Die US-Evangelikalen sind Impfmuffel

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Während Fachleute die Covid-19-Impfung als wirksamstes Mittel zur Eindämmung der Pandemie feiern und frisch Geimpfte Fotos vom Termin in den sozialen Medien teilen, erweisen sich Amerikas Evangelikale häufig als Impfmuffel. Laut einer Befragung im Februar sind sie die weltanschauliche Gruppe mit der geringsten Impfbreitschaft. Die größte Zustimmung zur Covid-Impfung zeigte sich unter Atheisten und Agnostikern.

Knapp die Hälfte der US-AmerikanerInnen, 49,1 Prozent (über 161 Millionen), haben mindestens eine Covid-Impfung erhalten, 38,9 Prozent sind vollständig geimpft (Stand 21. Mai 2021). Die Impfbreitschaft variiert in den verschiedenen weltanschaulichen Gruppen enorm, wie eine Befragung des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research im Februar zeigte.

Dabei gaben neun von zehn AtheistInnen an, dass sie entweder bereits geimpft seien oder sich bestimmt beziehungsweise wahrscheinlich impfen lassen würden. Unter den weißen Evangelikalen waren es dagegen nur 54 Prozent, damit sind sie die Gruppe mit der geringsten Impfbereitschaft. Von den Befragten mit agnostischer Einstellung äußerten sich 80 Prozent impfbereit, bei den Katholiken waren es 77 Prozent und bei den Schwarzen Protestanten 64 Prozent.

Die Anzahl der erwachsenen weißen Evangelikalen in den USA wird auf 41 Millionen geschätzt. Wie sehr deren Impfgegnerschaft den Kampf gegen das Virus erschwert, haben auch einige Wortführer aus den eigenen Reihen erkannt: "Wenn es uns nicht gelingt, eine bedeutende Anzahl von weißen Evangelikalen zur Vernunft zu bringen, wird die Pandemie erheblich länger andauern als notwendig", sagt etwa der Psychologe Jamie Aten, Chef des "Humanitarian Distaster Institute" am Wheaton College (Illinois).

Der bekannte Prediger Franklin Graham rief seine Anhänger auf Facebook eindringlich zur Impfung auf – mit einem Verweis auf die Bibel: "Jesus Christus würde sich dafür einsetzen, dass Menschen Impfstoffe und Medikamente anwenden, um Leiden zu lindern und Leben zu retten." Der nach eigenen Angaben zweimal gegen Covid geimpfte Graham hatte im Frühjahr letzten Jahres ein behelfsmäßiges Corona-Krankenhaus in New York eingerichtet.

Doch auch die Berufung auf den Gottessohn bewahrte den Prediger nicht vor einem veritablen Shitstorm. Die Kommentare decken das ganze Sammelsurium evangelikaler Feindbilder ab: eine krude Mischung von religiösen und moralischen Vorstellungen, befeuert von Verschwörungsglauben und tiefem Misstrauen gegenüber der Wissenschaft. Die Impfung sei satanisch oder stelle ein Gen-Experiment dar, heißt es dort. Andere KommentatorInnen warfen Graham Freimaurerei, "Globalismus" und nicht zuletzt "Mangel an Forschung, Weisheit und Einsicht unter Führung des Heiligen Geistes" vor.

Sowohl mit Fakten als auch religiösen Argumenten versucht eine andere Initiative, die Gläubigen von der Impfung zu überzeugen. Unter dem Titel "Christians & the Vaccine" hat die Glaubensgemeinschaft "Redeeming Babel" Videos und ein FAQ erstellt, um Bedenken zu zerstreuen. In kurzen Texten schildern sie, wie in so kurzer Zeit wirksame, sichere Impfstoffe entwickelt wurden, und widmen sich kurz dem hartnäckigen Mythos von den angeblichen Föten im Covid-Impfstoff. Und sie versichern, dass die Impfung nichts mit fehlendem Gottesvertrauen – für evangelikale Christen eine schwere Verfehlung – zu tun habe: "Das Vertrauen in die Impfung kann auch bedeuten, dass Gott den Wissenschaftlern, die die Impfung entwickelt haben, Weisheit und Einsicht schenkte."

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