Haiti: Audio-Bibeln als Soforthilfe

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HAITI. (fdb/hpd) Menschen kämpfen um Essen. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen. Die internationalen Hilfsorganisationen sind angesichts unpassierbarer Straßen, eines kaputten Hafens in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince und zahlreicher anderer Widrigkeiten nur in der Lage, einen Bruchteil der zwei Millionen Hilfsbedürftigen zu versorgen. Christen aus den USA schicken Audio-Bibeln.

Es gibt praktisch keine Familie, die keine Angehörigen verloren hätte. Unter den Trümmern liegen vermutlich noch zehntausende Tote. In dem, was von Spitälern übrig ist, sterben Verletzte. Ärztinnen und Ärzte kommen mit ihrer Versorgung nicht nach. Seuchen wie Cholera können jederzeit das Leben Abertausender gefährden. Worte reichen kaum aus, um zu beschreiben, was in Haiti passiert. Wie sich das Land und seine Bevölkerung je von dem Beben der Stärke 7,0 erholen soll, das die Karibikinsel am 13. Jänner erschüttert hat, weiß niemand.

Einzig die US-Christengemeinde "Faith Comes By Hearing" (Glaube kommt durch Hören) hat eine Idee: Man schicke den Haitianern 600 Audio-Bibeln, berichtet die britische Nachrichtenagentur Reuters. Auf Kreolisch. "Proclaimer" heißt das Ding, das alle Wunden heilen soll. Zu Deutsch: "Verkünder". Praktischerweise solarstrombetrieben. Das Stromnetz ist auf Haiti zusammengebrochen. "Im Moment haben die Haitianer Angst, in das zurückzukehren, was von ihren Häusern übrig geblieben ist. Sie sitzen im Freien, am Straßenrand, unter selbstgemachten Not-Unterkünften. Stellen Sie sich vor, wie sich die Stimmung ändert, wenn Gottes Wort dort ist, in ihrer eigenen Sprache, das sie daran erinnert, das Gott mit ihnen ist", heißt es auf der Homepage der Gruppe.

Katastrophenhilfe als Missionierung

Und man verliest sich nicht. Nach einer eindrucksvollen Schilderung der Zustände auf Haiti ist die Ankündigung, dass 600 Proclaimers unterwegs in die Katastrophenregion unterwegs sind, das erste, das man liest. "Haitianer brauchen die langfristige Hoffnung und den Trost aus der Gewissheit, dass sie Gott in dieser Tragödie nicht vergessen hat", sagt Jon Wilke, Sprecher von "Faith Comes By Hearing". Dass die Gruppe offenbar auch an die diesseitigen Bedürfnisse denkt, liest man irgendwo dazwischen. Mit im Gepäck - die Proclaimers. Und 3.000 weitere würden gebraucht, heißt es. Damit sollen die Katastrophenhelfer und Pastoren ausgerüstet werden. Von weiteren Lebensmittellieferungen keine Rede mehr in dem Spendenaufruf. Zuletzt appelliert Wilke an die Gemeindemitglieder, für die Haitianer zu beten. Der Mann setzt Prioritäten. Zweifellos. Das angebliche Leben nach dem Tod kommt vor dem Leben davor.

Katastrophenhilfe als Missionierung. Für US-Organisationen nichts neues. Man denke an die Heilsarmee. Oder die meist evangelikalen Missionare in Afrika. Der Spaten für einen Brunnen und die Bibel immer im Gepäck. Und eine Ausbildung als Lehrer, Ingenieur oder dergleichen. Nicht nur die diesseitgen Leben wollen verbessert werden. Gottes Wort soll verbreitet werden, auf dass die armen Heiden auch ins Himmelsreich kommen. Trennen ließen sich die Rollen nie. Die Missionierung kommt passant und manchmal als Bedingung für Entwicklungshilfe. So sehr an den Bedürfnissen der Menschen vorbei wie "Faith Comes By Hearing" hat sich freilich nur selten eine Organisation öffentlich positioniert. Während zahlreiche internationale Hilfsorganisationen überlegen, wie sie den Opfern auch langfristig helfen können, ihre Traumata zu bewältigen, fällt den Leuten aus Albuquerque nur die Bibel ein.
Wem eher am Überleben der Erdbebenopfer von Haiti liegt, der oder die kann dies etwa über die ORF-Aktion "Nachbar in Not" tun. Das Geld geht an österreichische Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz, den Samariterbund oder die Volkshilfe, die Helferinnen und Helfer und Hilfsgüter auf die Karibikinsel geschickt haben. Die Homepages informieren über den jeweiligen Stand und aktuelle Entwicklungen.

Christoph Baumgarten

Freidenkerbund Österreich