Humanistische Union spielt Don Quijote

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Mitglieder des Arbeitskreises Justizreform / Foto: Bastiaan Zapf

MARBURG. (hu/hpd) Forderungen sollen Justiz-System reformieren: "Wer kämpft, kann auch verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.", zitierte Franz Josef Hanke von der Humanistischen Organisation (HU) nach Berthold Brecht.

Vom Kämpfen und konsequenten durchsetzen der Bürgerrechte handeln auch die derzeitigen Bestrebungen des HU-Ortsverbandes Marburg. Ein Maßnahmenkatalog mit Forderungen des Arbeitskreises Justizreform (AKJuR) wurde am Donnerstag (11. März) offiziell vorgestellt.

Dem Arbeitskreis gehe es nur um Kritik. Er wolle konstruktiv versuchen, Mängel durch gezielte Forderungen zu beseitigen. Das Justiz-System in seiner jetzigen Form sei fehlerhaft. Dieser Umstand begünstige eine steigende Tendenz zu Korruption und Ungerechtigkeit.

"Der Arbeitskreis wurde durch Betroffene gegründet", erklärte AKJuR-Sprecherin Gudrun Hoffmann. "Nun müssen die Justiz-Maßnahmen genauestens analysiert werden. Es wird zwar in Namen des Volkes geurteilt, aber nicht immer wird dabei Recht gesprochen."

Gerade im Straf- und Zivilrecht müsse härter durchgegriffen werden. Bei neofaschistischen Straftaten solle härter durchgegriffen werden.

In den Forderungskatalog sind praktische Erfahrungen eingeflossen. Er soll im Justiz-System zu nachhaltigen Verbesserungen führen. In den Punkten fordert die HU eine Vermeidung sowie härtere Bestrafung von Rechtsbeugung und Delikten von Amtsträgern.

Zu dem dürften Staatsanwälte und Richter nach Ansicht des Arbeitskreises keine bezahlten nebenberuflichen Tätigkeiten ausüben, da sie unvereinbar mit dem justiziellen Amt seien.

Alle Forderungen sind nun veröffentlicht und stehen zur Diskussion. Nach Meinung der Betroffenen sei das endgültige Ziel noch nicht erreicht. Lediglich die ersten Etappen seien absolviert. Sie hoffen, dass Juristen und Politiker diese Anstöße künftig umsetzen.

Martin Ludwig

 

Forderungskatalog
des Arbeitskreises Justizreform des HU-Ortsverbands Marburg

Die nachstehenden Forderungen sollen einen Beitrag zu einer Debatte über Möglichkeiten zur Demokratisierung der Justiz leisten. Sie sind als Diskussionsanstoß gedacht und sollen Verbesserungen der derzeitig unbefriedigenden Situation anregen.

Eine demokratische Justiz muss transparent und bürgerfreundlich sein. Sie muss die Freiheitsrechte der Menschen respektieren und höher bewerten als die Effizienz der Strafverfolgung.

Die derzeit bestehenden Strukturen der bundesdeutschen Justiz lassen Fehler zu, die sich für die Betroffenen mitunter sehr negativ auswirken können. Wo gearbeitet wird, da geschehen zwangsläufig Fehler.

Der Instanzen-Zug jedoch hat sich in der Praxis als nicht ausreichendes Instrument zur Korrektur von Fehlentscheidungen und Fehlverhalten der Justiz und ihrer Bediensteten erwiesen. Deswegen setzt sich der HU-Arbeitskreis Justizreform (AKJuR) für weitergehende Maßnahmen zur Verbesserung der Justiz in Deutschland ein.

1. Ein Justiz-Ombudsmann sollte von Jedermann und Jederfrau jederzeit angerufen werden können, wenn Bürger sich über rechtswidriges Verhalten der Justiz beschweren wollen. Die gewählte Person sollte über einen Apparat verfügen, der die gestellten Aufgaben auch bewältigen kann. Sie sollte auf Landes- und Bundesebene jeweils direkt vom Volk gewählt werden.

2. Rechtsbeugung und andere Offizialdelikte müssen tatsächlich bestraft werden können. Faktisch ist das derzeit nahezu unmöglich. Deswegen müssen künftig auch "minder schwere" Fälle strafrechtlich verfolgt werden. Selbstverständlich genießen Beschuldigte dabei die selben Rechte wie jeder andere.

3. Zur Verfolgung von Straftaten staatlicher Stellen ist eine Sonder-Ermittlungsbehörde einzurichten. Ihre Leitung muss direkt vom Volk gewählt werden. Ihre Finanzierung muss außerhalb staatlicher Zugriffsmöglichkeiten gesichert werden.

4. Alle Ermittlungsergebnisse, die unter Verstoß gegen Regelungen der StPO erlangt wurden, sind in der Regel automatisch nicht verwertbar. Nur ein striktes Beweisverwertungsverbot übt den notwendigen Druck auf die Ermittlungsbehörden aus, sich an die StPO und ihre Bestimmungen auch wirklich zu halten.

