Max-Planck-Gesellschaft

Icarus startet erstes globales Forschungsprojekt

Mit dem satellitengestützten Icarus-System zur Tierbeobachtung wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das kollektive Wissen der Tiere auf der Erde erforschen. Das Kooperationsprojekt der Max-Planck-Gesellschaft, der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beginnt nach einer mehrmonatigen Testphase nun Mitte September mit dem ersten kontinentübergreifenden wissenschaftlichen Pilotprojekt. Dabei wollen die Icarus-Wissenschaftler mehrere tausend Amseln und Drosseln in Europa, Russland und Nordamerika mit kleinen Sendern auf ihren Rücken vom Weltraum aus begleiten.

Icarus hat Mitte März 2020 seinen Testbetrieb aufgenommen. Während der technischen Testphase wurde unter anderem die Kommunikation zwischen dem Icarus-System und den Tier-Sendern simuliert sowie die Signalstärke und Übertragungszeit der Antenne überprüft. Nachdem alle Tests erfolgreich absolviert sind, kann nun der wissenschaftliche Betrieb beginnen. "Die Datenübertragung vom Boden zur Internationalen Raumstation ISS funktioniert zehn bis 15-mal besser als gedacht", erklärt der Mit-Initiator und Leiter von Icarus, Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz/Radolfzell und Professor an der Universität Konstanz. "Nun können wir mit unseren Forschungsprojekten loslegen."

Herzstück von Icarus sind vier Gramm schwere Sender, die selbst auf kleinen Tieren wie Singvögeln angebracht werden können. Diese Messgeräte im Miniaturformat besitzen verschiedene Sensoren, die fortlaufend Verhaltens- und Gesundheitsdaten der Tiere erfassen. Auch Umweltbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Luftdruck können diese Sender aufzeichnen. Die Daten werden von einer Empfangsstation auf der ISS entschlüsselt und an die Bodenstation in Moskau übermittelt. Von dort laufen alle Daten in der Movebank zusammen, einer globalen Datenbank für Tierbewegungen.

Analyse des Zugverhaltens

Derzeit werden für eine Pilotstudie in Memmingen 5.000 Sender produziert. Die Icarus-Wissenschaftler wollen damit ab Anfang September Amseln und Drosseln in Europa, Russland und Nordamerika ausstatten und das Zugverhalten der Vögel und ihre Überlebensstrategien untersuchen. Weitere 16 wissenschaftliche Projekte russischer Forscher sollen in den kommenden Monaten an den Start gehen. Darüber hinaus wollen weltweit hunderte Forschergruppen mit Icarus weitere gemeinsame Studien starten.

Mit dieser neuen digitalen Technik lassen sich aber nicht nur biologische Fragen beantworten – zum Beispiel, wohin Flughunde in Afrika fliegen und wo sie dabei auf Ebola-Viren treffen; oder wo Meeresschildkröten ihre Jugendjahre verbringen und wo die meisten davon ums Leben kommen – Icarus könnte auch für die Übertragung anderer Technik- oder Umweltdaten wie Baumwachstum, Meeresströmungen oder Gletscherschmelze eingesetzt werden. Aus den kombinierten Informationen tausender Tiere entsteht eine Zusammenschau über das Leben auf der Erde, das sogenannte "Internet der Tiere".

Die Technik könnte aber auch unseren Alltag verändern. "Icarus schickt ohne Zutun des Menschen kleine Datenpakete überall auf der Welt hin und her – ähnlich wie es bei der immer weiter voranschreitenden Vernetzung von Alltagsgegenständen der Fall sein wird, dem sogenannten Internet der Dinge. Icarus stellt damit ein völlig neues digitales Kommunikationssystem dar", erklärt Martin Wikelski. Die Bedeutung von Icarus wurde auch durch die Auszeichnung im Rahmen des Wettbewerbs "Brücken für die deutsch-russische Hochschulzusammenarbeit" durch die Außenministerien beider Länder am 15. September in Berlin gewürdigt. (mpg)

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