Repräsentative Umfrage zum Weltkindertag am 20. September 2020

Große Mehrheit für Kinderrechte im Grundgesetz

Eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland (71 Prozent) ist der Meinung, dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden sollten, damit die Interessen von Kindern bei politischen Entscheidungen stärker als bisher berücksichtigt werden. 72 Prozent sind der Ansicht, dass die Interessen von Kindern in der Corona-Pandemie nur unzureichend berücksichtigt wurden und werden.

In Bezug auf die Bildungschancen von Kindern sind 76 Prozent der Befragten der Ansicht, dass diese aufgrund der Corona-Krise im Allgemeinen gesunken sind, in Bezug auf die Bildungschancen von Kindern aus armen Haushalten meinen das sogar 81 Prozent. Das sind zentrale Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Weltkindertag am kommenden Sonntag.

"Die Umfrage zeigt deutlich, dass die Bevölkerung in Deutschland hinter unserer Forderung steht, endlich Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Dazu sollte zügig ein Gesetzentwurf im Bundeskabinett verabschiedet werden und im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfinden, damit neben politischen Erwägungen auch die in den letzten Jahren erarbeiteten fachlichen Standards zu einer umfassenden Absicherung von Kinderrechten angemessen Berücksichtigung finden. Gerade die Verankerung des Kindeswohlvorrangs im Grundgesetz ist unabdingbar, damit beispielsweise Behörden und Gerichte den Interessen von Kindern in Zukunft bei der Rechtsdurchsetzung hinreichend Gewicht verleihen. Das bedeutet, dass die Interessen von Kindern bei allen sie betreffenden Entscheidungen mit besonderem Gewicht in die Abwägung einbezogen werden müssen. Zudem bestünde in diesem Fall eine besondere Begründungspflicht, wenn ausnahmsweise andere Rechtsgüter von Verfassungsrang dem Kindeswohl vorgehen", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Kinderrechte ins Grundgesetz

Eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland (71 Prozent) ist der Meinung, dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden sollten, damit die Interessen von Kindern bei politischen Entscheidungen stärker als bisher berücksichtigt werden. Frauen (77 Prozent) meinen häufiger als Männer (65 Prozent) und Befragte unter 45 Jahren (75 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 77 Prozent der 30- bis 44-Jährigen) häufiger als ältere Befragte (66 Prozent der 45- bis 59-Jährigen und 69 Prozent der über 60-Jährigen), dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden sollten. Auch Befragte mit einem höheren Haushaltsnettoeinkommen (74 Prozent) sowie Anhängerinnen und Anhänger der Grünen (86 Prozent), Linken und der SPD (jeweils 81 Prozent) meinen häufiger als Befragte mit geringem Einkommen (65 Prozent) und die Anhängerinnen und Anhänger anderer Parteien (CDU/CSU 70 Prozent, FDP 62 Prozent), dass die Interessen von Kindern bei politischen Entscheidungen durch eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz stärker berücksichtigt werden sollten. Insbesondere die Anhängerinnen und Anhänger der AfD (44 Prozent) meinen deutlich seltener als der Durchschnitt, dass die Rechte von Kindern ins Grundgesetz gehören. Ob im Haushalt Kinder leben oder nicht, hat kaum einen Einfluss auf diese Frage.

Kinderinteressen in der Corona-Krise

72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Interessen von Kindern im Rahmen der während der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen nicht so stark (58 Prozent) oder sogar gar nicht (14 Prozent) berücksichtigt wurden. Befragte aus Ostdeutschland (85 Prozent) meinen noch häufiger als west-deutsche Befragte (70 Prozent), dass die Interessen von Kindern in der Pandemie bislang nicht so stark beziehungsweise gar nicht berücksichtigt wurden und werden. Etwa ein Viertel (24 Prozent) meint, dass die Interessen von Kindern seit Beginn der Corona-Krise eher starke (21 Prozent) oder sogar sehr starke (3 Prozent) Berücksichtigung finden. Befragte unter 30 Jahren (34 Prozent), Anhängerinnen und Anhänger der CDU/CSU (37 Prozent) und Befragte mit einer formal niedrigen Bildung (36 Prozent) glauben häufiger als der Durchschnitt der Befragten, dass die Interessen von Kindern bei den ergriffenen Maßnahmen Berücksichtigung finden.

