Zwei Studien offenbaren die Gefahren der Genitalverstümmlung bei Jungen

Nach Beschneidung auf die Intensivstation

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Beschneidungskampagne – vor dem Bundeskanzleramt
Beschneidungskampagne - vor dem Bundeskanzleramt

Unzählige Jungen werden jedes Jahr Opfer von Genitalverstümmlung aus religiösen oder kultischen Motiven, oft verharmlosend Beschneidung genannt. Um die barbarische Praxis zu rechtfertigen, verweisen Kulthüter gern auf die angebliche positive Wirkung für die Gesundheit der Opfer. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, wie zwei kürzlich veröffentlichte wissenschaftliche Studien zeigen. Sie belegen schwerste Komplikationen und Todesfälle bei betroffenen Kindern.

Die medizinisch nicht notwendige Genitalverstümmlung von Jungen durch Amputation der Vorhaut wird meist bereits wenige Tage nach der Geburt oder im frühen Kindesalter vorgenommen, also an nicht einwilligungsfähigen Personen. Sie gilt als häufigster operativer Eingriff weltweit, so Antony Lempert von der britischen National Secular Society.

Religionsführer behaupten häufig, dass sich die Beschneidung positiv auf die die betroffenen Jungen und Männer auswirke – oder zumindest keinen Schaden anrichte. So heißt es, das die Beschneidung vor Harnwegsinfekten, Geschlechtskrankheiten und dem seltenen Peniskarzinom schütze. Trotzdem wird sie von keiner Ärztekammer weltweit empfohlen. Fachleute wie Antony Lempert gehen davon aus, dass den wenigen Fällen von Komplikationen nach der Beschneidung eine erhebliche Dunkelziffer gegenübersteht.

Zwei kürzlich veröffentlichte Studien lassen das Ausmaß der Problematik erkennen, die vom Deckmantel von Religion und Tradition nur unzulänglich verborgen wird. So kommen die Urologen Matthew Deacon und Gordon Muir vom Londoner King's College im renommierten Fachjournal Nature zu dem Schluss, dass die Risiken die Vorteile bei weitem überwiegen. Nach ihrer Einschätzung gebe es keine medizinische Rechtfertigung für eine Beschneidung in einem Alter, in dem der Betroffene die Vorteile und Risiken noch nicht abschätzen und selbst entscheiden kann.

Dass die Risiken größer sind als bisher angenommen, zeigen die Zahlen aus einer Klinik im kanadischen Toronto, nachzulesen im Fachjournal European Urology Focus. Demnach wurden dort zwischen 2000 und 2013 nicht weniger als 19 zuvor gesunde Neugeborene wegen akuter Komplikationen nach einer Beschneidung aufgenommen. Vier von ihnen hatten Blutungen, wobei in drei Fällen eine Blutgerinnungsstörung festgestellt wurde. Acht Jungen mussten notoperiert werden, sieben wurden mit Sepsis oder schweren Blutungen auf die Intensivstation eingeliefert, drei von ihnen erlitten schließlich einen hämorrhagischen oder septischen Schock und zwei starben an diesen Komplikationen.

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