Humanistische Lebensauffassung in der Mehrheit

HAMBURG / BERLIN. (fowid /hpd) In Deutschland befinden sich humanistische und religiöse Lebensauffassungen insgesamt in einer Balance.

Mehr als die Hälfte der Bundesbürger sieht sich dabei überwiegend in Übereinstimmung mit den Prinzipien einer humanistischen Lebensauffassung.

 

Das Meinungsforschungsinstitut forsa ermittelte im Dezember 2007 in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage „Meinungen zur humanistischen Lebensauffassung". Diese Auffassung wurde mit folgenden Prinzipien beschrieben:

  • Eigenständiges, selbstbestimmtes Leben,
  • frei von Religion und den Glauben an einen Gott,
  • das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht.

 

Die jetzt vorliegenden Auswertungen beinhalten vier Antwortmöglichkeiten: zwei abgestufte Kategorien, in denen die Befragten ihre „volle und ganze" bzw. „überwiegende" persönliche Übereinstimmung mit diesen Prinzipien erklären konnten und zwei Kategorien, in denen sie ablehnend bekunden konnten, dass sie „eher nicht" bzw. „überhaupt nicht" mit dieser Lebensauffassung übereinstimmen.

Das Trennkriterium dürfte der Aspekt sein, ob man eine Lebensauffassung habe, die „frei von Religion und den Glauben an einen Gott" sei. Dementsprechend bilden sich zwei große Gruppen der Menschen, die sich voll oder überwiegend als „Humanisten" verstehen, und der anderen Gruppen, die sich eher oder ganz als „Religiöse" bekennen.

Mehrheitlich Humanisten

Eine deutliche Mehrheit der Befragten (56 %) erklärt sich voll und ganz (21 %) oder überwiegend (35 %) als humanistisch, dagegen betrachten sich 42 % als eher nicht (21 %) oder überhaupt nicht (21 %) so, beschreiben sich also als religiös bzw. gottgläubig. In den einzelnen Verteilungen finden sich die Humanisten überall in Deutschland mit den Tendenzen, mehr in den Neuen Bundesländern, mehr Frauen, mehr bei den Jüngeren und ausgeprägter mit höherem formalen Bildungsabschluss.

In der regionalen Verteilung nach Bundesländern lässt sich dabei eine Verteilung entlang der Diasporalinie feststellen. Die „Religiösen" haben ihre Anhänger am stärksten in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, NRW und Bayern – also westlich und südlich einer Rhein-Main-Linie.

Humanisten und Religionszugehörigkeit

Die Erwartung, dass diese Gruppen sich parallel zu den formalen Mitgliedschaften der Kirchenmitgliedschaften als Trennlinie darstellen, lässt sich nicht bestätigen. Im Gegenteil. Von denjenigen, die sich zumindest überwiegend als humanistisch verstehen, sind 24 % Katholiken und 34 % evangelische Kirchenmitglieder. Von den sich zumindest überwiegend als Humanisten Verstehenden ist entsprechend die Mehrheit (58 %) noch formal christliches Kirchenmitglied.

Homogenität der Religionszugehörigkeiten

Bezogen auf die formalen Gruppenzugehörigkeiten bekennen sich 43 % der Katholiken überwiegend zu einer humanistischen Lebensauffassung, ebenso wie 52 % der evangelischen Kirchenmitglieder. Von den Nicht-Kirchenmitgliedern, den Konfessionsfreien – von denen eine Nähe zu einer nicht-religiösen Lebensauffassung angenommen wird –, betrachten sich dagegen auch tatsächlich 80 % als Humanisten. Was sich auch bereits in anderen Einstellungen und Wertungen zeigte (Schwangerschaftsabbruch, sexuelle Selbstbestimmung, etc.) sind die Konfessionsfreien auch in der Frage der gemeinsamen Lebensauffassung wesentlich homogener als die Kirchenmitglieder.

Humanistenquote ansteigend

2004 war vom Allensbacher Institut für Demoskopie eine parallele Fragestellung untersucht worden, mit entsprechenden vier Antwortmöglichkeiten, und es zeigt sich, dass der Anteil der Menschen, die sich zu einer humanistischen Lebensauffassung bekennen – die „Humanistenquote" – im Kernbereich der vollen Übereinstimmung sich von 7 % auf 21 % verändert hat und dass sich mittlerweile 56 % der Befragten überwiegend als Humanisten erklären, gegenüber 49 % im Jahr 2004.

 

Insofern lässt sich eine „Rückkehr der Religionen", wie sie im vergangenen Jahr mehrfach verkündet wurde, auch mit dieser aktuellen Umfrage nicht bestätigen. Das Gegenteil ist der Fall.

Auch wenn man die Unterschiede zwischen zwei Messpunkten nicht als Trendaussagen verwenden sollte, so könnte die Hypothese formuliert werden, dass sich die weltanschaulichen Lebensauffassungen klären, d.h. sich stärker gegeneinander abgrenzen und die Zeit einer „postmodernen Beliebigkeit" ausläuft.

Carsten Frerk