"Wir sehen an vielen Stellen, dass sich Politik und Verwaltungen bemühen, in der Corona-Pandemie den Kinderinteressen gerecht zu werden. Zugleich erleben wir aber auch eine grundlegende Geringschätzung gegenüber den Bedürfnissen von Kindern. Sie sind oftmals einfach nur Regelungsgegenstand von Politik. Hier zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: Wenn es um Entscheidungen mit Tragweite geht, werden die Interessen und die Meinungen der Kinder und Jugendlichen nicht berücksichtigt. Ihr Beteiligungsrecht an den politischen Entscheidungen wird derzeit vielfach schlichtweg übergangen", so Krüger weiter.

Auswirkungen der Corona-Krise auf Kinder

In Bezug auf die Bildungschancen von Kindern ist eine Mehrheit der Befragten (76 Prozent) der Ansicht, dass diese aufgrund der Corona-Krise im Allgemeinen etwas (55 Prozent) beziehungsweise sogar stark (21 Prozent) gesunken sind. 16 Prozent denken, dass die allgemeinen Bildungschancen in etwa gleich geblieben sind. Dass diese gestiegen sind, glauben nur sehr wenige Befragte (5 Prozent). In Bezug auf die Bildungschancen von sozial benachteiligten Kindern meinen sogar 81 Prozent, dass diese etwas (28 Prozent) beziehungsweise stark (53 Prozent) gesunken sind. Für 8 Prozent sind sie gleich geblieben und für 9 Prozent gestiegen.

Beim Thema Kinderarmut sind etwa zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) der Ansicht, dass diese während der Corona-Krise bislang etwas (43 Prozent) beziehungsweise sogar stark (21 Prozent) gestiegen ist. Für jeden Fünften (22 Prozent) verharrt die Kinderarmut auf dem Niveau wie vor der Pandemie. Dass die Kinderarmut während der Corona-Krise gesunken ist, denkt jeder zehnte Befragte (10 Prozent).

Am eindeutigsten sind die Aussagen zum Thema Gewalt gegen Kinder: Etwa acht von zehn Befragten (79 Prozent) sind überzeugt, dass im Rahmen der Corona-Pandemie Gewalt gegen Kinder etwas (50 Prozent) beziehungsweise stark (29 Prozent) gestiegen ist. Etwa jeder Zehnte (11 Prozent) meint, sie sei gleich geblieben. Dass Gewalt gegen Kinder in der Pandemie gesunken sei, meint fast keiner der Befragten (3 Prozent).

"Insbesondere Kinder mit besonderen Förderbedarfen dürfen jetzt nach Öffnung der Schulen nicht aus dem Blick verloren werden. Das betrifft etwa Kinder aus armen Familien, die oftmals nicht über die technische Ausstattung oder andere Lernunterstützungsmöglichkeiten verfügen. Nachholbedarfe müssen genau beobachtet und passgenaue, stigmatisierungsfreie Angebote zur Lernunterstützung gemacht werden. Zudem sollten weitere längerfristige Schulschließungen unter allen Umständen vermieden werden. Angesichts der Folgen der Corona-Krise ist damit zu rechnen, dass die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Familien weiter ansteigen wird. Es ist deshalb an der Zeit, die Bekämpfung der Kinderarmut strukturell und umfassend über eine Gesamtstrategie anzugehen. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk geht wie die Befragten davon aus, dass aufgrund der erhöhten Konflikt- und Stresssituationen in den Familien die Gewalt gegen Kinder in der Corona-Krise zugenommen hat, aufgrund fehlender Kontrollinstanzen wie Erziehern und Lehrerinnen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe, die ohnehin schon hohe Dunkelziffer weiter gestiegen ist. Die letzten Monate haben gezeigt wie wichtig Zugangswege für Kinder zu Hilfsangeboten sind. Deshalb müssen Angebote von Telefon-Hotlines und digitale Hilfeplattformen weiter gestärkt werden", so Krüger abschließend.

Für die repräsentative Umfrage zum Weltkindertag 2020 wurden vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes deutschlandweit 1.015 deutschsprachige Personen ab 18 Jahren befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- drei Prozentpunkten. Eine Zusammenfassung der Umfrage mit ausgewählten Grafiken findet sich unter www.dkhw.de/umfrage-weltkindertag2020.de.

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