Analyse der Landtagswahlergebnisse von Sachsen und Brandenburg

Unterschiede zwischen Wählern von Grünen und AfD

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Der durchschnittliche AfD-Wähler ist mittelalt und männlich, bei den Grünen-Wählern dominieren junge Menschen und Frauen.

AfD und Grüne – ganz verschiedene Parteien, aber auch ganz verschiedene Wählergruppen? Ein vergleichender Blick auf die Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.

Die AfD hat die Grünen zu ihrem Hauptfeind erklärt. Dafür gibt es gute Gründe, liegen doch beide Parteien bei vielen Themen weit auseinander. Gleichwohl sind AfD und Grüne die Parteien, die bei den letzten Wahlen die höchsten Zuläufe verbuchen konnten. Doch wer gab in beide Richtungen seine Stimmen ab? Wie setzt sich die AfD- und die Grünen-Wählerschaft zusammen? Gibt es auch Gemeinsamkeiten, gibt es nur Unterschiede? Diese Frage soll hier erörtert werden, wobei dazu Daten der Forschungsgruppe Wahlen und von infratest dimap ausgewertet wurden.

Bevor mit der Analyse begonnen wird, sei aber noch eine Klarstellung vorgenommen. Es geht hier nicht darum, die AfD und die Grünen als irgendwie identische Parteien anzusehen. Es geht hier auch nicht darum, eine Wahlempfehlung abzugeben. Es geht ausschließlich um den vergleichenden Blick auf die jeweilige Wählerschaft, um so Besonderheiten für die jeweilige Partei zu erkennen.

Zunächst sei aber ganz allgemein bezogen auf das Bundesgebiet darauf hingewiesen, dass die AfD überdurchschnittlich starke Gewinne in Ostdeutschland und die Grünen überdurchschnittlich starke Gewinne in Westdeutschland verbuchen konnten. Bezogen auf die Landtagswahlen am 1. September 2019 lässt sich zunächst konstatieren, dass in Brandenburg und Sachsen jeweils Stimmengewinne verbucht wurden. Die AfD erhielt in Brandenburg 23,5 Prozent, also ein Plus von 11,3 und in Sachsen 27,5 Prozent, also ein Plus von 17,8.

Demgegenüber erhielten die Grünen in Brandenburg 10,8 Prozent, also ein Plus von 4,6, und in Sachsen 8,6 Prozent, also ein Plus von 2,9. Insofern konnte die AfD ebenso mehr Stimmen wie eine höhere Zustimmung verbuchen. Aus bundesweiter Blickrichtung verhält es sich anders, wie das Europawahlergebnis am 26. Mai 2019 zeigt: Die AfD erhielt 11 Prozent, also ein Plus von 3,9, die Grünen 20,5 Prozent, also ein Plus von 9,8.

Wie steht es nun aber um die Sozialstruktur der Wählerschaft im Vergleich? Auskunft dazu geben die Daten der erwähnten Institute, wobei für die folgende Betrachtung noch einmal an die Durchschnittswerte erinnert werden soll: AfD 23,5 und 27,5 und Grüne 10,8 und 8,6.

Als erstes geht es um das Alter: Hier zeigt sich, dass die AfD in der Gruppe der Jungen und Älteren unterdurchschnittlich und in der Gruppe der Mittelalten überdurchschnittlich Stimmen erhielt: In Brandenburg waren es bei den 18- bis 24-Jährigen und über 60-Jährigen jeweils 18 Prozent, in der Gruppe der 25- bis 44-Jährigen jeweils 30 Prozent und bei den 45- bis 59-Jährigen 27 Prozent. In Sachsen waren es bei den 18- bis 24-jährigen 20 und bei den über 60-Jährigen 24 Prozent, in der Gruppe der 25- bis 59-Jährigen schwankten die Werte zwischen 26 und 32 Prozent.

Bei den Grünen-Wählern gibt es einen noch viel deutlicheren Trend, der sich in den schlichte Aussagen "Je jünger, desto mehr" und "Je älter, desto weniger" zusammenfassen lässt. Während es in Brandenburg bei den 18- bis 24-Jährigen 24,4 Prozent waren, sank der Wert bei den über 60-Jährigen auf 5,5 Prozent. Ähnlich verhielt es sich in Sachsen, wo die entsprechenden Werte bei 19,3 und 3,8 Prozent lagen. In den Altersgruppen dazwischen ließ sich in beiden Fällen eine kontinuierlich sinkende Tendenz feststellen.

