Wie jedes Jahr fand auf Initiative des Bundes für Geistesfreiheit München (bfg München) am 7. Januar, dem Jahrestag des Attentats auf Charlie Hebdo, eine Gedenkveranstaltung statt. Damit möchte der bfg München an die Opfer des Attentats auf die Satirezeitschrift am 7. Januar 2015 in Paris erinnern, bei dem neun Mitarbeiter der Zeitschrift und ein Personenschützer kaltblütig ermordet wurden.
Der Terroranschlag aus religiösen Motiven löste 2015 zunächst eine Welle der Solidarität auf der ganzen Welt aus ("Je suis Charlie"), die aber die vergangenen fünf Jahre merklich abgenommen hat. "Mit der Veranstaltung wollen wir darauf hinweisen, dass wir uns verstärkt für die mühsam errungene Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit zu jeder Zeit mit Nachdruck einsetzen müssen, wenn wir sie nicht verlieren wollen", sagte Assunta Tammelleo, stellvertretende Vorsitzende des bfg München in der Kulturbühne Hinterhalt.
Für Tammelleo ist es nicht hinnehmbar, "dass sich auch heute noch Kulturschaffende und Journalisten weltweit staatlicher Verfolgung und Strafe bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt sehen oder sie von religiösen Eiferern verfolgt, verletzt oder gar getötet werden – nur deswegen, weil sie sich mit religiösen Glaubensvorstellungen kritisch oder satirisch auseinandersetzen."
Der Abend in der Kulturbühne Hinterhalt mit 60 Gästen begann mit einer Vernissage des Künstlers Michael Heininger, der in der Galerie der Kulturbühne Cartoons über aktuelle politische Ereignisse und Persönlichkeiten gezeigt hat – ins richtige Licht gerückt vom Lichtdesigner Günter Klügl. Heiningers Arbeiten beschäftigen sich mit der bayerischen Politik Söders genauso wie mit den USA unter Trump.
Der Künstler wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, "dass die Geschichte der politischen Karikatur gezeichnet ist von Zensur und Gewalt, von Querelen mit der Polizei und der Justiz, von Verboten und Entlassungen. Dabei sollten die Karikierten vielmehr bedenken, dass nur der von Bedeutung ist, der karikiert wird." Kritik an der Karikatur sei wichtig und wünschenswert, so Heininger, "aber bitte nicht mit dem Maschinengewehr wie am 7. Januar 2015 in Paris".
Anschließend präsentierte der Kabarettist und Lyriker Holger Paetz Ausschnitte aus seinem satirisch-politischen Jahresrückblick "So schön war's noch selten".
Der Sprachvirtuose Paetz räsonierte über Politisches und Alltägliches, über die Orientierungslosigkeit der CSU, den Niedergang der SPD und kritisierte die fehlende strafrechtliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche: "Ein Pfadfinderverein, der sich solche Sachen geleistet hätte, der wäre schon lang dicht gemacht worden." Die in der Missbrauchsdebatte an den Tag gelegte Verlogenheit der Kirchen fasste er treffend mit den Worten zusammen: "Würdenträger des Glaubens tragen gern dunkle Gewänder, nur oben am Halse blitzt etwas Helles, es ist der Rest der weißen Weste." Dass Joseph Ratzinger, der ehemalige Papst Benedikt XVI., versucht hat, die Schuld am Missbrauch von Kindern durch katholische Priester, den 68ern in die Schuhe zu schieben, kommentierte Paetz so: "Wenn dieses Kopfschütteln nicht bald vergeht, muss ich morgen zum Orthopäden."
Den Abend beschloss HG Butzko mit seinem Programm "echt jetzt", in dem er sich mit der Stimmung im Land auseinandersetzte.
Der "Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts" analysierte schonungslos den Aufstieg des Rechtspopulismus und der AfD: "12,6 Prozent der Deutschen haben bei der letzten Bundestagswahl eine Partei gewählt, die den politischen Anstand zu Grabe trägt. Bei diesen Wählern bekam der Begriff Urnengang eine völlig neue Bedeutung." Verantwortlich für den Aufstieg der Rechten machte Butzko unter anderem "eine Politik, die es nicht geschafft hat, etwas gegen die Bildungsmisere zu unternehmen, eine Politik, die nicht eine Sekunde zögerte, Multimilliarden für die Bankenrettung bereitzustellen, aber jeden Euro für Lehrkräfte oder Unterrichtsmaterialien zweimal umgedreht hat." Für ihn ist das aber kein Grund, die AfD zu wählen: "Wer aus Protest gegen all das Rechtspopulisten wählt, das ist doch so, als würdest du in einer Kneipe an der Klobürste lutschen, weil's Bier nicht schmeckt."
Musikalisch umrahmt wurde der Abend mit Liedern aus 100 Jahren Musikgeschichte – präsentiert von den bfg-All Stars mit Assunta Tammelleo am Mikrofon.
Veranstalter waren der bfg München, der KIL Kulturverein Isar Loisach und Das andere Bayern. Die Eintrittsgelder der Veranstaltung werden zur Finanzierung des mit 3.000 EUR dotierten Kunstpreises Der Freche Mario verwendet, der alle Kulturschaffende ermutigen möchte, sich mit den sogenannten ewig währenden religiösen Wahrheiten und Autoritäten kritisch zu befassen.
Erstveröffentlichung auf der Webseite des bfg München.