Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" in Frankfurt

"Nützliche Idioten des politischen Islam"

Liberale MuslimInnen sind entsetzt über die Frankfurter Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions", die die Verhüllung von Frauen feiert. Hier ihre Stimmen. (Ex-)MuslimInnen von Lale Akgün bis Abdel-Hakim Ourghi werfen den Ausstellungsmachern "Naivität" und "Anbiederung an den politischen Islam" vor.

Am 4. April eröffnet die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst. Sie präsentiert die Verhüllung von Frauen als hippen Trend und Hijab und Abaya als coole Modeaccessoires (EMMA berichtete). Die Initiative "Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung" protestierten bereits mit einem Offenen Brief. Jetzt melden sich Islamwissenschaftler und MenschenrechtsaktivistInnen aus dem muslimischen Kulturkreis zu Wort:

Ali Ertan Toprak, Sprecher der Initiative Säkularer Islam und Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD)
"JEDE Art von geförderter Verschleierung der Frau ist eine Unterdrückung und Herabsetzung. Der Versuch, die Uniformen der Unterdrückung als Mode darzustellen und ihr mit Verständnis zu begegnen, zeigt nur eine westliche und sehr naive Sicht auf die Dinge. Unendlich viele vor allem linksliberale westliche Politiker, Aktivisten, Medien- und Kunstschaffende verharmlosen mit ihrem Kulturrelativismus den Islamismus; und viele Frauen, die sich als Feministinnen bezeichnen, verkaufen uns den Hijab als Symbol der Befreiung und die Scharia als verfassungskompatible alternative Rechtsordnung, während Alice Schwarzer und Terre des Femmes als ‚Rechte‘ diffamiert werden. Damit machen sich all diese angeblich progressiven Kräfte im Westen zu nützlichen Idioten des politischen Islam und verraten damit alle Ideale der Aufklärung und vor allem die progressiven Frauen in der islamischen Welt."

Lale Akgün, ehem. SPD-Integrationsbeauftrage und Mitglied im Liberal-Islamischen Bund
"Es gibt keine sittsame Mode, die zu tragen für Musliminnen eine Pflicht ist. Nein! Das Kopftuch ist kein Zeichen der Vielfalt. Wer diese frauenfeindlichen Konstruktionen der Islamisten für bare Münze nimmt und in Wort und Bild transportiert, versündigt sich an den muslimischen Frauen. Ich möchte schreien angesichts der Naivität, mit der in unserem Land Diversity mit der Bedeckung der Frau gleichgesetzt wird. Die Ernst Max von Grunelius-Stiftung, das Bankhaus Metzler und die Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die die Ausstellung fördern, hätten das Geld lieber für fortschrittliche Frauenprojekte ausgeben sollen statt für so einen Unsinn wie diese Ausstellung."

Kacem El Ghazzali, Publizist und wissenschaftlicher Leiter der Raif-Badawi-Stiftung für Freiheit
"Was für eine Schande! Während muslimische Frauen ihr Leben riskieren, um sich vom islamischen Schleier zu befreien, versuchen einige Kulturrelativisten, diese Symbole der Unterdrückung im Namen der Vielfalt zu verteidigen. Mal im Einklang mit den Interessen von Unternehmen wie Nike und H&M, deren Marketingkampagnen dazu neigen, diese Symbole des politischen Islam zu normalisieren; mal im Namen der Kunst, wie diese Veranstaltung hier zeigt, die bewusst versucht, das Leiden von Millionen von Frauen in der muslimischen Welt zu übersehen und zugleich deren Werkzeuge der Unterdrückung zu mainstreamen."

Seyran Ates, Rechtsanwältin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe-Moschee in Berlin
"Dem Verbraucher wird weisgemacht, dass es sich bei der Verhüllung der muslimischen Frauen um Facetten individueller, kultureller und religiöser Identität handele. Darüber hinaus wird behauptet, dass mit all diesen schönen modischen Verhüllungen die Vielfalt der Positionen in der muslimischen Welt gezeigt würde. Wo sind dann bitteschön die Millionen von Frauen und Kinder vertreten, die unter das Kopftuch gezwungen, unter dem Kopftuch gelitten und es abgelegt oder nie angelegt haben? Die Veranstalter einer solchen Messe und Ausstellung sind verlogene Handlanger von Frauenunterdrückung und der Wirtschaft. Sie verkaufen sich für viel Geld an die Textilindustrie und Islamisten, die am liebsten alle Frauen dieser Welt verhüllen würden. Ein Religionskrieg über dem Kopf und den Haaren der Frauen, geführt von Islamisten, durch Unterstützung sogenannter liberaler Westler, die sich aufgemacht haben, die Kopftuch tragende Frau vor dem bösen Westen zu schützen. Den Linken würde ich es abnehmen, wenn sie gleichzeitig für die Rückkehr des Damensattels und der Bademode der 30er im Westen kämpfen und zudem aufhören würden, für sich selbst immer mehr Gleichberechtigung zu fordern."

