Ethik-Monitor: Ehrlichkeit ist Trumpf

Ohrfeige für die gesamte politische Klasse in Deutschland: Studie offenbart

Werte-Kluft zwischen Politik und Bürgern. Bedeutung von Kirchen weiterhin im Abwärtstrend und für die Wertevermittlung immer unwichtiger.

 

Ehrlichkeit ist Trumpf - so lautet eines der Ergebnisse einer aktuellen Emnid-Umfrage im Auftrag der Hamburger Stiftung "Wert(e)volle Zukunft".

Nach der für sie wichtigsten Tugend befragt, nannten mehr als die Hälfte der Bürger den Wert Ehrlichkeit an erster Stelle. Zugleich bezweifeln die Befragten die Relevanz des Wertes Ehrlichkeit für Politiker massiv. Gerade einmal 29 Prozent von ihnen stufen den Wert an erster Stelle einer Werte-Skala ein. Laut Einschätzung der Befragten zählen für Politiker eher Werte wie Pflichtbewusstsein (52%) und Anstand (50%). Solidarische Werte wie Fairness (32%) und Mitgefühl (29%) schreibt man Politikern offenbar selten zu.

 

Für die Studie bat die Stiftung "Wert(e)volle Zukunft" 1.003 Befragte darum, neun Werte nach deren persönlicher Wichtigkeit zu staffeln. Danach sollten sie die Wichtigkeit dieser Werte für die Gesellschaft, für Politiker sowie für ihren Arbeitgeber einschätzen.

Anhand der Daten bildete ein Forscherteam um den Bamberger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Behnke einen Werte-Index, der das Verhältnis der Werte-Ordnungen zueinander abbildet. Dabei stellten sich gravierende Unterschiede der Wertestruktur der Bevölkerung insbesondere zu den Werten der Politiker heraus. Es kommt nahezu zu einer Umkehrung der Werte-Ordnung.

 

Prof. Dr. Joachim Behnke konstatiert eine "tiefe Vertrauenskrise der Bürger in die politischen Institutionen". Rund 50 Prozent der Befragten schenken der Bundesregierung sowie dem Bundestag "kein bis überhaupt kein Vertrauen". Das ist in etwa die gleiche Prozentzahl wie bei "Fremden, denen man das erste Mal begegnet" und bei "großen Wirtschaftsunternehmen".

 

Im Vergleich der Einschätzung verschiedener Institutionen sind Politiker und Parteien sogar das Schlusslicht: Während Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsführer mit nur 25 Prozent Ablehnung noch relativ gut abschneiden, halten 30-35 Prozent der Befragten gar nichts von Parteien und Politikern.

Prof. Dr. Joachim Behnke: "Diese Ohrfeige war vorhersehbar, aber das Ausmaß der Krise nicht abzusehen. Selbst Arbeitgeberverbände schneiden besser ab als Politiker! Das ist ein Armutszeugnis für die gesamte politische Klasse."

 

(Detaillierte Ergebnisse im Anhang, pdf-Datei „Ethikmonitor“.)

 

 

Die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) hat im Auftrag des Humanistischen Pressedienstes die Daten der Studie unter weltanschaulichem Aspekt mit weiteren Differenzierungen ausgewertet. Zu den bereits vorliegenden Ergebnissen der Auswertungen der Stiftung „Wert(e)volle Zukunft“ wurden insbesondere die Altersverteilungen betrachtet. Nachfolgend die ersten Ergebnisse.

 

 

Glaube an Gott

Hinsichtlich des Aspektes der persönlichen Wichtigkeit von verschiedenen Dingen im Leben wurden den Befragten 31 Werte vorgelegt, die sie nach sieben Abstufungen von „überhaupt nicht wichtig“ bis „sehr wichtig“ für sich bewerten konnten. (vgl. Abb. „Wichtigkeiten im Leben“ im Anhang).

In der Reihenfolge der Wichtigkeiten (gemessen an den Mittelwerten der Einstufungen) stehen alle Werte, die für Verlässlichkeit, glückliches Familienleben, Freiheit, Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen und Treue stehen auf den obersten Rangplatzen der Wichtigkeiten, d.h. es besteht große Einigkeit in der Bevölkerung, dass diese Dinge sehr wichtig sind.

Auf den untersten drei Rangplätzen der persönlichen Wichtigkeit stehen „an Gott glauben“, „Macht und Einfluss haben“ sowie - als am unwichtigsten -, „sich politisch engagieren“.

