"Demo für alle" in Wiesbaden fiel bescheiden aus

Am vergangenen Sonntag formierte sich in Wiesbaden die reaktionäre "Demo für alle", um gegen den neuen Lehrplan für Sexualerziehung der hessischen Landesregierung zu demonstrieren. Parolen wie "Gegen Genderwahn", "Frühsexualisierung sowie Indoktrination stoppen" sind einem noch bestens aus Baden-Württemberg in Erinnerung geblieben. Der Demonstrationszug kam allerdings aufgrund mehrerer Blockaden nicht weit.

Gegenüber der "Demo für alle" mit rund 750 Teilnehmenden stand das Bündnis "Ihr seid nicht alle", bestehend aus Gewerkschaften, queeren Organisationen und Parteien wie der SPD, Grüne & Linke, die rund 3.000 Teilnehmende stellte. Neben einer Hauptveranstaltung mit Ständen und Musikbeiträgen, gelang es vereinzelten autonomen Gruppen den Demonstrationszug zu blockieren. Dies führte dazu, dass die Demonstration nach nicht einmal einem Kilometer Fußmarsch wieder zurückgeleitet werden musste. Von Seiten der Organisatoren hieß es, man habe Angst um die Kinder, die bei der Demonstration mitliefen.

Beim Bündnis "Ihr seid nicht alle" ist man am Abend zufrieden: "Wir haben deutlich gemacht, dass in Wiesbaden eine reaktionäre Demonstration, an der sich auch Nazis beteiligt haben, nicht widerspruchslos hingenommen wird", sagt Sascha Schmidt, DGB-Kreisvorsitzender von Wiesbaden. Manuel Wüst vom Verein "Warmes Wiesbaden" ist "glücklich, dass wir gezeigt haben, dass die breite Gesellschaft für Akzeptanz und Vielfalt steht."

Gegendemo
Foto: © Paul Hilger

Doch trotz des Erfolgs der Gegenbewegung "Ihr seid nicht alle" müssen einige überraschende Beobachtungen genauer untersucht und entsprechende Schlüsse gezogen werden. Laut Berichten der Frankfurter Rundschau fand sich nämlich bei der "Demo für alle" eine ungewöhnliche Allianz zusammen. Dazu zählten nicht nur ältere Damen und Herren mit Bibelversen, sondern auch muslimische Frauen, sowie zwei Dutzend Neonazis. Bereits im Vorfeld sorgte der Bischof von Fulda Heinz Josef Algermissen für Empörung, als dieser der Demonstration seinen Segen erteilte.

Dies ist nicht nur ein allzu deutlicher Hinweis dafür, wie weit menschenfeindliches Gedankengut die bürgerliche Mitte erreicht hat. Dieser Befund macht ebenso darauf aufmerksam, dass Homophobie in anderen kulturellen und religiösen Kreisen bestens präsent ist. Genau wie das Christentum bietet auch der Islam viele Spielräume zur Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, was in der öffentlichen Diskussion unbedingt berücksichtigt werden muss. Gleichwohl darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass auch auf der anderen Veranstaltung verschiedene Konfessionen teilnahmen und sich gegen jedweder Form von religiösem Fundamentalismus stellten.

Fest steht, dass die Angehörigen der "Demo für alle" nicht als weitgehend homogene Masse betrachtet werden darf. Dementsprechend müssen auch dazu klare Antworten erfolgen. Es handelt sich eben nicht nur um Menschen, die den mühsam erarbeiteten gesellschaftlichen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte vollkommen verpasst haben. Darunter befinden sich nicht wenige Menschen, die aus tief religiösen Motiven handeln und dabei nicht davor scheuen mit antidemokratischen Kräften gemeinsam zu spazieren. Religiöse Institutionen jedweder Coleur können nicht glaubwürdig von sich behaupten menschenfreundlich zu sein, wenn sie gleichzeitig solche Aktionen kommentarlos gewähren lassen.