Eine noch deutlichere Besonderheit gab es bezogen auf die Geschlechterverteilung, wählten doch Männer überdurchschnittlich und Frauen unterdurchschnittlich die AfD. In Brandenburg war das Verhältnis 30 zu 17, in Sachsen 32 zu 22 Prozent. Bei keiner anderen Partei lassen sich so deutliche Unterschiede feststellen, sie liegen hier sogar weit über zehn Prozent.

Bei den Grünen-Wählern gibt es demgegenüber einen höheren Frauenanteil, der aber nicht die gleichen Dimensionen an Unterschieden ausmacht. Es waren in Brandenburg 10,1 Prozent Männer und 12,1 Prozent Frauen, in Sachsen lagen die Werte bei 8,2 Prozent Männer und 9,6 Prozent Frauen. Bei den anderen Parteien liegen die Werte enger zusammen. Eine Ausnahme wäre hier die CDU, die auch leicht überdurchschnittlich stark von Frauen gewählt wird.

Hinsichtlich der formalen Bildung zeigt sich, dass die AfD unterdurchschnittlich von den formal höher Gebildeten und überdurchschnittlich von den mittel Gebildeten gewählt wurde. In Brandenburg waren es bei der hohen Bildung 16 Prozent, bei der mittleren Bildung 29 Prozent und bei der niedrigen Bildung 26 Prozent. Eine ähnliche Verteilung gab es in Sachsen, wo die AfD von 18 Prozent mit hoher Bildung, dann aber von 35 Prozent mit mittlerer und 32 Prozent mit niedriger Bildung gewählt wurde.

Auch hier verhält es sich bei den Grünen-Wählern genau umgekehrt und zwar mit einem eindeutigen Trend: "Je höher die formale Bildung, desto höher die Neigung zur Grünen-Wahl". In Brandenburg wählten 16 Prozent mit hoher Bildung, acht Prozent mit mittlerer Bildung und fünf Prozent mit niedriger Bildung die Partei. In Sachsen gab es eine ähnliche Verteilung, die 15, dann vier und dann fünf Prozent ausmachte.

Auch bei den Berufsgruppen gab es Besonderheiten, stimmten doch insbesondere Arbeiter und Arbeitslose für die AfD. In Brandenburg waren es 44 und 43 Prozent, in Sachsen jeweils 41 Prozent, was für besonders hohe Werte steht. Demgegenüber votierten entsprechend der obigen Angaben zum Alter nur 15 bzw. 22 Prozent der Rentner für die Partei. Auch Angestellte und Beamte wählten die AfD unterdurchschnittlich, in Brandenburg mit 23 und 28 Prozent und in Sachsen mit 26 und 20 Prozent. Gleichwohl hat man es hier in der Gesamtschau schon mit hohen Werten zu tun. Dass jeweils über ein Fünftel der Beamten so votieren, sagt ja durchaus etwas aus.

Die Grünen erhielten demgegenüber von Arbeitern und Arbeitslosen nur unterdurchschnittliche Zustimmung, das waren in Brandenburg vier und fünf Prozent und in Sachsen fünf bzw. sieben Prozent. Angestellte, Beamte und Selbstständige bildeten demgegenüber die Berufsgruppen, die stärker die Grünen wählten. In Brandenburg waren es 14, zehn und 13 und in Sachsen waren es elf und jeweils 13 Prozent.

Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft spielte bei der AfD-Wahl nur eine geringe Rolle, lagen die Werte bei den Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern doch eng beieinander: in Brandenburg waren es 32,3 und 34 Prozent, in Sachsen bei 27,6 und 27,7 Prozent. In den westlichen Ländern votieren demgegenüber Gewerkschaftsmitglieder häufiger als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder für die Partei, insbesondere bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern.

Bei den Grünen wählten Gewerkschaftsmitglieder leicht unterdurchschnittlich die Partei, in Brandenburg waren es 8,2 gegenüber 11,2 Prozent Nicht-Gewerkschaftsmitglieder, in Sachsen war das Verhältnis 7,2 zu 9,2 Prozent. Auch beim Blick auf die Berufsgruppen in den Gewerkschaften ändert sich dieses Verhältnis nicht.

Bezüglich der Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage zeigte sich, dass es bei den AfD-Wählern eine größere Unzufriedenheit gab, in Brandenburg meinten dies 39 Prozent gegenüber 21 Prozent Zufriedenen, in Sachsen 45 Prozent gegenüber 24 Prozent.

Anders verhielt es sich auch hier bei den Grünen-Wählern: In Brandenburg waren elf Prozent zufrieden und acht Prozent unzufrieden, in Sachsen waren neun Prozent zufrieden und sechs Prozent unzufrieden. Diese Daten erklären sich wohl auch durch die beruflichen Schwerpunkte der Grünen-Wähler. Eine andere Gewichtung gab es indessen nur bei den Wählern der Partei "Die Linke". Insgesamt zeigen diese Angaben auch, dass hier Unzufriedene nicht durchgängig die AfD wählen, ganz im Gegenteil war dies in der Gesamtschau sogar eher nur eine Minderheit.