Der „Glaube an Gott“, der einen Gesamtmittelwert von 4,1 hat, wird von der ältesten Befragtengruppe der über 50-Jährigen deutlich wichtiger eingestuft (4,6), während die jüngste Altersgruppe der Befragten die Wertigkeit mit einem deutlich geringen Mittelwert (3,6) für ihre persönliche Wichtigkeit bewertet.

 

 

Wertevermittlung

Für die Frage: „Als nächstes interessiert uns, wie Sie zu Ihren Werte gekommen sind. Wie wichtig waren folgende Quellen für die Vermittlung Ihrer Werte? 1 bedeutet. dass die Quelle überhaupt nicht wichtig war, 7, dass die Quelle sehr wichtig war. Mit den Zahlen dazwischen können sie Ihre Meinung abstufen.“

17 Quellen waren vorgegeben (vgl. im Anhang die Datei „Wertevermittlung“).

„Eigene Erfahrungen“ und das Elternhaus“ wurden mit einem Mittelwert über 6 als wichtigsten Quelle eingestuft. Das Umfeld „Freunde“, „Arbeitsplatz“, „Großeltern“, „Ausbildung“, „Schule“ haben jeweils Mittelwerte über 5 und sind entsprechend als wichtige Quelle genannt.

Die Kirche werden in der Reihenfolge der Wichtigkeit mit einem Mittelwert von 3,8 eingestuft, das ist der 14. Platz (von 17). Noch schwächer als ihr Einfluss auf die Wertevermittlung sind nur noch „Medien“, „Prominente“ und Politiker“.

Die Wichtigkeit der Kirche als Quelle der Wertevermittlung wird von den 18-25-jährigen mit einem Mittelwert von 3,2 genannt, während die über 50-jährigen - mit einem Mittelwert von 4,3 - den Kirchen noch eine deutlich höhere Bedeutung zuweisen.

 

 

Vertrauen

Hinsichtlich der Frage, „zu welchen Personen, Gruppen oder Institutionen haben Sie mehr Vertrauen oder weniger Vertrauen“ und einer Auswahl von 17 Personengruppen werden Kirchen - in der gleichen Bewertung wie die Behörden -, in der Mitte der Reihenfolge auf die Mittelwert-Rangplätze 8 und 9 platziert. Die Familie und die Freunde sind die wichtigsten Vertrauenspersonen und auch „Polizei“ und „Gerichte“ rangieren noch vor den Kirchen. (Vgl. im Anhang die Datei „Vertrauen“).

Wiederum ist bei den Älteren (über 50-jährigen) das Vertrauen zu den Kirchen (mit einem Mittelwert von 3,1) ausgeprägter als bei den Jüngeren (18-25-jährigen), die nur einen Mittelwert von 2,6 aufweisen. Von den Jüngeren haben dabei 49,5 % kein Vertrauen, 21,8 % sind unentschieden und nur 24,7 % haben Vertrauen zu den Kirchen.

 

 

Soziale Einbindung

In der Frage, in welchen Bereichen man sich stark oder weniger stark eingebunden fühle, waren die Familie, der Wohnort, der Arbeitsplatz, der Freundeskreis, die Kirchengemeinde / Glaubensgemeinschaft oder eine andere, bisher nicht genannte Gruppe/Institution vorgegeben. (Vgl. im Anhang die Datei „Vertrauen“)

Nach den Verteilungen hinsichtlich des Vertrauens ist es nicht mehr überraschend, dass Familie und Freundeskreis als die engsten Bindungen genannt werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Kirchengemeinden und Glaubensgemeinschaften den Menschen am geringsten das Gefühl der Einbindung geben. Dabei ist bereits herausgerechnet, dass ein Viertel der Befragten (24 %) die Kirchen explizit als „unzutreffend“ ganz ausschließt. In der jüngsten Altersgruppe ist die Einbindung durch die Kirchengemeinden / Glaubensgemeinschaften wiederum an geringsten ausgeprägt.

 

 

Fazit

Ohne einer weiteren Auswertung vorgreifen zu wollen, lässt sich jetzt aber bereits feststellen, dass die Kirchen in Deutschland sich nicht in der gesellschaftlichen Position befinden, in der sie sich selber sehen. Die meisten Befragten haben zu den Kirchen ein sehr distanziertes Verhältnis. Unter den gesellschaftlichen ‚Agenturen’ zur Wertevermittlung, des Vertrauens und der persönlichen Einbindung befinden sich die Kirchen nicht in der Nähe der Menschen in Deutschland und haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung.

CF