Wie funktioniert das "System Scientology"? Die preisgekrönte HBO-Dokumentation des Oscarpreisträgers Alex Gibney liefert eine erhellende Historie der selbsternannten Kirche mit zahlreichen Innenansichten von ehemaligen hochrangigen Scientologen. Seit Mitte Mai ist "Scientology – Ein Glaubensgefängnis" als DVD erhältlich.
"Haben Sie ein Geheimnis und fürchten Sie, dass ich es herausfinde?" Das ist eine der Fragen, mit denen L. Ron Hubbard – meist nur als LRH bezeichnet – seine ersten Opfer in seinen Bann gezogen hat. Denn natürlich hatten alle Angst, er könnte ihr Geheimnis herausfinden. Genau darin liegt ja der Sinn der von Hubbard erfundenen dianetischen Analysen, die bis heute bei Scientology-Einsteigern angewandt werden. Die von Aussteigern als Gehirnwäsche beschriebenen Befragungen inklusive Auswertung vermeintlicher elektromagnetischer Schwingungen sind der Grundstein des fatalen Abhängigkeitsverhältnisses, in das die Adepten der Organisation jene, die sie ködern sollen, hineinziehen.
Nach der Befragung folgen kostenintensive Reinigungsseminare, bei denen die angehenden Scientologen die Grundlagen erwerben sollen, um sich von den fremden Geistern zu befreien, die sie zur Geburt bevölkern. Wenn sie innerhalb der Organisation mehrere zehn- bis hunderttausend Dollar für ihre innere Reinigung ausgegeben haben, werden sie von Scientology im besten Fall zu idealen, "reinen" Menschen erklärt. Dann erst beginnt die mehrstufige Ausbildung zum "Operating Thetan", einem sphärischen Wesen, dessen Existenz die notwendige Grundlage für die Erneuerung der Welt nach Scientologentheorie darstellt. Von der Welt- und Schöpfungstheorie, die all dem zugrunde liegt, erfährt man erst, wenn man längst fest in den Händen der Sekte ist.
Wenn man einen Scientologen fragt, woran er glaube, dann falle die Antwort meist eher kleinmütig aus, so erklärt der Schauspieler und ehemalige Scientologe Jason Beghe in Alex Gibneys Dokumentation. Denn anfangs könnten sie das meist gar nicht sagen. Mit der religiösen Weltanschauung der von den einen als Religionsgemeinschaft, von anderen als Sekte bezeichneten milliardenschweren Organisation werden Scientologen erst nach Jahren oder Jahrzehnten kontaktiert. Was die These von Gibneys Dokumentarfilm aus dem Jahr 2015 stützt, dass es sich bei Scientology nie um eine religiöse Organisation, sondern um ein Mittel der Bereicherung und Machtausübung einiger weniger handele.
"Um Scientology zu begreifen, muss man LRH begreifen", heißt es zu Beginn von Alex Gibneys preisgekrönter HBO-Dokumentation über das "Glaubensgefängnis" Scientology, die gerade in deutscher Synchronisation auf DVD erschienen ist. Entsprechend erzählt dieser Film chronologisch die Erfindung der Organisation durch den ehemaligen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard. Seine Autorschaft spielt durchaus eine große Rolle bei der Gründung von Scientology, denn Hubbard hält den Guinness-Rekord der zu Lebzeiten veröffentlichten Bücher. Über eintausend Pamphlete hat er bis zu seinem Tod 1986 als Printprodukte herausgegeben, durch die Anerkennung von Scientology als Religionsgemeinschaft können selbst seine Science-Fiction-Romane steuerfrei von der Organisation vertrieben werden. Vor allem in den Gründungsjahren neben den kostenintensiven Selbstreinigungsseminaren mit E-Meter eine zentrale Einnahmequelle.
Hubbard trieb mit diesen Maßnahmen so viele Millionen ein, dass er zwischenzeitlich vor den Steuerbehörden auf im Mittelmeer kreuzende Schiffe floh und erst in den siebziger Jahren heimlich in die USA zurückkam. Dort tauchte er bis zum Ende seines Lebens in den Scientology-Häusern unter. Was Gibney hier vor allem zeigt, ist eine charismatische Un-Person, wie man sie gegenwärtig in Donald Trump wiederfindet ein Mensch, der mit breitem Lächeln offensichtliche Unwahrheiten verbreitet und sich dabei am besten selbst gefällt. Die Ähnlichkeit dieser beiden Figuren ist frappierend, so dass die Frage im Grunde auf der Hand liegt, ob Donald Trumps egozentrische Politik nicht eher eine krude Weltanschauung ist, mit der er den einfachen Amerikanern wie einst L. Ron Hubbard den Kopf verdreht hat. Eine Frage, die zu verfolgen sich lohnt.
