Die große Synthese
Tom Rees hat in seiner Folgestudie auf die von Gregory S. Paul vor ein paar Wochen herausgefunden, dass religiöse Länder in weiteren Kategorien schlechter abschneiden. Vor allem kann man feststellen, dass das Einkommen in nichtreligiösen Ländern gerechter verteilt ist und die gerechte Einkommensverteilung ist der wichtigste Maßstab für die gesellschaftliche Gesundheit allgemein (dazu später mehr). Doch Rees trägt in seiner Synthese der Ergebnisse etwas noch Wichtigeres zur Forschung bei: Er führt all diese Faktoren auf ihre zentrale Wirkung auf den Menschen zurück: Die persönliche Unsicherheit.
Religiöse Menschen sind signifikant unsicherer als Atheisten. Sie glauben eher, dass sie ihr eigenes Leben nicht unter Kontrolle haben. Wie bereits in Gott und der Tod dargelegt, begünstigt das Gefühl, man habe das eigene Leben nicht unter Kontrolle, den Glauben an einen allguten, kontrollierenden Gott oder an eine allgute, kontrollierende Regierung. Religiöse hängen stark an ihrem Glauben, um ihren bevorzugten Level an Kontrolle zu stabilisieren. Zugleich ist „Gläubiger“ (Christ, Moslem, etc.) eine positive moralische Identität, also etwas, das gesellschaftlich erwünscht ist und gefördert wird. Die Annahme einer positiven moralischen Identität begünstigt unethisches Verhalten.
Opium des Volks?
In gewisser Hinsicht wirkt Religion wie eine Droge. Anstatt die Ursachen ihres Elends zu bekämpfen, suchen Gläubige nach einer Ersatzbefriedigung ihres Sicherheitsbedürfnisses.
Empirische Psychologie und Soziologie haben also eine berühmte Aussage von Karl Marx bestätigt:
„Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks: Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“
Man sollte allerdings erwähnen, dass die Lösung dieses Problemes und damit verbundener Probleme keineswegs auf den Marxismus hinausläuft. Karl Marx hatte nicht mit allem recht, nur weil er mit dieser einen Sache recht hatte, wobei die Opium-Theorie auch nicht das gesamte Phänomen der Religion erklärt.