Abdel-Hakim Ourghi, Islamwissenschaftler und Autor von "Ihr müsst kein Kopftuch tragen!"
"Die Verschleierung ist eine Erscheinungsform des politisch-konservativen Islam. Durch solche Veranstaltungen fallen die Betreiber sämtlichen muslimischen Frauen, die in den muslimischen Ländern und im Westen gegen den Zwang der Verschleierung kämpfen, in den Rücken. Eine solche Ausstellung von angeblichen toleranten Menschen ist keine Hilfe für all diejenigen Muslime, die es wagen, öffentlich vor den Gefahren des politischen Islam zu warnen und theologische Reformen für die Freiheit von muslimischen Frauen zu fordern. Dass die Körperbedeckung eher ein historisch-soziales Phänomen ist, das die männliche Herrschaft im Namen des politischen Islam grundlegend unterstützt, scheint die verantwortlichen solcher Ausstellungen wenig zu interessieren. Mit ihrer 'Folklore des Halbwissens' ziehen sie nicht einmal in Betracht, dass die Kopfbedeckung ein männliches Herrschaftssymbol ist, und eben nicht mit dem Einverständnis aller Frauen durchgesetzt wird. Viele der muslimischen Frauen – und besonders diejenigen, die sich bereits den herkömmlichen Rollenvorstellungen unterworfen haben – werden zu Mittäterinnen, die ihre eigenen Töchter zur Verschleierung bewegen. Zu diesen Frauen gehören selbstverständlich auch die Modedesignerinnen, die Verschleierung zu einer Industrie machen wollen. Sie unterstützen damit die Macht der männlichen Herrschaft im Namen des politischen Islam."

Naïla Chikhi, Terre des Femmes
"‘Contemporary Muslim Fashions‘ will eine ‚selbstbewusste islamische Identität‘ propagieren. Bei mir als Frau mit muslimisch geprägter Identität erzeugt die Ausstellung eher Empörung und Trauer. Denn wenn Mode-DesignerInnen die Symbole der Unterdrückung der muslimischen Frau als Marktlücke betrachten, empfinde ich das als offensichtlichen Sexismus und Rassismus. Mit der Ausstellung biedern sich wohlmeinende westliche Gruppen an frauenverachtende politische Strömungen einer Religion an. Unreflektiert dienen sie der islamistischen Botschaft, die nur die verschleierte Frau als sittsam darstellt. Zudem präsentieren sie das Kopftuch als cooles oder kostbares Accessoire. Aber ein Halseisen bleibt ein Halseisen, auch wenn es mit Perlen verziert ist. Jedesmal wenn eine Person, die ihre universellen Grundrechte genießt, diese Ausstellung betritt, liefert sie eine Frau, die unter großen Gefahren gegen das Kopftuch kämpft, dem politischen Islam aus. Jedes Mal verdunkelt sich der Ausweg eines Mädchens, das dieses Tuch der Scham nicht tragen will."

Necla Kelek, Publizistin
"Die Ausstellung zeigt laut Ankündigungstext, ‚wie Kleidung zum Ausdruck der vielen Facetten individueller, religiöser und kultureller Identität‘ wird. Ich wusste bisher, dass die Burka (das schwarze mobile Frauengefängnis) für Judith Butler eine ‚Übung in Bescheidenheit‘ darstellt und einen ‚Schutz vor Scham‘ symbolisieren soll. Für mich aber ist islamische Verhüllung Ausdruck des Versuchs, die Frau als entsexualisiertes und entindividualisiertes Wesen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu entziehen und als Besitz des Mannes zu stigmatisieren. Frauen kämpfen weltweit mutig gegen das Kopftuch und gehen dafür – wie in Iran - hohe persönliche Risiken ein. Eine solche Ausstellung verhöhnt - weil sie das Thema entpolitisiert und im Butler'schen Sinne relativiert - die Frauen als Puppen, die ihren Kopf nur dazu haben, einen Schleier zu tragen."

Der Text erschien am 03.04.2019 bei emma.de. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der EMMA-Redaktion.