Aber zurück zum Film und der Geschichte von Scientology. Die Steuerbehörden kippten in den siebziger Jahren die Gemeinnützigkeit der Organisation und forderten eine Steuernachzahlung in Milliardenhöhe. Erst ein von Scientology und seinen Mitgliedern inszenierter Klageterror, führte zur Anerkennung Scientologys als Religionsgemeinschaft und damit zu ihrer Steuerbefreiung. Die Schilderung dieser entscheidenden Phase auf dem Weg zu einer milliardenschweren Sekte ist neben der Darstellung der permanenten Ausübung von Einschüchterung und Druck einer der interessantesten Aspekte in Gibneys Film, weil er sichtbar macht, wie eine Organisation ihre indoktrinierte Masse für die eigenen Zwecke einsetzt. Die amerikanische Steuerbehörde wurde damals mit über 2.400 Einzelklagen mit Bezug auf Scientology überzogen, um sie zum Einknicken zu bringen. In den Verhandlungen teilten die Anwälte der inzwischen von David Miscavige geführten Organisation mit, dass dieses Klagedauerfeuer aufhöre, wenn die Behörde ihre Forderungen fallenlasse und die Organisation als von sämtlichen Steuern befreite Religionsgemeinschaft anerkenne. Die überlastete Behörde gab schließlich nach und verzichtete auf ihre Nachforderungen gegenüber Scientology. Dreistigkeit, Indoktrination, Instrumentalisierung und öffentlicher Druck sind die Grundzutaten des frühen Erfolgs von Scientology.
Gibney erzählt mit zahlreichen Insidern dann den weiteren Aufstieg der Organisation zu einer kapitalistischen Wirtschaftssekte, die unter David Miscavige aus ihren Mitgliedern noch den letzten Groschen herauspresst. Zentral ist dabei die sogenannte "Sea Organization", die treuen, die Hubbard auf dem Mittelmeer zur Seite standen. Ihre Mitglieder stellen einen Großteil des Klerus der späteren Organisationshierarchie, wurden im Interesse von Hubbard und seines Nachfolgers aber auch ausgebeutet.
Unter dem Slogan "High werden ohne Drogen" erhält die Organisation Ende der siebziger einigen prominenten Zulauf. Leonard Cohen und John Travolta schließen sich etwa der Organisation an. Travolta wird viele Jahre eines ihrer prominentesten Gesichter in der Öffentlichkeit sein, bis ein gewisser Tom Cruise zum wichtigsten öffentlichen Scientologen wird, der sogar seine Ehe mit Nicole Kidman für die Sektenorganisation opfert. Cruise bleibt selbst dann noch der Organisation treu, als Misshandlungsklagen von Aussteigern – auch hochrangigen – öffentlich werden. Einige von diesen ehemaligen Spitzenfunktionären, die Misshandlungen erlebt oder gesehen haben, kommen in Gibneys Dokumentation zu Wort. Kritisch zu bewerten ist, dass Gibney Figuren wie Marty Rathburn, der zwanzig Jahre lang als rechte Hand von Miscavige agierte, zwar kritisch über die Organisation reden lässt, aber im Dunkeln lässt, dass sich Rathburn von ihrer Weltanschauung bis heute nicht wirklich gelöst haben. Er zeigt aber am Beispiel des Autors Paul Haggis oder des Schauspielers Jason Beghe, wie ganz normale Menschen in diesen Wahnsinn geraten und in dessen isolierter Parallelwirklichkeit leben konnten.
