David Wants to Fly

(hpd) David Sieveking ist ein junger Deutscher Filmemacher auf den Spuren der Kreativität seines großen Idols David Lynch. Dass er dabei jedoch eine ganz besondere Seite der amerikanischen Regie-Ikone kennenlernt, weckt seine Neugierde. Lynch ist bekennender Anhänger der Transzendentalen Meditation, der Sieveking in seinem investigativen und überaus unterhaltsamen Dokumentarfilm David Wants To Fly auf den Grund geht.

Ein Traum von Erleuchtung, Unbesiegbarkeit und Yogischem Fliegen

Transzendentale Meditation, kurz TM, ist eine einfache Meditationstechnik, die der indische Guru Maharishi Mahesh Yogi in den 50er Jahren entwickelt und zu einer weltweiten Bewegung aufgebaut hat. In den 60ern war er der Jet-Set-Guru der Hippies, Stars wie die Beatles, Donavan und Mia Farrow fielen in seinen Bann.

Heute stehen Meditation und indische Spiritualität nicht mehr so stark im Fokus der Öffentlichkeit, und dennoch hat sich die TM-Bewegung bis heute gehalten. Es wird geschätzt, dass sie weltweit mehr als fünf Millionen Anhänger zählt. Auch heute noch bekennen sich zahlreiche Stars zu den Lehren Maharishis: Neben den weiterhin treuen Anhängern Paul McCartney und Donavan, die beide auch im Film zu Wort kommen, zählen beispielsweise auch Sheryl Crowe, Moby und Jerry Seinfeld zum Kreise der TM-Fürsprecher - ebenso wie die amerikanische Regielegende David Lynch (Eraserhead, Twin Peaks, Mulholand Drive).

Mit Lynch beginnt dann auch David Sievekings Debutdokumentarfilm „David Wants to Fly“. In wohliger Reality-Doku-Atmosphäre sehen wir Sieveking in seiner Wohnung neben seiner Freundin Marie erwachen. Entlarvend ehrlich und beinahe schon ein wenig naiv wirkt sein erzählerischer Einstieg: Nach dem Abschluss der Filmakademie wollte er eigentlich solch abgründige Filme drehen, wie sein großes Vorbild David Lynch, erzählt uns Sieveking, um gleich im Anschluss jedoch leicht desillusioniert zu gestehen:„…aber irgendwie fehlten mir die Abgründe“. Da kommt es ihm gerade recht, dass er von einer Veranstaltung erfahren hat, bei der David Lynch über die Quelle seiner Kreativität und den Schlüssel zum Erfolg sprechen möchte.

Maharishi University of Enlightment

Hochmotiviert macht sich Sieveking also auf den Weg in die USA, genauer gesagt nach Fairfield, Iowa, wo Lynch in der Maharishi University of Enlightment vor zahlreichen Zuhörern einen Vortrag über die Transzendentale Meditation hält. Am Rande des Workshops gelingt es Sieveking sogar sein erstes persönliches Gespräch mit Lynch zu führen. Überaus herzlich wird er von ihm in Empfang genommen – ein Gestus, der sich im Verlauf des Films um 180 Grad wenden wird. Hinsetzen, Augen schließen und sein Mantra aufsagen – das ist es was Lynch dem jungen Filmemacher rät, um einen Zustand der Glückseligkeit herbeizuführen und alle Negativität dahin schmelzen zu lassen.

Selbstverständlich bedarf es zur korrekten Ausübung dieser hohen Kunst einer fachkundigen Einführung durch einen TM-Trainer, bei der man zugleich ein persönliches und geheim zu haltendes Mantra bekommt. Dabei handelt es sich um ein völlig sinnfreies Wort, das zweimal am Tag je zwanzig Minuten aufgesagt werden muss, um den Geist nach innen gehen zu lassen und das reine Bewusstsein erfahrbar zu machen. Wie Sieveking später zeigen wird, sind die Mantren Wörter aus dem Sanskrit, die an die Teilnehmer anhand von Altersgruppen vergeben werden.

Am Anfang steht für den TM-Neuling also ein Einführungskurs im Friedenspalast in Hannover, der deutschen Zentrale der TM-Organisation. Für die streng geheime Zeremonie muss Sieveking ein paar Kleinigkeiten mitbringen: Sechs frische Blumen, süße Früchte, ein weißes Taschentuch und – 2.380 Euro in bar.

Eintausend Yogische Flieger für die Unbesiegbarkeit Deutschlands

Was darauf folgt, ist eine kuriose Show spiritueller, zeremonieller und statustriefender Begebenheiten. Als Maharishi, der große Guru und Gründer der TM-Bewegung 2008 plötzlich stirbt, nimmt Sieveking gemeinsam mit 40.000 anderen Anhängern, an dessen Beerdigung am Ganges teil, in der Weltzentrale der TM-Bewegung in Vlodrop, Holland fahren selbstverliebte Rajas mit goldenen Kronen in mehrtürigen Limousinen hervor und in Berlin verkündet der „König von Deutschland“, Raja Emanuel, im Beisein David Lynchs, dass er auf dem Berliner Teufelsberg eine Universität der Unbesiegbarkeit gründen werde, in der eintausend Yogische Flieger für die Unbesiegbarkeit Deutschlands meditieren sollen.

Wo die Mantrameditation noch auf durchaus nachvollziehbaren Grundzügen fußt, da entsagt das Yogische Fliegen jeglicher Logik. Bei dieser, von Maharishi in den 70er Jahren entwickelten Meditationsübung für Fortgeschrittene, wird versucht, aus dem Schneidersitz heraus zu „fliegen“, oder wie Sieveking es nennt zu „hopsen“. Das langfristige Ziel der Übung ist es, die Gravitation auszusetzen und tatsächlich zu fliegen. Durch eine große Anzahl Yogischer Flieger soll schließlich der sogenannte Maharishi-Effekt eintreten, der die Unbesiegbarkeit einer regionalen Einheit (Städte, Staaten) und sogar den Weltfrieden herbeiführen kann. Dass Maharishi selbst nicht so recht an seine Theorie glaubte, dürfte dabei kaum noch jemanden wundern.

Auch Sievekings Zweifel werden im Laufe seiner Reise zunehmend stärker und er beginnt immer mehr, die Bewegung kritisch zu hinterfragen. Spätestens, als er TM-Aussteiger und Kritiker trifft, zieht er den Unmut der Bewegung auf sich. Konnte er sich vorher nahezu frei im Umfeld der Organisation bewegen, erhält er nun Filmverbote, Termine werden abgesagt und selbst sein großes Idol David Lynch droht ihm plötzlich rechtliche Schritte an, als Sieveking ablehnt, ihm das fertige Material vor der Veröffentlichung vorzulegen.