5. Bei Hauptverhandlungen in Strafsachen sollte immer ein Wortprotokoll - insbesondere über die Angaben von Zeugen und Sachverständigen - gefertigt werden. Legt die Revision in ihrer Begründung plausibel dar, dass die im richterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen und Ergebnisse der Beweisaufnahme im Widerspruch zum Verlauf und zum Inhalt der Hauptverhandlung stehen, dann ist das Revisionsgericht verpflichtet, die beanstandeten Teile der Hauptverhandlung zu rekonstruieren, indem die fraglichen Beweise nochmals vor dem Revisionsgericht erhoben werden.

6. Der § 349 II der Strafprozessordnung (StPO) sollte gestrichen werden. Er liefert eine einfache Möglichkeit zur Aushebelung des Rechtsschutzes durch Klassifizierung von Revisionen als angeblich "offensichtlich unbegründet".

7. In allen Verfahren nach der Strafprozessordnung (StPO) muss der Richtervorbehalt verschärft werden. Vor allem Richterinnen und Richter bei Amtsgerichten unterschreiben häufig ohne eigene Sachprüfung, was ihnen von den Strafverfolgungsbehörden vorgelegt wird. Die Untersuchungspflichten müssen deshalb verschärft werden. Eine ungeprüfte und pauschale Übernahme der Tatsachenbehauptungen der Strafverfolgungsbehörden ist auszuschließen. Eine originäre richterliche Untersuchungspflicht ist einzuführen, die sich vor allem auf entlastende Umstände zu erstrecken hat. Das schließt die richterliche Pflicht zur persönlichen Anhörung der Hauptbelastungs- und Entlastungszeugen mit ein.

8. Die neue Kronzeugen-Regelung muss sofort wieder abgeschafft werden. Sie animiert Straftäter zur Belastung anderer auch durch Falschaussagen.

9. Die neuen Regelungen zu Absprachen in Strafverfahren können zu einem faktischen Geständniszwang führen. Damit schränken sie das Recht des Angeklagten ein, die Aussage vor Gericht zu verweigern. Deswegen müssen diese Regelungen sofort wieder abgeschafft werden.

10. Schadensersatzansprüche gegen die Justiz müssen großzügig ausgestaltet werden, um den Betroffenen wirksame Gegenleistungen für erlittene Nachteile zu gewähren. Schadensersatz muss von den zuständigen Justizministerien geleistet und hinterher von den verantwortlichen Justizbediensteten eingezogen werden. Die Entschädigung für rechtswidrigen Freiheitsentzug sollte mindestens 100 Euro pro Tag betragen.

11. Schadenersatzpflicht besteht, wenn die staatliche Strafverfolgungsmaßnahme rechtswidrig war. Der Geschädigte muss seinen Schaden beziffern und in voller Höhe ersetzt erhalten. Für die Ersatzpflicht muss es ausreichen, wenn der Eintritt eines solchen Schadens infolge einer rechtswidrigen Strafverfolgungsmaßnahme als wahrscheinlich angesehen werden kann. Der Vollbeweis muss nicht geführt werden. Der Staat bleibt berechtigt, den Gegenbeweis zu führen.

12. Ein neues Richter-Wahlgesetz muss erarbeitet werden. Jede Form von legaler oder illegaler Korruption beispielsweise durch den Einfluss von Lobby-Gruppen und Parteien muss hierbei verhindert werden.

13. Die Richter-Wahlausschüsse müssen direkt vom Volk gewählt werden. Wählbar sind hier auch Nicht-Juristen. Parteizugehörigkeiten dürfen dabei nicht ausschlaggebend sein.

14. Richter dürfen nur auf Zeit für fünf Jahre berufen werden. Danach ist eine Wiederwahl auf denselben Posten ausgeschlossen.

15. Richter und Staatsanwälte dürfen keine bezahlten nebenberuflichen Tätigkeiten ausüben. Ebenso wie auf Landes- und Bundesebene sollten Richter auch keinen Parlamenten auf Stadt- oder Kreisebene angehören. Die Gewaltentrennung und mögliche Interessenkonflikte erfordern die individuelle Entscheidung jedes einzelnen Juristen, ob er Richter sein möchte oder andere Tätigkeiten und Ämter wahrnehmen will.

16. Staatsanwaltschaft und Richterschaft müssen räumlich, personal und institutionell strikt voneinander getrennt werden. Das schließt einen Wechsel von der einen in die andere Position zumindest ohne zwischenzeitliche zweijährige Pause aus. Eine solche Trennung könnte eine Kungelei zwischen Staatsanwälten und Richtern zumindest erschweren.

Diese Forderungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf den Bereich des Strafrechts. Darüber hinaus sind sicherlich auch Änderungen der Zivilprozessordnung (ZPO) sinnvoll. Doch hat der AKJuR sich deswegen vor allem auf die StPO konzentriert, weil hier die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten noch weitreichender betroffen sind als bei Zivilverfahren. Im Interesse einer freiheitlichen Gesellschaft hält der AKJuR diese Forderungen für notwendig, um eine Reform der verkrusteten Justiz einzuleiten.

 

Zum Forderungskatalog des "Arbeitskreis Justizreform" gibt es auch einen audio-file.