Aufgabe meiner Religion für Gleichberechtigung

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Jimmy Carter. Foto: Rick Diamond/The Carter Center

MELBOURNE. (theage/hpd) Jimmy Carter, von 1977-1981 der 39. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, trat kürzlich nach sechs Jahrzehnten Zugehörigkeit  aus der Baptisten-Gemeinschaft aus. Er meint, Frauen und Mädchen wurden zu lange in einer verzerrten Interpretation des Gotteswortes diskriminiert. In der australischen Zeitung The Age begründete Carter seine im Folgenden zusammengefasste Entscheidung.

Der 85jährige war sein ganzes Leben lang praktizierender Christ, für viele Jahre war er auch Dekan und Bibellehrer. Sein Glaube ist für ihn eine Quelle der Kraft und des Trostes, wie für Millionen Menschen auf dieser Erde. Er selbst sagte: „Also war meine Entscheidung, nach sechs Jahrzehnten meine Bindung an die südliche Baptistengemeinde abzubrechen, schmerzhaft und schwierig. Es war jedoch eine unausweichliche Entscheidung, als die Führer der Gemeinde bestimmten, dass Frauen ihren Männern ‚untergeordnet’ seien und ihnen verboten wurde, als Dekane, Pastorinnen oder Kaplane im Militär zu dienen. Die Führer zitierten in ihrer Begründung einige bedachtsam gewählte Bibelverse und behaupteten, Eva sei Adam nachrangig geschaffen worden und verantwortlich für die Erbsünde.“

Carter geht darauf ein, dass diese Sicht nicht auf eine Religion oder einen Glauben beschränkt sei. Frauen würden in vielen Glaubensrichtungen davon abgehalten, eine vollwertige und gleichberechtigte Rolle zu spielen.

Am widerwärtigsten sei der Glaube, so der Ex-Präsident, dass Frauen den Wünschen der Männer unterworfen werden müssten. Dies entschuldige Sklaverei, Gewalt, Zwangsprostitution, Genitalverstümmlung und nationale Gesetze, die Vergewaltigung als Straftat ausschlössen. Dies koste auch Millionen Mädchen und Frauen die Kontrolle über ihre eigenen Körper und ihr Leben und verweigere ihnen weiterhin einen gerechten Zugang zu Bildung, Gesundheit, Arbeitsplätzen sowie Einfluss in ihren eigenen Gemeinden.

„Die Auswirkung dieser religiösen Ansichten“, schreibt Carter, „berührt jeden Aspekt unseres Lebens. Sie erklären, warum in vielen Ländern Jungen vorrangig Bildung erhalten; warum Mädchen gesagt wird, wann und wen sie heiraten müssen; und warum viele Frauen während der Schwangerschaft und unter der Geburt enormen und inakzeptablen Risiken ausgesetzt sind, weil ihre grundlegenden gesundheitlichen Bedürfnisse nicht erfüllt sind.“

„In einigen islamischen Staaten werden Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Sie werden bestraft, wenn ein Arm oder Fußknöchel sichtbar wird, ihnen wird verboten, ein Auto zu fahren oder mit Männern um Arbeit zu konkurrieren. Wird eine Frau vergewaltigt, wird sie häufig als die schuldhafte Partei des Verbrechens streng bestraft.

Religiös begründete Vorurteile schaden uns allen

Das selbe diskriminatorische Denken begründet die fortgesetzte Kluft in der Bezahlung und weshalb es immer noch so wenige Frauen in herausragenden Positionen gibt. Die Wurzel dieses Vorurteils liegt tief in unserer Geschichte, aber seine Wirkung zeigt sich jeden Tag. Es sind nicht nur die Frauen und Mädchen alleine, die leiden. Es schadet uns allen. Es ist nachgewiesen, dass eine Investition in Frauen und Mädchen bedeutende Vorteile für die Gesellschaft bringt. Eine gebildete Frau hat gesündere Kinder. Es ist wahrscheinlicher, dass sie ihre Kinder zur Schule schicken wird. Sie verdient mehr und investiert ihren Verdienst in ihre Familie.“

Carter sieht das Thema Religion und Tradition als Minenfeld und versteht, weshalb viele politische Führer zögern, es anzugehen. Aber, so Carter, er und seine Altersgenossen - die "Ältesten" -, die unterschiedliche Glaubensrichtungen und Hintergründe vorweisen, brauchten sich nicht mehr darum zu kümmern, ob sie eine Wahl gewinnen oder eine Kontroverse zu vermeiden. Es ginge darum, Ungerechtigkeit anzugehen, wenn sie sichtbar wird.

Die Ältesten, führt der 85jährige aus, „sind eine unabhängige Gruppe angesehener globaler Führer, die der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela zusammengebracht hat. Sie bieten ihren Einfluss und ihre Erfahrung, um Friedensprozesse zu unterstützen, wichtige Angelegenheiten wie menschliches Leid anzusprechen und das gemeinsame Interesse der Menschlichkeit voranzubringen. Wir haben uns entschieden, besondere Aufmerksamkeit auf die Verantwortung religiöser und traditioneller Führer zu lenken, Gleichberechtigung und Menschenrechte zu sichern. Kürzlich haben wir eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es heißt: ‚Die Rechtfertigung der Diskriminierung von Frauen und Mädchen auf der Basis von Religion oder Tradition, als sei sie von einer Höheren Autorität vorgeschrieben, ist inakzeptabel.’“

Fiona Lorenz

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