Weil er im Religionsunterricht Mohammed-Karikaturen des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo gezeigt haben soll, wurde ein Gymnasiallehrer in der britischen Stadt Batley (Yorkshire) vom Dienst beurlaubt. Vorausgegangen waren Proteste von muslimischen Eltern und Würdenträgern. Angesichts der Ereignisse warnen säkulare Beobachter davor, religiösen Gruppen Eingriffe in den Schulunterricht zu gewähren.
In den sozialen Medien hatten Eltern die Entlassung der verantwortlichen Lehrperson gefordert und zu einem Protest vor der Schule am vergangenen Donnerstag aufgerufen. Einem Zeitungsbericht zufolge kamen 30 bis 40 Personen dem Aufruf nach, Fotos und Videos zeigen eine kleine Gruppe größtenteils männlicher Demonstranten. Der Lehrer und seine Familie wurden inzwischen zu ihrer Sicherheit an einen unbekannten Ort gebracht.
Inwieweit er in dem Konflikt auf die Unterstützung seines direkten Vorgesetzten zählen kann, ist fraglich. Statt sich auf die Seite seines Mitarbeiters zu stellen, bat Schulleiter Gary Kibble die protestierenden Eltern um Verzeihung für die nach seinen Worten "völlig unangemessene Verwendung" der Mohammed-Karikaturen im Unterricht. Sie besäßen das Potenzial, "Mitglieder unserer Schulgemeinschaft stark zu verletzen".
Eine Untersuchung soll nun ermitteln, ob im Religionsunterricht noch weiteres, in den Augen der Kritiker "unangemessenes Material" verwendet wurde. Damit entspricht die Schulleitung einer Forderung von Mufti Mohammed Amin Pandor, der zu den Wortführern des Protests gehört. Im Untersuchungsausschuss sollen nach seinem Willen auch Mitglieder der von ihm vertretenen Interessengruppe sitzen.
Ins gleiche Horn blies ein weiterer prominenter Vertreter muslimischer Verbände des Landes. Auch Qari Asim, der Vorsitzende des britischen Beirates der Moscheen und Imame, verurteilte die Verwendung der Mohammed-Karikaturen im Unterricht – mit einer bemerkenswerten Begründung: "Wir wollen nicht die Flamme der Islamophobie anfachen sowie Hass und Zwietracht provozieren", zitierte ihn The Guardian.
Doch wie sieht es aus, wenn Blasphemie, Kontroversen, Beleidigung und gewalttätige Reaktionen darauf als Unterrichtsgegenstand besprochen werden? In diesem Fall könne es durchaus angemessen sein, den Gegenstand des Konfliktes, hier die Karikaturen, zu zeigen, sagte Andrew Copson, Geschäftsführer der britischen humanistischen Organsation Humanism UK, in einem BBC-Interview.
Stephen Evans, Geschäftsführer der National Secular Society, wertete den Protest gegen den Lehrer als einen "Versuch, den Schulen ein islamisches Blasphemie-Tabu aufzuzwingen". Er wies darauf hin, dass Lehrkräfte ausreichend Spielraum benötigen, damit Schülerinnen und Schüler sich kritisch mit umstrittenen Themen auseinandersetzen können. Inklusion und gesellschaftlichen Zusammenhalt würde man nicht erreichen, indem man religiöse Gruppen über den Unterrichtsstoff bestimmen lasse.
Kritik an der Protestaktion äußerte auch das britische Bildungsministerium, nicht nur, weil bei der Demo die coronabedingten Kontaktbeschränkungen missachtet worden seien. Ein Sprecher der Behörde wies darauf hin, dass eine Bedrohung von Lehrkräften nicht hinzunehmen sei. Weiter erinnerte er daran, dass Schulen zur politischen Ausgewogenheit verpflichtet seien. Es sei ihnen freigestellt, in ihren Lehrplänen ein breites Spektrum an Themen zu behandeln, darunter auch kontroverse Fragen, solange dabei Respekt und Toleranz zwischen Personen unterschiedlicher Weltanschauung herrschten. Dies schließe die Auswahl des Unterrichtsmaterials ein.
Das Titelbild ist ein Screenshot des Videos, welches auf der Website examinerlive.co.uk eingebunden ist.
10 Kommentare
Kommentare
Giordano Bruno am Permanenter Link
" Angesichts der Ereignisse warnen säkulare Beobachter davor, religiösen Gruppen Eingriffe in den Schulunterricht zu gewähren."
Damit wird Generation um Generation christlich Indoktriniert, das ist Fakt in der BRD.
Petra Pausch am Permanenter Link
„Das geschieht in der BRD schon seit Jahrhunderten...“ Übertreiben Sie da nicht ein wenig? Die BRD ist noch keine hundert Jahre alt.
G.B. am Permanenter Link
Ach sind Sie doch nicht so penibel, ich meine natürlich Deutschland.
David Z am Permanenter Link
Genau diese Versuche zur billigen Relativierung sind Teil des Problems.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Würdenträger transportieren keine Würde, sondern inakzeptable Ideologie. Der Begriff ist 'Kirche im Kopf' und gehörte, Spott sei Dank, immer in Gänsefüßchen oder ein sog. davor.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Es ist beängstigend, wie der feige Untertanengeist in Europa um sich greift und die religiösen Eiferer, die so schlau und hinterhältig argumentieren können, pampert.
Martine Landau am Permanenter Link
Solche Szenarien wird es immer wieder geben. Sie bedrohen die Freiheit aller Menschen, sinniger Weise sogar die jener, die die Freiheit haben ihre Religion frei leben zu dürfen und zu können.
Antimodes am Permanenter Link
Die Anzahl Protestierender ist ziemlich gering.
Morddrohungen bekommt man übrigens auch in der deutschen Lokalpolitik. Das ist meist nur verbaler Hass, keine realistische Bedrohung. Aber wer so etwas regelmäßig im Briefkasten findet, überlegt sich, ob ihn das die Betätigung im Stadtparlament wert ist.
Ich halte das nicht für Verrohung. Da die Privatadressen einfach besser findbar sind, wir hier eher gehandelt. Das Szenario gilt aber auch für Affejttäterinnen, die ihrem Wahn mit dem Messer folgen.
Dagegen kann nur Aufklärung und eine offene Gesellschaft schützen. Wir können weder Messer noch Informationen zurück halten, aber Parallelgesellschaften einbinden. Viele Radikale sind ihrem Umfeld bekannt. Sie werden von Sympathisantinnen isoliert und vernetzt.
David Z am Permanenter Link
Die Protestler sind nur unmittelbar das Problem. Das Hauptproblem sind Menschen wie der Schulleiter, die feige oder aus Berechnung vor Gewalt und Unvernunft einknicken.
Ralf Osenberg am Permanenter Link
Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass der Schulleiter Gary Kibble die protestierenden Eltern um Verzeihung für die nach seinen Worten "völlig unangemessene Verwendung" der Mohammed-Karikaturen im Unte
Das schlägt dem Fass den Boden aus. Vermutlich hat sich Samuel Paty bevor er ermordet wurde auch „irgendwie verletzt gefühlt“. Und dem ganzen setzt der Mann auch seinen Kollegen aus?
Unfassbar.