den metaphysischen Müll entsorgen, der unser Selbstverständnis verdunkelt und - schlimmer noch - der Menschheit Leid zugefügt hat. Richtig verstanden, ist die Theorie der Evolution der beste Weg, der „dunklen Seite" unserer Gedankenwelt zu widerstehen. Das ist, wie ich meine, die Botschaft von Richard Dawkins. Als Mitstreiter in Sachen Evolution grüße ich ihn."

Wir haben einen Traum

Nachdem Herbert Steffen den Text der Urkunde verlesen hatte, wurde in Begleitung des „Imagine" von John Lennon die Urkunde und der Scheck überreicht - bei stehenden Ovationen der Anwesenden im Saal.
Die vielfachen Glückwünsche wurden von dem GBS-Vorstandsmitglied Ernst Salcher abgerundet, der pointiert über unseren großartigen Traum eines friedlichen Lebens sprach: „Wir alle haben einen Traum: die Überwindung der religiösen Intoleranz, des religiösen Fundamentalismus und der Religionskriege. Und schließlich können wir vielleicht auch den Glauben an ein religiöses Paradies überwinden - eingedenk, dass wir sicherlich kein Paradies bauen können, aber eine friedliche und humane Welt, in der sich lohnt zu leben. Auch wenn wir selbst diese Welt wahrscheinlich noch nicht selber erleben werden, können und müssen wir darin fortfahren, den Weg dafür zu bereiten. Und wir sollten unseren Traum dabei niemals vergessen."

„I would go for the Deschner-Preis"

Richard Dawkins bedankte sich und bemerkte, dass Karlheinz Deschner aus dem gleichen Holz geschnitzt sei, wie er selbst. Dawkins erläuterte, dass es einen Templeton-Preis gäbe, der an Wissenschaftler vergeben würde, die ihre wissenschaftlichen Ideale preisgeben und dessen finanzielle Ausstattung höher als der Nobelpreis sei. Er meinte dann fröhlich, wenn er zwischen dem Templeton-Preis oder dem Deschner-Preis zu wählen hätte, er würde sich für den Deschner-Preis entscheiden.

Dann erwähnte er, dass Wuketits erwähnte habe, Charles Darwin habe in der „Entstehung der Arten" von einem Schöpfer geschrieben und wir das nicht missverstehen sollten. Dieser Satz sei in der ersten Auflage noch nicht enthalten gewesen und erst später hinzugefügt geworden - wohl auf Druck der damaligen religiösen Autoritäten oder Darwins Frau.

Dawkins sprach ausführlicher über den Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion und wie es der Religion immer wieder gelänge, sich wie ein Parasit auch wissenschaftlicher Erkenntnisse zum eigenen Vorteil zu bedienen. So seien die Attentäter des 11. September nicht die Inkarnation des Bösen, sondern aus der Sicht ihrer Religionen hätten sie richtig gehandelt und würden dafür belohnt werden, indem sie das World Trade Center und sich selbst zerstörten. Es sei bestürzend, wie viele Religiöse dieses Töten als richtig, schön und gesegnet betrachten würden. Diese Männer waren nicht dumm oder böse, sie waren nette Leute, gut ausgebildet, teilweise Ingenieure, sie kannten wissenschaftliche Methoden, aber ihre Gehirne waren von religiösem Glauben übernommen worden. Und unsere Gehirne sind offensichtlich sehr leicht verwundbar, um von solchem Wahn befallen zu werden. Er betonte eindringlich, dass wir keine Religion brauchen - die offensichtliche und alltägliche Evidenz würde ausreichen.

Er äußerte sich auch zu dem Vorwurf, dass er nicht zwischen „böser" und „guter" Religion, dem Mainstream der Gemäßigten, unterscheiden würde, sondern alle Religiösen angreifen würde. Aber, so wandte er ein, die „bösen" Fundamentalisten seien auch von den „guten" Religiösen vorbereitet und unterwiesen worden, so dass jeglicher Unterschied nicht gerechtfertigt sei.

Dawkins betonte ausführlich, wie die notwendige Gutgläubigkeit von kleinen Kindern, ihren Eltern und generell Älteren alles zu glauben, um Lebensgefahren zu vermeiden, von den Religiösen missbraucht werde, um dem noch unkritischen Kind Werte zu vermitteln, die ausschließlich religiösen Zwecken dienten.

Bei aller Ernsthaftigkeit war die Rede mit vielen Anspielungen und Seitenaspekten gewürzt, die immer wieder Beifall und ein befreiendes Lachen hervorriefen.

 

Anschließend überreichte der Meeresbiologe Helmut Debelius sein neuestes Buch über „Nudibranchs of the World" an Richard Dawkins. Ein Buch mit 2.500 Farbfotos, dem ein Zitat des Preisträgers vorangestellt ist.
Zudem überreichte der Autor Michael Schmidt-Salomon an Dawkins ein Sonderexemplar des „Gottesferkelbuches" in englischer Sprache.

Eine lange Schlange stellte sich abschließend geduldig zum Signieren ihrer Bücher auf, während im Foyer der Aula noch weitere zwei Stunden Getränke, Häppchen und Suppen gereicht wurden und mit kurzweiligen Unterhaltungen dieser besondere Abend seinen Ausklang fand.

Friedrich Halderbrook

 

Alle Fotos im Anhang © Evelin Frerk.