Alex Gibney: Scientology: Ein Glaubensgefängnis (Orig. Going Clear: Scientology and the Prison of Belief)
All die Zeugen, die er zu Wort kommen lässt, sind organisationsintern längst zu persona non grata, oder wie das bei Scientology heißt, zu "unterdrückerischen Personen" erklärt worden. Gibneys Film schließt mit Szenen, die zeigen, wie die Truppen der Organisation Aussteigern nachstellt und diese observiert. "Wir sehen alles, was ihr tut", lautet die Botschaft hinter diesen Counter-Attacken, die die Aussteiger und die Zweifler in einer Angststarre halten. Der amerikanische Filmemacher Alex Gibney löst diese Starre mit dieser Dokumentation ein wenig auf, die die Machenschaften von Scientology in den USA aufdeckt. Und auch wenn die Mitgliederzahlen der Organisation zurückgehen, das Vermögen der Organisation beläuft sich auf mehrere Milliarden, von denen in der Immobilienkrise mutmaßlich einige in feste Immobilien geflossen sind – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Diese Immobilien könnten bald schon zu neuen Sprungbrettern für die Expansion in Europa genutzt werden. Vor diesem Hintergrund ist Gibneys Film nicht nur höchst aktuell, sondern sollte als Bildungs- und Aufklärungsmaterial eine möglichst hohe Zuschauerzahl erhalten.
12 Kommentare
Kommentare
Sabine Stettler am Permanenter Link
Beim Thema Scientology und Sekten im Allgemeinen kommt man nicht umhin, auf folgende Webseite zu verweisen: www.destruktive-gruppen-erkennen.com
Auch wenn Scientology nur ein Randerscheinung ist, so ist es dennoch wichtig sich im Vorhinein darüber zu informieren, sich gegen Anwerbung zu wappnen, nicht erst, wenn jemand betroffen ist, denn Scientology hat Auswirkungen auf das ganze Familiensystem.
Rafael am Permanenter Link
Bald werden wieder die OSA-Schergen hier aufschlagen, und die Doku samt allen Beteiligten mit Schmutz bewerfen (Hasser, verbittert, vom eigen Versagen abzulenken, nach Aufmerksamkeit suche, etc.) Bei ""Scie
Nick am Permanenter Link
"Bald werden wieder die OSA-Schergen hier aufschlagen..." 12:26 geschrieben und 13:41 wird die Vorhersage wahr. :-(
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, schon auffällig. Aber eigtl. nicht anders als bei den etablierten Groß-Sekten; es sind nur partikuläre Unterschiede.
Frank Busch am Permanenter Link
Wie schon der deutsche Titel “Scientology – ein Glaubensgefängnis” besagt, geht es hier leider nicht um seriöse und ausgewogene Aufklärung oder um einen Dokumentarfilm.
Die Macher dieser “Doku” und die Aussteiger eint wohl ein gemeinsames Ziel: Profit mit dem Namen Scientology zu machen.
Apostaten (Aussteiger), die auch in dieser “Doku” fast ausschließlich zu Wort kommen, sprechen niemals gut über das, wovon sie ausgetreten sind. Religionswissenschaftler warnen vor diesen einseitigen Informationsquellen.
Kein einziger aktiver Scientologe kam in dem Film zu Wort, obwohl die Kirche in den USA dem Regisseur Alex Gibney viele Angebote für Interviews gemacht hat, die auf der Website www.freedommag.org/HBO dokumentiert sind. Er hat sich nicht einmal der Mühe gemacht zu antworten.
Viele TV-Stationen haben davon abgesehen, die Hetze gegen Scientology überhaupt auszustrahlen, nachdem sie sich mit den Hintergründen vertraut gemacht hatten.
Hier nur ein Beispiel. Paul Haggis: Bis zu seinem Austritt wusste kaum jemand, dass er Mitglied bei Scientology gewesen ist. Aller höchstens kann man sagen, dass er über Jahrzehnte passives Mitglied war, denn im Jahre 1979 hat er seinen letzten größeren Auditing Schritt gemacht und bis zu seinem Austritt hat er über Jahre hinweg keine Scientology Kirche betreten.
Es gibt seit einiger Zeit eine Website über den Religionscharakter von Scientology, auf der auch zahlreiche Video-Statements von Religionswissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten eingestellt sind: www.scientologyreligion.org
Auf der Website www.scientologynews.org werden die 50 weltweiten neuen Kircheneröffnungen der letzten 10 Jahre gezeigt und es sprechen Bürgermeister, Stadträte, Polizeibeamte, Religionsführer usw. über die Hilfe, die unsere Kirche, und ihre Mitglieder der Gesellschaft in ihrem Land gegeben haben.
Von all diesen Dingen erfährt man in der “Doku” leider nichts.
