Aberglaube

Von Elfenbeauftragten und Fahrzeugsegnungen

Als jüngst bekannt wurde, dass eine Elfenbeauftragte die Unfallgefahr auf der A2 eindämmen soll, reichten die medialen Reaktionen – zu Recht – von Irritation bis Gelächter. Doch auch im Christentum findet regelmäßig ähnlicher Zauber statt, über den die Medien jedoch ernsthaft berichten.

Großes Kopfschütteln löste in den vergangenen Tagen eine mit staatlicher Unterstützung durchgeführte spirituelle Aktion einer "Elfenbeauftragten" und einer "Tierkommunikatorin" aus, die mit Beschwörungen und Kontaktaufnahmen zu Geistern, Elfen und Trollen eine Unfallserie auf der A2 in Niedersachsen beenden sollte (der hpd berichtete). Als Vorbild wurde Island genannt, wo es vermeintlich auch eine "Elfenbeauftragte" geben soll, die beim Straßenbau darauf achtet, dass Naturgeister nicht gestört würden.

Bei näherem Betrachten kann man aber feststellen, dass der Ausdruck "Elfenbeauftragte" in Island nur die sensationsgierige Erfindung eines Journalisten ist. Tatsächlich geht es in dem skandinavischen Land nur um die Erhaltung von Kulturgütern, bei der man Felsen und andere Orte, die in der isländischen Sagenwelt vorkommen, vor der Zerstörung schützen will.

Ganz im Gegensatz dazu muss man leider feststellen, dass pseudo-spirituelle Handlungen wie in diesem skurrilen Fall hier in Deutschland gar nicht so selten vorkommen, wie man es sich eigentlich denkt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass man es kaum bemerkt oder sich bereits daran gewöhnt hat, da solche Aktionen nicht – wie im genannten Fall – von einer untergegangenen vorchristlichen Religion getragen werden, sondern alltäglicher Hokuspokus vor allem der katholischen Kirche sind.

So gibt es von katholischen Priestern und Diakonen regelmäßig sogenannte Fahrzeugsegnungen, bei denen Segenssprüche aus dem "Benediktionale" – sozusagen ein Nachschlagewerk für Segenssprüche – ausgesprochen werden und Weihwasser, Weihrauch u. a. auf das Segensobjekt geschwenkt werden. Um solchen Bittgesuchen Nachdruck zu verleihen, wird zudem ein eigens für solche Segnungen in Anspruch zu nehmender Schutzpatron bemüht, der heilige Christopherus.

So fand zum Beispiel im Mai, parallel zum Münsteraner Katholikentag, im benachbarten Havixbeck eine Segnung von Fahrrädern, Rollern, Rollatoren, Treckern, Motorrädern und Autos statt. "Was wir hier tun, ist keine Bagatellsache. Wir feiern hier einen Wortgottesdienst zur Segnung der Fahrzeuge und Besitzer", wird der emeritierte Pfarrer Wöstmann in der Lokalzeitung Westfälische Nachrichten zitiert. Und weiter: "Er wolle ihnen auch etwas Gutes sagen und um Gottes Gnade für sie bitten, sodass alle auch immer wieder gut und gesund nach Hause zurückkommen."

Man könnte vielleicht meinen, dies sei ein Beispiel eines schon reichlich weltfremden, betagten Geistlichen, doch man kann in katholischen Gegenden eine Unzahl solcher Fahrzeugsegnungen feststellen. Und damit nicht genug: Wer sich in der Kommunalpolitik einer katholisch geprägten Stadt wie dem westfälischen Münster auskennt, wird feststellen, dass es nahezu keine Einweihung eines öffentlichen Gebäudes oder einer Straße gibt, bei der nicht auf Einladung der städtischen Verwaltung und unter Mitwirkung städtischer Bediensteter und der örtlichen Politik katholische Geistliche Gebete sprechen und Segnungen erteilen, um Unheil abzuwenden – wobei kräftig vom Weihwassersprenger Gebrauch gemacht wird. Bei der Einweihung des Münsteraner Hauptbahnhofs im vergangenen Jahr war – den anderen prominenten Gästen angemessen – sogar der Münsteraner Bischof derjenige, der das Gebäude vor den Unbilden des Schicksals segnen durfte.

Man kann sich also zu Recht fragen, worin der Unterschied zwischen den Kontaktaufnahmeversuchen und "energetischen Versiegelungen" der Anhänger einer Naturreligion und den Gebeten und Segnungen der Anhänger einer etablierten Religion besteht? Der einzige Unterschied scheint die Anzahl der derzeitigen Anhänger der jeweiligen Religion zu sein. Beides ist und bleibt aber absurder Aberglaube und sollte im 21. Jahrhundert längst überwunden sein.


Anmerkung der Redaktion:

Nicht-katholische Reisende haben im Hauptbahnhof von Münster nichts mehr zu befürchten. Nach der katholischen Segnung durch Bischof Genn im Jahr 2017 erfolgte während des Ketzertags Münster eine pastafarianische Nachsegnung des Bahnhofsgebäudes durch Bruder Spaghettus, den Ehrenvorsitzenden der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland. Der Redaktion wurde versichert, dass sich der pastafarianische Segen auf alle Menschen erstreckt, auf Gläubige jeglicher Couleur ebenso wie auf gemäßigte oder streng Nicht-Gläubige.