Beachtenswert ist auch noch, woher die Stimmen kamen bzw. wofür die AfD-Wähler zuvor votierten. Die meisten Stimmen erhielt man jeweils von früheren Nicht-Wählern, in Brandenburg waren es 197.000, in Sachsen 241.000. Dann kamen von der CDU 28.000 bzw. 81.000, von Die Linke 11.000 bzw. 26.000, von der SPD 12.000 bzw. 10.000 und von den Grünen jeweils 2.000 Stimmen.

Auch die Grünen konnten viele Stimmen von früheren Nicht-Wählern für sich verbuchen, in Brandenburg waren es 21.000, in Sachsen 30.000. Dann kamen von "Die Linke" jeweils 12.000, von der SPD 8.000 bzw. 13.000 und von der CDU 7.000 bzw. 4.000. An die AfD verlor man jeweils 2.000 Stimmen.

Insgesamt machen die Daten im Vergleich deutlich, dass die AfD in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen als Wahlpartei mittlerweile verankert ist. So wählten etwa auch in der Gruppe der höher Gebildeten über 15 Prozent die AfD oder auch bei den Frauen über 15 Prozent. Demnach kann eine entsprechend breite soziale Verankerung konstatiert werden.

Auffällig ist darüber hinaus, dass sowohl bestimmte Berufsgruppen und soziale Einstellungen überdurchschnittlich stark vorhanden sind. Es geht um die Arbeiter und Arbeitslosen und die Befragten, die ihre eigene wirtschaftliche Situation schlecht einschätzen. Demnach kommt diesen Besonderheiten für die Wahlentscheidung ein hoher Stellenwert zu. Aber auch hier gilt es, monokausale Deutungen zu vermeiden. Weit über 50 Prozent der Arbeiter und Arbeitslosen haben eben nicht die AfD gewählt.

Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Hochburgen zeigt sich darüber hinaus, dass die AfD weniger in den Großstädten und mehr im Ländlichen ihre Stimmen erhielt. Je abgelegener die Gegend, desto höher die AfD-Zustimmung. Kombiniert man diese Erkenntnis mit den Angaben zu den Berufsgruppen und der Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage, dann werden gegenüber der Politik hier soziale Unmutspotentiale deutlich.

Insofern spielt eine solche Einstellung auch für die Wahlentscheidung zugunsten der AfD eine wichtige Rolle. Gleichwohl erklärt sie sich nicht nur mit einfachen Protestmotiven, gibt es doch auch eine inhaltliche Zustimmung. Da die kritikwürdigen Auffassungen der AfD über die Medien breit bekannt gemacht wurden, kann man ein Nicht-Wissen oder eine Nicht-Zustimmung nicht mehr unterstellen. Insofern erhält die AfD auch aus innerer Übereinstimmung ihre Wählerstimmen.

Die Grünen haben in Ostdeutschland zwar eindeutig zugelegt, ihre Ergebnisse können sie als Erfolge ansehen. Gleichwohl bewegen sie sich weit unter denen in westdeutschen Ländern, waren die ostdeutschen Länder doch für die Partei eben gerade keine Hochburgen. Das ist nach wie vor noch so. Gleichwohl gelang es, in Brandenburg ein Direktmandat und in Sachsen drei Direktmandate zu holen.

Blickt man auf die Hochburgen der Partei, so handelt es sich hierbei meist um Großstädte. Demgegenüber gingen im ländlichen Raum die Wählerstimmen eher zurück. Daher sind die Grünen nur in bestimmten sozialen Milieus stärker verankert, was in einem weitaus höheren Maße auch für die AfD gilt. Es handelt sich aber jeweils um genau entgegengesetzt ausgerichtete soziale Milieus.

Spitzt man die Erkenntnisse der Wahlforschung zu, dann ist der typische AfD-Wähler ein mittelalter Mann mit mittlerer formaler Bildung, der über seine private wirtschaftliche Situation enttäuscht ist und eher in einem ländlichen Raum lebt. Demgegenüber steht eine junge Frau mit formal hoher Bildung, die mit ihrer privaten wirtschaftlichen Situation eher zufrieden ist und eher in einem großstädtischen Raum lebt. Insofern unterscheiden sich nicht nur die beiden Parteien grundlegend voneinander, auch ihre Wählerschaft unterscheidet sich grundlegend voneinander.