Scientology ist eine junge Religion. Sie ist neu. Sie wächst rasant. Sie hilft Menschen. Sie hat Lösungen für viele Probleme der Welt. Sie verdient eine faire Berichterstattung.
Stefan am Permanenter Link
Brav reinkopiert diesen Text Hr. Busch, Pressesprecher von Scientology Hamburg ...
Antony am Permanenter Link
> Religionswissenschaftler warnen vor diesen einseitigen Informationsquellen.
Quelle?
Kay Krause am Permanenter Link
Geehrter Herr Busch!
Gestatten Sie eine kleine Korrektur (nennen Sie es auch gerne Aufklärung):
Zum zweiten kann ich Ihnen nur wünschen, dass auch Sie wie vor Ihnen schon viele andere (egal ob prominent oder nicht) eines Tages aufwachen und sich von diesem "sauberen"(?) Verein distanzieren. Und damit Sie nicht behaupten können, auch ich würde zu den unfairen Betrachtern und Kritikern Ihrer "Kirche" (hahaha) gehören, hier eine für Sie beruhigende Anmerkung: Mit der rigorosen Ausbeutung von Einzelpersonen und Staat steht Ihre "Kirche" nicht allein. Sie reiht sich perfekt durchdacht ein in die Machenschaften der traditionellen Organisationen (Vereine, Firmen, Konzerne) der sogenannten Vertreter Gottes auf Erden. Auch bei Scientology geht es nur um Gewinn und Macht, ein wie auch immer gearteter religiöser Glaube wird lediglich vorgeschoben, ist Mittel zum Zweck! Ihr Verein hat sich lediglich eine neue - erfolgreiche! - Methode erdacht. Herzlichen Glückwunsch!
Karol am Permanenter Link
Religionen sind grundsätzlich nicht dazu geeignet die Probleme dieser Welt zu lösen. Religionen gehören zu den Hauptproblemen dieser Welt.
Kay Krause am Permanenter Link
Anmerkungen:
1.) Auch bei den traditionellen religiösen Konzernen (genannt "Kirchen) handelt es sich
2.) Auch was die Steuerzahlungs-Moral betrifft, steht die Firma "Scientology" den traditionellen Religions-Konzernen in nichts nach. Die katholische wie auch die protestantische Kirche zahlen als "Organisationen des öffentlichen Rechts" keine Steuern für ihre Millionen-Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ihres für sie selbst mittlerweile unübersehbaren Immobilienbesitzes. Im Gegenteil: zusätzlich bekommen diese Firmen jährlich noch Milliardenbeträge aus Steuergeldern in den stets offenen Rachen gestopft!
3.) Und wenn Herr Hubbard auf einen Dampfer im Mittelmeer flüchtet, um den Steuerbehörden zu entgehen, so ist auch hier ein Vergleich gegeben mit Bischöfen und anderen Mitgliedern des herkömmlichen Klerus, die sich an der Kirchen-Gemeindekasse vergriffen haben mit Millionenbeträgen für Bordelle, gefüllte Weinkeller, goldene Wasserhähne und einen luxuriösen Lebensstil. Die sexuelle Benutzung von kleinen Mädchen und Buben wollen wir hier nicht aufzählen, denn die ist in der Regel kostenlos und insofern wird auch kein finanzieller Schaden damit angerichtet. Auch diesen "sauberen" Herren wird ein Asyl im Mittelmeer gewährt, und zwar im Vatikan, wo der Papst schützend seine segnende Hand über sie hält!
4.) Und wenn man wie die hier beschriebenen Religionsfirmen Milliardenbeträge einnimmt, dann kann man leicht ein paar Millionen für soziale Zwecke ausgeben. Es tut nicht weh, und in den Medien wird man auch noch gelobt dafür!
little Louis am Permanenter Link
EZW verglich 2008 Schmid- Salomon mit Tom Cruise
Man kann nun spekulieren, zu welchen Ergebnissssen diese Forderung angesichts der Entwicklung des E.H. in den Folgejahren geführt hat. Zumindest diesem Portal scheint der Verfassungsschutz (wenn vielleicht auch indirekt) ja durchaus etwas näher gekommen zu sein. (-; (-:
Bezug: hpd: "Wer ist Igel,wer ist Hase ? (Teil 1 und 2)"
http://hpd.de/node/5128
K.F. am Permanenter Link
Den Scientology-Gründer mit Trump auf eine Stufe zu stellen, ist wohl das Ergebnis ganz schlechter Recherche.