Der Klimawandel wird in den nächsten 30 Jahren das Verbreitungsgebiet afrikanischer Menschenaffen drastisch einschränken. Dies hat ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg prognostiziert. In verschiedenen Modellen berechneten sie die Auswirkungen von Klimawandel, Landnutzung und menschlichem Bevölkerungswachstum auf das künftige Verbreitungsgebiet von Gorillas, Schimpansen und Bonobos. Die bisherigen Schutzgebiete reichten nicht aus, um wichtige Populationen dauerhaft zu erhalten, warnen die Forschenden.
Für ihre Analyse trugen die Autoren Informationen über das Vorkommen afrikanischer Menschenaffen zusammen, die in der A.P.E.S.-Datenbank der Weltnaturschutzunion (IUCN) gespeichert sind. Diese Datenbank enthält eine einzigartige Menge an Informationen über den Zustand der Populationen, Bedrohungen und Schutzmaßnahmen für mehrere hundert Standorte, die über 20 Jahre hinweg gesammelt wurden.
Die Forschenden quantifizierten erstmals die Gesamtheit der Auswirkungen von Änderungen des Klimas, der Landnutzung und der Bevölkerungszahlen in den Verbreitungsgebieten der afrikanischen Menschenaffen für das Jahr 2050. Dabei berücksichtigten sie Best- und Worst-Case-Szenarien. "Best Case bedeutet, dass die Kohlenstoff-Emissionen langsam zurückgehen und dass geeignete Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden", erklärt die Mitautorin der Publikation Jessica Junker, Postdoktorandin am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. "Worst Case geht davon aus, dass die Emissionen ungebremst weiter ansteigen – also Business as usual."
Unter dem Best-Case-Szenario sagen die Autoren voraus, dass Menschenaffen innerhalb der nächsten 30 Jahre 85 Prozent ihres Verbreitungsgebietes verlieren werden. Die Hälfte davon werde dabei außerhalb von Nationalparks und anderen gesetzlich geschützten Gebieten liegen. Unter dem Worst-Case-Szenario sagen sie einen Verlust von 94 Prozent voraus, wovon 61 Prozent auf nicht geschützte Gebiete entfielen.
Bisherige Schutzgebiete reichen nicht aus
Höher gelegene Gebiete sind für einige Menschenaffenarten derzeit weniger attraktiv – vor allem aufgrund des geringeren Nahrungsangebotes. Doch durch den Klimawandel verändert sich das: Tieflandgebiete werden wärmer und trockener, die Vegetation verschiebt sich nach oben. Wenn Populationen in der Lage sind, vom Tiefland in die Berge zu ziehen, könnten sie überleben und sogar ihr Verbreitungsgebiet vergrößern – je nach Art und je nachdem, ob das Best- oder das Worst-Case-Szenario eintritt. Es kann aber auch sein, dass sie nicht in der Lage sind, sich in der verbleibenden Zeit zwischen heute und 2050 aus dem Tiefland wegzubewegen.
"Indem wir zukünftige Klima- und Landnutzungsänderungen sowie menschliche Bevölkerungsszenarien eingebunden haben, können wir mit unserer Studie starke Beweise liefern, wie die wichtigsten globalen Einflussfaktoren als Gesamtheit künftig die Verbreitung von Menschenaffen in Afrika einschränken", sagt Joana Carvalho, Postdoktorandin an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Liverpool John Moores University und Erstautorin der Studie. "Dass die größten Verluste des Verbreitungsgebiets außerhalb von Schutzgebieten zu erwarten sind, zeigt deutlich, dass das derzeitige Netzwerk von Schutzgebieten in Afrika noch unzureichend ist, die Lebensräume für Menschenaffen zu erhalten und Menschenaffenpopulationen effektiv zu verbinden."
Lebensräume müssen verbunden sein
Die Ergebnisse bestätigen andere aktuelle Studien, die zeigen, dass die afrikanischen Menschenaffenpopulationen und ihre Lebensräume dramatisch zurückgehen. Alle afrikanischen Menschenaffen sind auf der Roten Liste der bedrohten Arten der IUCN entweder als gefährdet (Berggorillas, Bonobos, Nigeria-Kamerun-Schimpansen, Östliche Schimpansen und Zentrale Schimpansen) oder als vom Aussterben bedroht (Cross-River-Gorillas, Grauer-Gorillas, Westliche Flachlandgorillas und Westliche Schimpansen) eingestuft.
Die Autoren argumentieren, dass effektive Erhaltungsstrategien für jede Art geplant und dabei bestehende als auch vorgeschlagene Schutzgebiete berücksichtigt werden müssten. Dabei könnten die Modelle zur Lebensraumeignung bei der Einrichtung und beim Management von Schutzgebieten helfen. Darüber hinaus wird es entscheidend für das Überleben der afrikanischen Menschenaffen sein, Verbindungen und Korridore zwischen den Lebensräumen zu erhalten und herzustellen, die als künftig geeignet vorhergesagt werden. Landnutzungsplanung und Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels müssten dringend in die Regierungspolitik jener Länder eingebunden werden, in denen Menschenaffen leben.
Weltweiter Verbrauch natürlicher Ressourcen zu hoch
"Der weltweite Verbrauch natürlicher Ressourcen, die in den Verbreitungsgebieten der Menschenaffen abgebaut werden, ist eine der Hauptursachen für den Rückgang der Menschenaffen", sagt Letztautor Hjalmar Kühl vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung und am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Alle Nationen, die von diesen Ressourcen profitieren, stehen in der Verantwortung, eine bessere Zukunft für Menschenaffen, deren Lebensräume sowie für die darin lebenden Menschen zu gewährleisten, indem sie eine nachhaltigere Wirtschaft voranbringen." (ST/HK)
Am 7. Juni um 20.15 Uhr zeigte die ARD in der Reihe "Erlebnis Erde" die 90-minütige Doku "Planet ohne Affen", in die auch Informationen aus der Studie eingeflossen sind. Der Film wurde bereits als "Bester Dokumentarfilm" auf mehreren US-amerikanischen Filmfestivals ausgezeichnet.