Kolumne: Sitte & Anstand

Ausweitung des Geschäftsfelds

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Perry Stone beim Versuch, Puppen zu missionieren...
Perry Stone beim Versuch, Puppen zu missionieren...

US-Televangelist Perry Stone hat in einem Antiquitätenladen die "Formel des Lebens" gefunden!

Wie weit kann man gehen? Wenn man einen satten Lebensunterhalt daraus gemacht hat, den Leuten das Blaue vom Himmel herunterzuerzählen, stellt sich diese Frage immer wieder. Wie leichtgläubig sind Menschen wirklich, wenn sie sich einmal zu glauben entschlossen haben? Und wenn man sich einmal an Geld und Hingabe gewöhnt hat, wie kann man trotzdem immer wieder den Kick erleben? Kann man irgendwie verhindern, dass einen im eigenen leeren Geblubber die tödliche Langeweile überkommt?

Perry Stone jedenfalls, Televangelist aus Cleveland/USA, taucht immer wieder auf den Seiten unserer Stammlektüre friendlyatheist auf: So sehr bemüht er sich, über das standesgemäße, rechtslastige religiöse Salbadern hinaus für echte Highlights grenzwertiger Zurechnungsfähigkeit zu sorgen. Prophezeit hat er alle größeren Nachrichtenereignisse, nur eben so, dass es keiner gemerkt hat und man es erst hinterher verstehen kann. Beim Prophezeien hat er von den Besten gelernt: Man muss halbverständliches, unklares Zeugs von sich geben, dem dann im Nachhinein eine große Klarsicht angedichtet wird. Erst kürzlich hat Stone im Traum einen Tsunami gesehen, und die Plattentektonik der Erde wird eines Tages zu seiner Komplizin werden und diesen Traum wahr werden lassen. Wo? Wann? Öhöm.

Aber das ist nur das Tagesgeschäft. Perry Stone hat auch echte komische Klassiker produziert: Etwa ist er auch ein großer Sprecher "in Zungen". Im März hat er bei diesem erleuchteten Sprechen, wie er meint, in vier Sprachen gleichzeitig gesprochen, um wichtige Botschaften an bestimmte Länder zu schicken, und der unbedarfte Zuhörer konnte zunächst nur eine Art Witz-Italienisch und ein Gag-Arabisch erahnen, die auch nahtlos ineinander übergingen: Stone begann italoid, wechselte dann ins Arab-Ähnliche, das ihm aber vielleicht doch zu anstrengend war, weshalb es bald wieder ins Italioide überging, ehe er dann mit etwas endete, was vielleicht einer ostasiatischen Sprache ähneln sollte.

Ein anderes Mal erhielt Perry Stone Nachrichten auf seinem Smartphone, während er gerade in Zungen sprach, und er las und schrieb, während die Zungen immer weiter, wenn auch empfindlich verlangsamt, aus ihm sprachen.

Wie weit kann man gehen? Wir müssen uns den Mann, der mit Unsinnreden reich geworden ist, als ein großes Kind vorstellen: mit einem Faible für fantastische Geschichten und ohne rechtes Maß. Als die Coronakrise ihm das echte Publikum wegnahm, predigte er vor einem Publikum aus Puppen.

Dann, vor ein paar Monaten, verschwand er unvermittelt von der Bildfläche, weil er gegenüber Mitarbeiterinnen übergriffig gewesen sein soll.

Jetzt sehen wir auf seinem Kanal, dass er wieder aktiv ist, und wieder hat er eine Grenze ausgetestet. Der christliche Prediger will offenbar sein Geschäftsfeld erweitern, und sicher war es Gottes Hand, die ihm dabei den Weg wies: Perry Stone ist neulich in einen Antiquitätenladen gelaufen. Was fiel ihm da in die Hände? Na klar: Ein Jahrhunderte altes Dokument, auf dem die "Formel des Lebens" steht.

Über Generationen wurde sie in einer ausländischen Familie weitergegeben und diese guten Menschen wurden alle weit über hundert Jahre alt. Hallelujah! Da wollen wir doch mal hoffen, dass es da mit rechten Dingen zuging und der Herrgott das alles gutheißen kann. Mit ein bisschen Glück wird Perry Stone nun bald für alle Interessierten sein Elixier zusammenmixen und es, für einen gewissen Preis, auf seiner Homepage verfügbar machen. Ob das dann angenommen wird? Viele Follower haben auf YouTube kommentiert: Sie freuen sich schon so sehr auf den Himmel, dass sie das Zeug gar nicht trinken würden.

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